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Russland will Öl-Sanktionen bekämpfen

Von Karl Leban

Wirtschaft

"Wir werden keine Obergrenzen akzeptieren", heißt es aus dem Kreml. Moskau droht Europa mit einem Exportstopp.


Russland sieht sich wegen seines Angriffskrieges gegen die Ukraine mit neuen Strafmaßnahmen des Westens konfrontiert - diesmal bei seinem wichtigsten Exportgut, Öl. Seit Montag gilt hier neben einem Preisdeckel von 60 US-Dollar (56,77 Euro) pro Barrel (159 Liter) auch ein von der Europäischen Union bereits im Juni beschlossenes weitgehendes Embargo auf Lieferungen per Schiff. Russisches Öl darf somit nur noch in Ausnahmefällen in die EU importiert werden. Beide Sanktionen sollen Russland finanziell schwächen und so seine Fähigkeit zur weiteren Kriegsführung einschränken.

Aus Brüssel ist zu hören, dass pro Tag circa drei Millionen Barrel Rohöl von dem Importstopp betroffen sind. Langfristig gesehen würden Russland damit beispielsweise bei einem durchschnittlichen Preis von 70 Dollar pro Fass täglich Einnahmen von ungefähr 210 Millionen Dollar entgehen. Dass jene Ölmenge, auf der Russland nun sitzen bleibt, alternativ zur Gänze anderen Abnehmern verkauft werden kann, gilt in der EU im Übrigen als ausgeschlossen.

Dem Vernehmen nach liegt der Anteil von Öl an den gesamten Exporterlösen, die in Russlands Staatskassen fließen, bei etwa 37 Prozent - ein relativ hoher Wert. Geht es nach der EU, soll das Embargo in Kombination mit der Preisobergrenze mithin ein großes Loch in den Staatshaushalt reißen.

Russland kauft alte Tanker

Mit Blick auf den Preisdeckel, den die sieben führenden westlichen Industrieländer (G7), die EU sowie Australien verfügt haben, hat Russland unterdessen angedroht, dass es kein Öl an jene Staaten liefern werde, die diese Preislimitierung akzeptieren. "Wir werden keine Obergrenzen anerkennen", betonte Kremlsprecher Dmitri Peskow laut der russischen Nachrichtenagentur Interfax. Moskau bereite Gegenmaßnahmen vor.

Peskow bezeichnete die Sanktion als einen "Schritt in Richtung Destabilisierung der internationalen Energiemärkte". Zudem erklärte er, dass Russland seinen Krieg trotzdem weiter finanzieren könne.

Bereits am Wochenende hatte Vizeregierungschef Alexander Nowak im Moskauer Staatsfernsehen angekündigt, dass das Land einen Mechanismus entwickeln werde, um die Anwendung der Obergrenze zu verbieten. Unabhängig davon soll Russland einem Bericht der "Financial Times" zufolge mehr als 100 gebrauchte Tanker erworben haben, um sanktioniertes Öl offenbar in andere Weltregionen - möglicherweise nach China und Indien - zu bringen. Wie das britische Blatt schreibt, könnte diese "Schattenflotte" eine Schlüsselrolle für Russland spielen, um den Strafmaßnahmen auszuweichen. Ein Teil der Tanker soll aus nahestehenden Ländern wie dem Iran oder Venezuela stammen, die ebenfalls westlichen Sanktionen unterliegen. Sie sollen 12 bis 15 Jahre alt sein und wären in den kommenden Jahren verschrottet worden.

Kaum Folgen für Österreich

Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, meinte am Montag zur Preisdeckelung russischen Öls, dies sei "ein Experiment mit guten Chancen auf Erfolg". Der Ölpreis sei in den vergangenen Monaten gesunken und auch trotz der Androhung, dass Russland die Preisobergrenze keinesfalls akzeptieren werde, nicht merklich gestiegen. "Somit dürfte sich der Preisdeckel für russisches Öl als erfolgreiches Instrument erweisen, globale Preise zu stabilisieren", so Fratzschers Fazit.

Mit Bezug auf Österreich rechnet Energie-Experte Walter Boltz mit nur geringen Auswirkungen durch das EU-Ölembargo und den Preisdeckel. Österreich importiere schon länger kaum mehr russisches Öl, sagte der frühere Chef der E-Control im ORF-Radio. So kommt das mit Abstand meiste Rohöl aus Kasachstan, gefolgt vom Irak. Allerdings geht Boltz von leichten Preisaufschlägen aus. Bei Diesel, Benzin und Heizöl könnten die Preise für einige Wochen auch stärker steigen, hier sprach Boltz von fünf bis zehn Prozent.

Von der Wirksamkeit der Preisdeckelung bei 60 Dollar pro Barrel ist der Experte nicht gerade überzeugt. Kommerziell werde diese Obergrenze Russland kaum treffen, meinte Boltz unter Hinweis auf den aktuellen Preis von knapp 64 Dollar für die russische Ölsorte Urals.

Opec+ bleibt bei Förderkürzung

Bei dem Treffen der Öl-Allianz Opec+ am Sonntag war der Preisdeckel für russisches Öl nach Informationen der britisch-amerikanischen Nachrichtenagentur Reuters kein Thema. Wie aber weiter bekannt wurde, hält die aus 23 Staaten (inklusive Russland) bestehende Allianz an ihrer bisherigen Förderstrategie fest. Ihr Beschluss vom Oktober, bis Ende 2023 täglich zwei Millionen Barrel weniger zu fördern, ist demnach weiter gültig. Die Unsicherheiten auf dem Markt seien aktuell erheblich, hieß es zur Begründung aus Kreisen der Opec+.

Beim Ölembargo der Europäischen Union nehmen einige ihrer Mitgliedstaaten vorerst beziehungsweise bis auf Weiteres noch Ausnahmeregelungen in Anspruch. Diese gelten dann, wenn noch eine besonders starke Abhängigkeit von russischem Öl besteht und Importe nicht so schnell ersetzt werden können. Zum Kreis dieser EU-Staaten zählen neben Europas größter Volkswirtschaft Deutschland auch Ungarn, Tschechien, die Slowakei, Bulgarien und Kroatien.