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Red Bulls Thailand-Connection

Von WZ-Korrespondent Felix Lill aus Tokio

Wirtschaft
Chalerm Yoovidhya, das Oberhaupt des Clans, und seine Gattin Daranee waren heuer in Österreich zu Besuch - wegen des Formel-1-Rennens im steirischen Spielberg.
© getty images / Bryn Lennon

Die Yoovidhyas, die Miteigentümer des Konzerns, sind umstritten. Sie stehen für ein korruptes politisches System.


Die alten Geschichten kochen jetzt wieder auf. Zum Beispiel, dass der als Hallodri verschriene Enkel einen Polizisten auf dem Gewissen habe, aber nie eine Strafe absitzen musste. Und dass sein Davonkommen natürlich mit seinem Nachnamen zusammenhänge: Wer Yoovidhya heißt, müsse eben nicht die volle Härte des Gesetzes spüren. Ein Yoovidhya befolge keine allzu müßigen Regeln, er stellt sie höchstens für andere auf. Wie auch dieser Tage in der Frage der Red-Bull-Chefnachfolge.

Seit dem Tod von Dietrich Mateschitz, der mit Red Bull einen global führenden Getränke- und Marketingkonzern schuf und bis zuletzt an der operativen Führungsspitze stand, ist in Thailand ein anderer Name in aller Munde: Yoovidhya. Diese Familie ist beim weltweit erfolgreichsten Energydrinkhersteller nämlich noch etwas einflussreicher als die Familie Mateschitz. Die Yoovidhyas halten 51 Prozent der Anteile und reden nun ein besonders gewichtiges Wort bei der Frage mit, wer bei Red Bull den Chefposten übernehmen wird.

Politisch gut vernetzt

Die Familie dürfte die zweitreichste in Thailand sein, gilt als politisch hervorragend vernetzt und dient Kritikern auch deshalb als eines der schillerndsten Sinnbilder eines korrupten politischen Systems. "Red-Bull-Erbe auch zehn Jahre später noch auf freiem Fuß", titelte im September etwa die "Bangkok Post" und fügte hinzu: "Ein verschrotteter Ferrari, ein toter Polizist und ein Multimilliarden-Dollar-Erbe auf der Flucht - ein Jahrzehnt später ist Thailand kein Stück weiter, einen der notorischsten Fluchtfälle zu lösen." Der im Text beschriebene Vorayuth Yoovidhya ist der Enkel des 2012 verstorbenen Chaleo Yoovidhya, der den Red-Bull-Vorläufer Krating Daeng erfunden hatte, 1984 mit Mateschitz Red Bull gründete und einst auch dem thailändischen Senat angehörte.

Chaleo Yoovidhyas auf den Spitznamen "Boss" getaufter Enkel ist einer der berüchtigtsten Promis Thailands, machte immer wieder mit seinem Jetset-Leben und Fotos von teuren Partys und Formel-1-Kursen Schlagzeilen. Als er 2012 eben in einen tödlichen Unfall verwickelt war, bei dem er seinen Sportwagen zu Schrott fuhr und ein Polizist starb, hätte er vermutlich ins Gefängnis gehen müssen. Jahrelang wich "Boss" aber Befragungen durch die Polizei aus. 2020 gaben die Behörden dann ihre Bemühungen auf und stellten die Untersuchungen ein - auch weil der Gesuchte längst geflohen war.

Im südostasiatischen Land, das seit Jahren immer wieder großen Straßenprotesten ausgesetzt ist, bei denen mehr Demokratie und Gerechtigkeit gefordert werden, sorgte der Fall für große Aufregung. In sozialen Medien verbreitete sich der Hashtag "#BoycottRedBull." Die Wirtschaftszeitung "Nikkei Asia" bezeichnete Red Bulls Entwicklung als "Vom thailändischen Stolz zum Symbol für Ungleichheit." Eine Umfrage der Firma "Super Poll" ergab vor zwei Jahren, dass 91 Prozent der Thais der heimischen Justiz nicht mehr trauen, 82 Prozent den Fall um "Boss" als internationale Blamage sehen.

