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Was die EU-Gasbeschaffung bringt

Von Marina Delcheva

Wirtschaft
Die EU will gemeinsam Gas einkaufen. Durch die Marktmacht aller EU-Staaten soll der Gaspreis sinken.
© reuters / Lee Smith

Die EU will als Käuferkartell für Gas auftreten. Das könnte die Preise deutlich senken, die Umsetzung ist aber nicht einfach.


Die EU-Staaten sollen ab dem kommenden Jahr gemeinsam, als Union, Gas einkaufen und Energielieferverträge abschließen. Darauf haben sich die EU-Energieminister am Donnerstag in Prag geeinigt. Die EU-Kommission soll nun bis zum 18. Oktober einen konkreten Entwurf für die gemeinsame Gasbeschaffung ausarbeiten. Endlich, meinen viele Ökonomen. Denn eine gemeinsame Energiepolitik hätte einige Vorteile für die EU-Länder.

Eigentlich haben die EU-Staaten schon im März eine freiwillige gemeinsame Gasbeschaffung beschlossen und eine eigene Plattform dafür eingerichtet. Über diese wurde aber bisher kein einziges Gas-Molekül gemeinsam beschafft. Das liegt zum einen daran, dass die einzelnen EU-Staaten angesichts der angespannten Lage am Gasmarkt begonnen haben, in sehr kurzer Zeit sehr viel Gas zur Bevorratung einzukaufen. Österreich hat zum Beispiel eine strategische Reserve von 20 Terawattstunden beschlossen und zwei Ausschreibungen dazu gemacht.

Zum anderen sind derzeit großteils private beziehungsweise teilstaatliche Energieunternehmen für den Gaseinkauf und das Abschließen von Gaslieferverträgen zuständig. Das so eingekaufte und eingespeicherte Gas wird dann an die einzelnen Energieversorger weiterverkauft. Dieses Geschäft lassen sich die Firmen naturgemäß nicht gern aus der Hand nehmen.

Gaspreis explodiert

Russland hat vor über einem Jahr begonnen, am Gashahn zu drehen. Schon im vergangenen Sommer wurde ein bisschen weniger Gas geliefert, als eigentlich von den Vertragspartnern der staatlichen Gazprom bestellt. Und die Gazprom-Speicher in der EU wurden nicht wie üblich befüllt. Mit dem Einmarsch in die Ukraine Ende Februar eskalierte die Situation weiter. Derzeit kommt nur ein Drittel der angeforderten Liefermenge nach Österreich, die Gasimporte in die gesamte EU sind um 90 Prozent eingebrochen.

Das alles hat den Gaspreis und mit ihm den Strompreis in den vergangenen Monaten explodieren lassen. Kostete eine Megawattstunde Gas im Großhandel vor einem Jahr noch knapp über 40 Euro, so liegt der Gaspreis derzeit über 150 Euro je Megawattstunde. Kurzzeitig stieg er im August sogar auf 350 Euro.

Marktmacht nutzen

"In einer solchen Situation, wo es um die europäische Frage der Versorgungssicherheit geht, hätte man schon längst verpflichtend gemeinsam Gas einkaufen sollen", kommentiert Wifo-Ökonom und WU-Professor Harald Oberhofer die gemeinsame Gas-Beschaffung. Denn letzten Endes hätten sich die EU-Staaten in den vergangenen Monaten das knapp gewordene Gas gegenseitig "weggekauft" und so den Preis weiter in die Höhe getrieben. Durch die gemeinsame Beschaffung und Verteilung hört das wechselseitige Überbieten auf.

Und: "Als großes Beschaffungskartell gewinnt man an Marktmacht gegenüber den Anbietern", so Oberhofer. Dafür hatte sich auch Wifo-Chef Gabriel Felbermayr wiederholt ausgesprochen. Derzeit stehen einige wenige Öl- und Gaslieferanten einer Vielzahl von Käufern am Weltmarkt gegenüber und können so leichter höhere Preise für das knapp gewordene Gut Energie verlangen.

Wenn nun statt 27 EU-Staaten und deren Energieunternehmen aber die EU-Kommission für den gesamten Binnenmarkt als Käuferin von sehr großen Liefermengen auftritt, könnte das die Gaspreise deutlich senken, weil sich die Unternehmen nicht gegenseitig das Gas am Weltmarkt wegkaufen und den Preis anheizen.

So ähnlich lief das schon bei der Corona-Impfstoffbeschaffung, als die EU-Kommission im Auftrag der EU-Länder Impfdosen bei Moderna, AstraZeneca und Biontech in großen Mengen einkaufte. Diese wurden nach einem Bevölkerungsschlüssel verteilt und über die Gesundheitsbudgets der Länder abgerechnet.

Ganz so einfach wird es beim Gas aber wohl nicht. Denn Beschaffung und Verteilung erfolgt weitgehend über private Energieunternehmen. Hierzulande hält der Staat zwar hohe Anteile an seinen Energieversorgern wie etwa Verbund oder OMV, das ist aber nicht in allen EU-Ländern der Fall. Und auch bei der Finanzierung wird es kniffelig. Für Oberhofer ist denkbar, dass die EU-Kommission Rahmenverträge mit Preisvorgaben schließt, die auch für die Energieunternehmen gelten sollen.