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Euro-Dollar-Parität bald erreicht?

Von Karl Leban

Wirtschaft

US-Währung profitiert von globalen Unsicherheiten und Zinsschritten der Fed, Euro ist im Abwärtsstrudel.


Auch wenn er zuletzt etwas Boden zurückgewonnen hat: Der Euro schwächelt. Alleine heuer hat Europas Einheitswährung gegenüber dem Dollar bisher um mehr als 5 Prozent abgewertet, binnen eines Jahres sogar um fast 12 Prozent. Ein Euro ist derzeit knapp unter 1,08 Dollar wert (Mitte Mai waren es sogar weniger als 1,04 Dollar). Urlaube in den USA sind damit teuer wie schon lange nicht. An den Devisenmärkten wird unterdessen auf eine weitere Talfahrt des Euro spekuliert. So wetten Hedgefonds seit Monaten auf die Parität zum Dollar, die es schon einmal gab - nämlich 2002, im Jahr der Euro-Bargeldeinführung. Etwa sieben Milliarden Dollar sollen dabei rund um den Globus in entsprechende Termingeschäfte geflossen sein.

Dass sich der Euro der Parität nähert und der Dollar mithin nur so vor Stärke strotzt, hat unter anderem auch mit dem russischen Militärschlag gegen die Ukraine zu tun. "Es ist die Nähe Europas zu diesem Krisenherd, das ist ein nicht unerheblicher Faktor", erklärt Erste-Group-Chefanalyst Fritz Mostböck. "Schließlich sind die wirtschaftlichen Verflechtungen Europas mit der Ukraine und Russland schon stärker als die der USA."

Ähnlich sieht das auch Felix Düregger, leitender Asset-Manager der Bank-Austria-Tochter Schoellerbank: "Der US-Dollar wird seiner Rolle als Krisenwährung wieder einmal vollends gerecht. Denn wirtschaftlich betrifft der Krieg in der Ukraine ja vor allem Europa." Auch die Covid-Lockdowns in China und die damit verbundenen weiteren Belastungen der angespannten Lieferketten spiegelten ein unsicheres Umfeld wider, betont der Experte. "All das treibt viele Anleger in sichere Assets und damit auch in den Dollar."

Zinsreigen in USA stärkt Dollar

Was der US-Währung zurzeit zulasten des Euro ebenfalls in die Karten spielt, ist der "schnelle Zinserhöhungszyklus, in dem sich die US-Notenbank Fed befindet", wie Düregger weiter ausführt. Die ersten Zinsschritte seien bereits getan, viele weitere würden noch folgen. "Der Markt erwartet in einem Jahr ein Zinsniveau von etwa drei Prozent", gibt Düregger zu bedenken. Zwar würden die Zinsen auch im Euroraum voraussichtlich ab Sommer erhöht - allerdings in einem deutlich geringeren Umfang. "Durch diese Zinsdifferenz, die im kommenden Jahr entsteht, werden US-Dollar-Veranlagungen relativ betrachtet interessanter", analysiert der Fachmann. "Der Markt nimmt das vorweg."

Für Stefan Bruckbauer, Chefvolkswirt der Unicredit Bank Austria, sind die "erwarteten Differenzen zwischen Dollar- und Euro-Zinsen" neben den ökonomischen Unsicherheiten infolge des Krieges in der Ukraine ebenfalls der triftigste Grund für den schwachen Euro beziehungsweise den starken Dollar. "Somit fließt mehr Geld nach Amerika", sagt Bruckbauer. "Die erwarteten Zinserhöhungen sind da der Haupttreiber. Darüber hinaus ist die Konjunktur in den USA dynamischer als in Europa."

Uneinigkeit herrscht unter den Experten indes, ob es nun zur Euro-Dollar-Parität kommen wird oder nicht. Während sich Düregger auf keine Prognose einlassen will, erwartet Erste-Chefanalyst Mostböck, "dass wir das nicht sehen werden". Sein Nachsatz: "Wir gehen von einer vorübergehenden Schwäche des Euro aus, die sich bis in den Sommer hinein fortsetzen kann. Im Herbst sehen wir den Euro aber wieder bei 1,13 Dollar." Als Grund für das aktuell schwache Momentum führt Mostböck auch die Zögerlichkeit der Europäischen Zentralbank (EZB), angesichts der hohen Inflation die Zinswende einzuleiten, an.

