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Turbulente Zeiten für Energiekonzerne

Von Monika Jonasch

Wirtschaft
Auch Unternehmen in Deutschland, Finnland und Italien sind angesichts der angespannten Situation auf den Märkten ins Straucheln geraten.
© adobe stock / blackday

Massiver Liquiditätsbedarf wie bei der Wien Energie ist europaweit kein Einzelfall.


Es ist nicht nur die Wien Energie, die nach dem irren Höhenflug der Strompreise am 26. August als einziger Energieversorger in Europa mit einem selber nicht mehr zu stemmenden Liquiditätsbedarf konfrontiert war. Auch der größte deutsche Gasimporteur Uniper ist ein interessantes Beispiel dafür, was bei Energiekonzernen derzeit schieflaufen kann. Uniper ist seit Wochen in den Schlagzeilen mit seinen Verlusten, die auf ausgefallene Lieferungen aus Russland zurückzuführen sind. Eigens für diese Problematik spannte das Nachbarland einen Schutzschirm auf, um seine systemrelevanten Energieriesen aufzufangen.

Uniper kämpft aber zusätzlich noch mit seiner Systemerbschaft, wurde das Unternehmen doch einst von E.ON abgespalten, wobei E.ON die zukunftsträchtigen Geschäfte mit den Netzen, Energie-Dienstleistungen und Ökoenergien behielt und Uniper mit den weniger charmanten fossilen Energien sowie der Wasserkraft zurückließ.

Hinzu kommt, dass Uniper wiederum am finnischen Mutterkonzern Fortum hängt, der seinerseits in Schieflage geraten ist und daher nicht einspringen kann. Dieser kämpft nämlich - ebenso wie Wien Energie - mit drohenden Liquiditätsengpässen, sollten die Energiepreise weiterhin so stark steigen. Und auch Fortum führt bereits Gespräche mit dem finnischen Staat, der mehr als die Hälfte der Anteile am Konzern hält, um sein Margining, also die Sicherheitsleistungen beim Stromhandel, nötigenfalls mit Staatshilfen absichern zu können.

Ende voriger Woche summierten sich Fortums gebundene Sicherheiten laut Konzernangaben auf geschätzte rund 5 Milliarden Euro - das ist ein Anstieg von einer Milliarde Euro innerhalb nur einer Woche.

Krisengewinner punkten mit Ökostrom

Von den Verwerfungen am Strom- und Gaspreismarkt hingegen weitgehend unbeeindruckt, wenn nicht sogar beflügelt, zeigt sich der deutsche RWE-Konzern, der auch an der Kärntner Kelag beteiligt ist. Ausschlaggebend für dessen Stabilität ist sein Geschäft mit erneuerbarer Energie.

Denn Investitionen in diesen Bereich zahlen sich dank der europaweit geltenden Merit-Order derzeit doppelt aus: Nicht nur, dass Ökoenergie unbeeindruckt vom Ukraine-Krieg weiterläuft und kaum mehr kostet. Zusätzlich wird dank der Regelung, dass der teuerste Energieträger, derzeit also Gas, den Marktpreis bestimmt, die günstige Ökoenergie quasi überzahlt.

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Immerhin liegt der Gaspreis aktuell um etwa 380 Prozent über dem Preis vom September vergangenen Jahres. Damit sind die Kassen von RWE prall gefüllt, teils sollen diese Gewinne nun in weitere Investitionen in Solar- und Windkraft fließen.

Vergleichbar sieht die Situation übrigens beim heimischen Energieversorger Verbund aus: Die gestiegene Energiepreise am Weltmarkt haben seinen Nettogewinn bis Juni um 151,8 Prozent auf 817,1 Millionen Euro steigen lassen. Im Gesamtjahr 2022 soll der Nettogewinn 1,68 bis 1,03 Milliarden Euro erreichen. Um den Vorteil durch seinen Fokus auf nachhaltige Energieerzeugung weiter auszubauen, will der Verbund bis 2024 3,1 Milliarden Euro in diesen Bereich investieren.

Übergewinnsteuer floppt in Italien

Vergleichsweise rosig sieht die Situation auch beim italienischen Energiekonzern ENI aus. Er hat das erste Halbjahr 2022 mit einem Nettogewinn von 7,4 Milliarden Euro abgeschlossen. Im Vergleichszeitraum 2021 waren es noch 1,1 Milliarden Euro gewesen. Das Unternehmen steckt nun einen Teil seines Gewinns in ein Aktienrückkaufprogramm und plant den Börsengang seiner auf erneuerbaren Energien spezialisierte Tochter Plenitude.

Wie in Österreich wurde auch in Italien angesichts massiver Gewinne der Energieriesen eine Übergewinnsteuer überlegt- und auch umgesetzt. Zwischen 10 und 11 Milliarden Euro erwartete man sich durch die 25-prozentige Übergewinnsteuer, die bis Ende Juni fällig war. Anfang August fehlten allerdings noch neun Milliarden Euro. Die Energiekonzerne zahlten nicht oder nur in Raten. Sie begründen dies damit, dass ihnen die schwankenden Energiepreise Probleme bereiten.

Auch in Deutschland wurde eine solche Steuer überlegt, allerdings gab es daran massive Kritik, unter anderem von Experten wie dem Präsidenten des deutschen Wirtschaftsforschungsinstitutes Ifo, Clemens Fuest. Nicht nur, dass für diese enormen Gewinne auch ebenso massiv Steuer gezahlt werde, sie seien Folge von "vorausschauendem Wirtschaften". Fuest führt in einem Gespräch mit der "Rheinischen Post" aus: "Manche Unternehmen machen jetzt hohe Gewinne, weil sie in Zeiten, als andere nichts davon hielten, vorgesorgt und beispielsweise in die Erschließung von Öl- und Gasquellen investiert haben."

Angesichts der Turbulenzen am gesamteuropäischen Energiemarkt, der zudem nicht nur auf Konzernebene, sondern auch im Bereich des Stromnetzes engmaschig verbunden ist, kündigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Anfang dieser Woche eine strukturelle Reform des europäischen Strommarktes sowie Notfallmaßnahmen an.

EU-Lösung wird weder schnell noch einfach

Die EU-Kommission prüft derzeit Optionen zur Begrenzung der Energiepreise und zur Abschöpfung von Übergewinnen. Experten erwarten hierbei weder eine schnelle noch eine einfache Lösung. Insbesondere das auch in Österreich zuletzt mehrfach geforderte Ende der "Merit Order" könne so kurzfristig nicht umgesetzt werden, heißt es dazu.

Dass also einerseits Energiekonzerne mit Ökoenergie-Fokus derzeit finanziell massive Vorteile erwirtschaften, während andere straucheln, wird in naher Zukunft wohl so bleiben. Längerfristig scheint eine europaweite Strukturreform jedoch unausweichlich. Allerdings dürfen dabei Investitionen in Ökoenergie nicht abgewürgt werden - keine leichte Aufgabe also.