Anfang Mai traf sich in der nordgriechischen Hafenstadt Alexandroupolis eine Schar europäischer Politiker. Der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis, EU-Ratspräsident Charles Michel und Politprominenz aus Bulgarien, Serbien und Nordmazedonien gaben den feierlichen Startschuss zum Bau eines Flüssiggas-Terminals. 

Mit Hilfe der schwimmenden Plattform will Griechenland ab 2023 die europäische Gasversorgung ergänzen. "Das Terminal wird uns nicht nur helfen, energieunabhängiger zu werden. Es wird unsere langfristigen Klimaziele vorantreiben, weil es auch auf Wasserstoff umgestellt werden kann", erklärte EU-Ratspräsident Michel.

Angesichts des Ukraine-Krieges und des Gaslieferstopps, den Moskau erst eine Woche davor, Ende April, gegen Bulgarien und Polen verhängt hatte, soll der LNG-Terminal möglichst schnell fertiggestellt werden: Bereits 2023 könnte das rund 400 Millionen Euro teure Projekt in Betrieb gehen, an dem sich die EU mit 166,7 Millionen Euro beteiligen will. Der schwimmende Terminal soll jährlich rund 5,5 Milliarden Kubikmeter Erdgas umschlagen können - das sind fast zwei Drittel des jährlichen Gasverbrauchs von Österreich.

Als Lieferanten des Rohstoffs kommen unter anderem Algerien, Katar, Ägypten und die USA in Frage. Das Gas soll von Alexandroupolis aus über Pipelines weitergeleitet werden. Mit der ersten Lieferung wird in etwa 20 Monaten gerechnet.

Was Gas-Pipeline-Projekte betrifft, hatte sich Südosteuropa in den letzten Jahren allerdings eher als Milliardengrab erwiesen, was der vehementen geopolitischen Einflussnahme Russlands zuzuschreiben ist.

Von Nabucco bis TAP

Prominentestes Opfer war die Nabucco-Pipeline, die, unter der Ägide der heimischen OMV, an Russland vorbei Gas vom Kaspischen Meer über Bulgarien bis Wien nach Europa liefern sollte. Auch das South-Stream-Projekt, welches Gas über Bulgarien in die EU bringen sollte, fiel der Einflussnahme des Kreml zum Opfer. Es wurde Anfang Dezember 2014 gestoppt, im Streit Moskaus mit der EU nach der Krim-Annexion.

Allerdings gibt es eine bereits in Betrieb befindliche Ausweichroute in der Region, die Trans Adriatic Pipeline (TAP). Sie liefert seit Anfang 2021 Gas aus Aserbaidschan nach Griechenland und von dort aus auch nach Italien. Entscheidend dafür ist ihre Anbindung an die Transanatolische Pipeline (TANAP). Die rund 1.850 Kilometer lange Gasleitung wurde im Juni 2018 in Betrieb genommen und läuft durch die Türkei bis zum Gasfeld Schah Denis in Aserbaidschan.

Besonderes Augenmerk liegt derzeit zudem auf einer, noch im Bau befindlichen, 180 Kilometer langen und 240 Millionen Euro teuren Verbindung zwischen der griechischen Stadt Komotini und dem bulgarischen Stara Sagora.

Dieses Bindeglied zur TAP soll bereits im Juni in Betrieb gehen und Bulgarien sowie andere Länder der Region neu vernetzen.

Eastmed im Neustart

Etwas in Vergessenheit geraten ist Eastmed. Die Pipeline sollte ab 2025 Gas aus dem östlichen Mittelmeer über eine 1.900 Kilometer lange Unterwasser-Leitung an der Türkei vorbei nach Westeuropa liefern. Im Januar 2020 unterzeichneten Griechenland, Israel und Zypern hierfür ein Grundsatzabkommen. Im Januar 2022 zogen die USA jedoch ihre finanzielle Unterstützung für die East-Med-Pipeline zurück. Man wollte die Spannungen zwischen Griechenland und der Türkei wohl nicht eskalieren lassen, die rund um die Rechte an den im östlichen Mittelmeer gefundenen Gasvorkommen entbrannt waren. So hatte die Türkei begonnen, vor Zypern und Kreta Bohrungen vorzunehmen, um ihre Ansprüche dem internationalen Seerechtsabkommen entgegenzusetzen.

Angesichts der aktuellen Notlage denken Griechenland, Israel und Zypern jedoch erneut über Eastmed nach. Anfang April trafen sich die Außenminister der drei Länder in Athen und kündigten neue Prüfungen an - wobei Israel ausdrücklich auch die Türkei zur Mitwirkung einlud.

Am Montag verkündeten dann plötzlich die USA, ihre Zusammenarbeit mit Israel, Griechenland und Zypern im östlichen Mittelmeer ausbauen zu wollen.