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Geopolitik schlägt Wirtschaftsbeziehungen

Wirtschaft

In Deutschland sorgen zwei Firmenübernahmen aus China für Aufregung. Geopolitik dominiert die wirtschaftliche Debatte.


Nach dem Erkalten der deutsch-russischen (Handels-)Freundschaft werden nun wohl neue Wirtschaftsallianzen geschmiedet: nämlich jene zwischen Berlin und Peking. Gleich zwei große Übernahmedeals chinesischer Firmen sorgen in Deutschland derzeit für Aufregung. Am Mittwoch gab die Bundesregierung grünes Licht für die Übernahme von 24,9 Prozent am Hamburger Hafen durch den staatlichen chinesischen Frächter Cosco. Trotz Warnungen des des Verfassungsschutzes und des Wirtschaftsministeriums.

Und nun soll auch die Dortmunder Chipfabrik Elmos an Silex verkauft werden. Silex ist eine schwedische Chipfirma, die allerdings eine hundertprozentige Tochter des chinesischen Unternehmens Sai Microelectronics ist. Auch dieser Deal ist heikel, geht es hier doch um die sensible Halbleiterproduktion.

Denn eigentlich wollte die EU nach den coronabedingten Unterbrechungen der Lieferketten und dem Energiepreisschock im Zuge des Ukraine-Kriegs wirtschaftlich unabhängiger und damit resilienter werden. Im Fall der zwei genannten Übernahmen erreiche man in Deutschland - immerhin die größte Volkswirtschaft Europas - aber das Gegenteil, meinen nun Kritiker.

Eigentlich wollte der Staatskonzern Cosco 35 Prozent am Hamburger Containerterminal Tollerort übernehmen. Die Bundesregierung stimmte aber nur einer Minderheitenübernahme von 24,9 Prozent zu und rechtfertigte die Teiluntersagung damit, dass der Deal eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen könnte.

Der EU-Rat hat 2018 eine eigene Verordnung für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen genehmigt. Die sogenannte FDI-Screening-Regulation richtet sich zwar an alle Drittstaaten, de facto ist damit aber China gemeint. 2019 wurde diese mit der Novelle des Paragrafen 25a des Außenwirtschaftsgesetzes auch in Österreich umgesetzt.

Geheimdienste reden mit

Demnach muss in Österreich, aber auch in Deutschland, das Wirtschaftsministerium Übernahmen aus Drittstaaten im Bereich der kritischen Infrastruktur ab 25 Prozent prüfen und genehmigen. In besonders heiklen Bereichen wie etwa der Wasserversorgung gilt eine Zehn-Prozent-Hürde. "Neu sind diese Überprüfungen ja nicht. Neu ist allerdings, dass nun auch Geheim- und Nachrichtendienste bei diesen Übernahmen (in Deutschland, Anm.) mitreden", sagt Wifo-Ökonom Harald Oberhofer, Professor an der Wirtschaftsuniversität Wien. Er forscht im Bereich Außenhandel und Handelsbeziehungen.

"Die öffentliche Kritik in Deutschland zeigt, dass geopolitische Überlegungen jetzt viel wichtiger werden, auch in der Wirtschaftspolitik", meint Oberhofer. Das habe natürlich mit Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine zu tun und mit Chinas Position gegenüber Russland, aber auch Taiwan.

Was die geplanten Übernahmen betrifft, so meint er: "Ein Ausverkauf heikler Infrastruktur ist das noch nicht." Im Falle des Hamburger Hafens geht es um 24,9 Prozent eines Terminals zur Abwicklung von Frachtschiffen. Und auch der finanziell strauchelnde Dortmunder Chiphersteller wäre ohne die Finanzspritze von Silex mittelfristig wohl nicht mehr wettbewerbsfähig. Die relevante Frage sei, ob solche Übernahmen die eigene Unabhängigkeit und Sicherheit einschränken, oder nicht. Bei aller angebrachten Vorsicht plädiert Oberhofer dafür, nicht jeden wirtschaftlichen Austausch mit China gleich zu kappen.

Rein rechtlich müssen Investoren aus China gleich behandelt werden wie jene aus den USA etwa. Das setzte aber voraus, dass auch europäische Firmen am chinesischen Markt nicht diskriminiert würden, so Oberhofer. Das ist derzeit nicht der Fall. Firmenübernahmen chinesischer Betriebe durch ausländische Investoren in China sind nahezu unmöglich. Bei seiner bevorstehenden China-Reise wird Deutschlands Kanzler Olaf Scholz das wohl auch zum Thema machen.(del)