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Kein Rubel, kein Gas

Von Marina Delcheva

Wirtschaft

Russland dreht immer mehr Staaten das Gas ab, weil diese nicht in Rubel bezahlen wollen. Der Schritt hat vor allem symbolische Wirkung, mittelfristig heizt er aber den Gaspreis und die Inflation weiter an.


Nach Bulgarien, Finnland und Polen dreht Russland nun Dänemark und den Niederlanden den Gashahn zu. Der dänische Ørsted, die niederländische GasTerra und auch der internationale Energieriese Shell Europe, der unter anderem Gas an Deutschland liefert, werden nicht mehr mit russischem Gas beliefert. Der staatliche russische Gaskonzern Gazprom argumentiert den Schritt damit, dass sich diese Vertragspartner weigern, für Gaslieferungen in Rubel zu bezahlen. Zur Erinnerung: Im April hatte Russlands Präsident Wladimir Putin ein Dekret erlassen, wonach alle Gaslieferungen an sogenannte feindliche Staaten künftig nur noch in Rubel bezahlt werden müssen.

Das sollte so funktionieren: Jene Energieversorger, die einen Gasliefervertrag mit Gazprom haben, sollten ein Konto bei der Gazprombank eröffnen und dort, wie vertraglich festgehalten, ihre Gaslieferungen in Euro oder Dollar bezahlen. Allerdings sollten sie damit auch zustimmen, dass die Gazprombank ein zweites, zwischengeschaltetes Konto eröffnet, über welches die Devisenzahlungen in Rubel konvertiert werden. Die vom Lieferstopp betroffenen Energieversorger haben kein Konto bei der Gazprombank eingerichtet und weigern sich, für Gas in Rubel zu bezahlen. Sie argumentieren damit, dass es die EU-Sanktionen gegen Russland unterlaufe.

Aus Deutschland, aber auch aus Österreich meldete man zuletzt "erfolgreiche Gaszahlungen" an Russland. "Uniper zahlt in Euro im Einklang mit dem neuen Zahlungsmechanismus. Die erste dieser Zahlungen erfolgte Ende Mai", wird etwa ein Sprecher des deutschen Energieversorgers im "Spiegel" zitiert. Und auch die heimische OMV, Gazproms Vertragspartner in Österreich, hat ein Konto bei der Gazprombank eröffnet und zahlt dort Euro ein. Seitens des Konzerns betonte man immer wieder, dass man, wie vertraglich vereinbart, weiterhin in Euro zahle und damit alle geltenden Sanktionen einhalte.

Ausfälle verkaftbar

Die Lieferstopps haben bisher aber ohnehin symbolische Wirkung - auf beiden Seiten. Jene Länder, die sich weigern, in Rubel zu zahlen beziehungsweise keinem Konvertierungskonto bei der Gazprombank zustimmen, beziehen verhältnismäßig wenig Gas aus Russland und sie können diese Ausfälle relativ gut kompensieren. Beziehungsweise wären deren Verträge mit Gazprom ohnehin bald ausgelaufen. Auf der anderen Seite treffen die Ausfälle Russland budgetär auch nicht besonders hart, weshalb es dem Kreml leicht fällt, den Gashahn in diese Richtung zuzudrehen.

In Dänemark werden nur 18 Prozent des Energiebedarfs mit Erdgas gedeckt, wovon drei Viertel aus eigener Produktion stammen. In den Niederlanden stammen fünfzehn Prozent des verbrauchten Gases, also circa zwei Milliarden Kubikmeter jährlich, aus Russland. Zudem wollten diese beiden Länder ohnehin schon bald gänzlich auf russisches Gas verzichten.

Das ist in Deutschland und Österreich anders. Deutschland verbraucht pro Jahr 90 Milliarden Kubikmeter Gas. Anfang des Jahres stammten 55 Prozent aus Russland, derzeit sind es rund 35 Prozent, Tendenz sinkend. In Österreich macht der Anteil Russlands am Gasimport - je nach Berechnungsmethode - bis zu 80 Prozent aus. Zudem spielt Gas eine gewichtige Rolle im heimischen Energiemix. Die Industrie und fast jeder vierte Haushalt werden hierzulande mit Gas versorgt.

Preis hochtreiben

Die aktuellen Lieferstopps haben aber nicht nur geopolitische Symbolwirkung. Durch die Ausfälle, wenn auch nicht großer Mengen, wird der europäische Gasmarkt weiter verknappt. Das macht es wiederum schwieriger und vor allem teurer, die Gasspeicher in den EU-Ländern für den Winter aufzufüllen. Außerdem werfen Energieökonomen Putin vor, den Gaspreis bewusst in die Höhe zu treiben, und mit ihm die föderalen Einnahmen. Tatsächlich hat sich der Großhandelspreis binnen eines Jahres fast verfünffacht. Die Spekulationen um einen möglichen Lieferstopp oder ein Gasembargo heizen den Gaspreis und damit die Inflation zusätzlich an.