Viel hängt von der EZB ab

"Um den Euro zu stärken, bräuchte es - abgesehen von einem raschen Einschreiten der EZB bei den Zinsen - auch positive Signale für ein Ende des Krieges in der Ukraine", meint Harald Holzer, Chief Investment Officer und Vorstandsmitglied der zum Raiffeisen-Imperium gehörenden Kathrein Privatbank. "Es ist daher wahrscheinlich, dass der US-Dollar seine Stärke in diesem Umfeld behält und durchaus auch die Parität erreicht wird."

Bank-Austria-Ökonom Bruckbauer hält einen Wechselkurs von eins zu eins ebenfalls für möglich - "kurzfristig und punktuell", wie er erklärt. Dieser Fall könnte vor allem dann eintreten, wenn die EZB signalisiert, dass sie bei ihrer geplanten Abkehr vom billigen Geld mit Blick auf etwaige Konjunkturschwächen doch "vorsichtiger und langsamer" vorgehen muss als erwartet. Sollte die Zinserhöhung aber, wie von den Euro-Währungshütern zuletzt angedeutet, im Juli kommen und sollten darauf weitere Zinsschritte folgen, dann könnte der Euro wieder an Stärke gewinnen, so Bruckbauer. Aus seiner Sicht würde auch eine Entspannung bei den Energiepreisen, die Europa stärker treffen als die USA, sowie im russisch-ukrainischen Krieg Europas gemeinsame Währung festigen.

US-Notenbank muss liefern

Schoellerbank-Experte Düregger sieht indes die Möglichkeit eines Euro-Comebacks in folgendem Szenario: "Sollte sich herausstellen, dass die bereits eingepreisten Zinserhöhungen der Fed nicht im erwarteten Ausmaß umgesetzt werden, dann würde sich auch die aufgehende Zinsschere wieder ein Stück weit schließen." Stärkere Erhöhungen der EZB würden das Gleiche bewirken, sagt Düregger weiter. Nach seiner Einschätzung wären stärkere Zinsanhebungen der Europäischen Zentralbank insbesondere dann möglich, wenn die Konjunktur nicht Gefahr läuft, in eine Rezession zu schlittern. "Dies wäre ein starkes Zeichen und könnte auch dem Euro wieder Rückenwind bescheren", unterstreicht Düregger. "Auch ein allgemeines Umfeld der Entspannung - bei Pandemie, Energiepreisen, Welthandel, Aktienmärkten etc. - würde generell eher für den Euro sprechen", argumentiert der Asset-Manager ähnlich wie Bruckbauer.

Exporteure tun sich leichter

Ein schwächelnder Euro hat freilich auch Vorteile. "Die europäische Wirtschaft tut sich mit Exporten leichter - da werden viele Unternehmen, die stark exportorientiert sind, nicht traurig sein", erklärt Erste-Experte Mostböck. Zudem profitieren Anleger aus dem Euroraum, die US-Aktien in ihrem Portfolio halten, vom gestiegenen Dollar-Kurs in Form von Wechselkursgewinnen. Wie Kathrein-Vorstand Holzer erläutert, können damit die Kursverluste, die bei amerikanischen Papieren im bisherigen Jahresverlauf angefallen sind, zumindest zu einem Teil kompensiert werden.

Ungünstig ist ein starker Dollar allerdings für den Einkauf von Öl und Gas, die in der Regel in der US-Währung gehandelt werden. "Durch die Aufwertung steigen die Preise zusätzlich", sagt Holzer. Damit werde in der Eurozone auch das Inflationsproblem verschärft. "Verbunden mit den Rezessionsängsten bedeutet dies derzeit ein sehr herausforderndes Klima für Anleger." Holzer geht davon aus, "dass dieses Umfeld in den nächsten Monaten bestehen bleibt".