Von "positiven Überraschungen" und "unerwartet hoher Widerstandsfähigkeit" in vielen Volkswirtschaften spricht der Chefökonom des Internationalen Währungsfonds (IWF), Pierre-Olivier Gourinchas, bei der Präsentation der Weltkonjunkturprognose für 2023 in Singapur. Die Weltwirtschaft soll heuer um 2,9 Prozent wachsen, also um 0,2 Prozentpunkte mehr als noch im Oktober angenommen. Und auch die Inflation soll wieder deutlich sinken.
Viele Länder trotzten überraschend erfolgreich den Verwerfungen am Energiemarkt, den weiterhin unterbrochenen Lieferketten und der Teuerung. "Das sind gute Nachrichten, aber noch nicht genug", so Gourinchas. Ein unkalkulierbares Risiko bleibt der Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine. Und auch am Energiemarkt ist die Lage noch fragil.
Auch in der Eurozone wuchs die Wirtschaft im vierten Quartal 2022 um 0,1 Prozent des BIP. Im Gesamtjahr 2022 ergab sich ein Plus beim BIP von 3,5 Prozent. Wobei hier Deutschland und auch Österreich deutlich unter dem Durchschnitt lagen. Für Österreich errechnete das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) ein Minus von 0,7 Prozent. "Die hohen Verbraucherpreise belasteten hier die Entwicklung deutlich", so das Wifo in einer Aussendung.
Gründe für Erholung
Klaus Weyerstrass, Ökonom am Institut für Höhere Studien (IHS), sieht vier Gründe dafür, warum es, wirtschaftlich betrachtet, doch nicht ganz so schlimmen kommen soll, wie noch Ende des Vorjahres befürchtet. "Ersten ist es gelungen, die russischen Gaslieferungen besser und schneller zu ersetzen als ursprünglich angenommen", sagt er im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Das und ein ungewöhnlich milder Winter hätten die Energiepreise wieder sinken lassen und damit auch die Inflation etwas eingedämmt.
Zweitens hat das Ende der Null-Covid-Strategie Chinas zu einer deutlichen Entspannung der Lieferketten beigetragen und das Wirtschaftswachstum im Land befeuert. Zudem zeigt die Geldpolitik der großen Notenbanken Wirkung. Sowohl die US-Federal Reserve, als auch die Europäische Zentralbank haben den Leitzins auf 4,5 Prozent (USA) beziehungsweise auf 2,5 Prozent (Euro-Raum) erhöht.
Und, viertens, entwickelten sich die Arbeitsmärkte - sowohl in den Industrieländern als auch in der Schwellenländern - besonders gut. Trotz Krise und Inflation ist die Arbeitslosigkeit kaum gestiegen. "Ganz im Gegenteil, wir sehen in Österreich zum Beispiel einen Arbeitskräftemangel, der das Wachstum sogar bremst", meint Weyerstrass.
Entwarnung sieht aber auch er noch nicht: "Wir wissen noch nicht, ob und wie wir die Gasspeicher im Herbst wieder vollbekommen. Derzeit ist noch viel russisches Gas drin." Deshalb bleibe das Gebot der Stunde das Energiesparen.
Besonders gut sehen die Konjunkturaussichten des IWF für Indien aus. Das Land profitiert wirtschaftlich von den G7- und EU-Sanktionen auf russisches Erdöl und kauft dieses gerade mit massiven Preisabschlägen von bis zu 50 Prozent. (del)