In "Panama Papers" erwähnt

Zwar wurden die Ermittlungen gegen den jungen Yoovidyha nach großem Aufschrei wieder aufgenommen, scheinen aber kaum voranzugehen. Und es ist längst nicht dieser eine Extremfall, der den Menschen sauer aufstößt. Als 2016 die "Panama Papers" enthüllten, wie Superreiche aus aller Welt Schlupflöcher zur Steuervermeidung nutzen, fand sich auch der Name Yoovidhya in den Dokumenten. Der Clan nutzt demnach seit Jahrzehnten Offshore-Firmen, um Steuern zu sparen und dann Privatjets und Luxusimmobilien zu kaufen, mehrere davon in London.

"Die Familie ist nicht nur in Thailand sehr mächtig, sondern auch weltweit", kommentierte Pavin Chachavalpongpun, ein Politikprofessor der Universität Kyoto, zuletzt gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Chachavalpongpun weiß, wovon er spricht: Seit Jahren gehört er zu den profiliertesten Kritikern des thailändischen Establishments rund um den König. Nachdem er diesen kritisiert hatte, musste er das Land verlassen, woraufhin er in Japan landete.

Die Yoovidhya-Sippe hat zwar nicht annähernd den Status des Königshauses, verfügt aber über viel Einfluss. Mit Geld, so heißt es, lassen sich nicht nur Waren kaufen, sondern auch Narrenfreiheit. Das US-Wirtschaftsmagazin Forbes schätzt das Vermögen der Yoovidhyas auf 27 Milliarden US-Dollar, umgerechnet 27,2 Milliarden Euro. Laut einer Studie der Schweizer Großbank Credit Suisse besitzt das reichste ein Prozent der Menschen in Thailand 50 Prozent des Vermögens im Land. Thailand ist auch deshalb sozial so ungleich, weil sich immer wieder das mit dem König und der Oberschicht verbandelte Militär an die Macht geputscht hat.

Davon profitieren auch die Yoovidhyas, deren Familienmitglieder nicht nur in Thailand, sondern auch in London viel Zeit verbringen. Von dort ist es nicht mehr weit nach Fuschl am See (Salzburg), wo die Red Bull GmbH ihren Firmensitz hat. Und dort dürften dieser Tage heiße Diskussionen über die Chefnachfolge von Dietrich Mateschitz geführt werden.

Dessen 30-jähriger Sohn Mark, der die Red-Bull-Stiftung "Wings for Life" für die Heilung von Querschnittslähmung mitleitet, gilt zwar als Kandidat. Aber die thailändische Seite soll ihn wegen mangelnder Managementerfahrung ablehnen.

Lizenz für Ferrari-Importe

Aus Thailand führt seit Jahren der 72-jährige Chalerm Yoovidhya die Geschäfte von Red Bull. Der Gründersohn, ebenso wie sein langjähriger Partner Mateschitz Medien gegenüber scheu, ist seit den "Panama Papers" nicht nur als internationaler Geldverschieber verschrien. Bekannt ist er außerdem für seine Weinproduktion mit Siam Winery sowie als Importeur von Ferraris. Was Letzteres betrifft, unken wiederum die überwiegend jungen Demokratieaktivisten in Thailand, dass Chalerm Yoovidhya mit dem Luxus-Importgeschäft vor allem seinem Sohn keinen Gefallen getan hat.

Als Vorayuth "Boss" Yoovidhya vor zehn Jahren mit dem Polizisten zusammenkrachte, hatte sein Ferrari angeblich eine Geschwindigkeit von 170 km/h. Der noch immer ungeklärte Unfall dürfte allerdings eine Sache klargestellt haben: Sollte der dem Vernehmen nach wesentlich vorsichtigere Chalerm Yoovidhya eines Tages seinen Platz im Red-Bull-Vorstand räumen, wird Vorayuth aus seinem Spitznamen kaum eine Jobbeschreibung machen können. Nach dessen Unfall distanzierte sich das Unternehmen vom ihm. Alles andere würde in Thailand nur zu weiteren Protesten führen.