Aufgrund des massiven Preisanstiegs für Energie seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine sind einer im Fachjournal "Nature Energy" veröffentlichten Studie zufolge die Haushaltsausgaben für Energie weltweit zwischen 63 und 113 Prozent gestiegen. Das könnte weltweit zusätzlich 78 bis 141 Millionen Menschen in die extreme Armut treiben, schreiben die Wissenschafter um den aus Österreich stammenden Ökonomen Klaus Hubacek von der Universität Groningen (Niederlande).

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine hat im Vorjahr weltweit zu einem drastischen Anstieg der Energiepreise geführt. Das hat den Haushalten erhebliche direkte Mehrkosten, etwa für Heizung, Kühlung und Mobilität beschert, aber auch - aufgrund der Abhängigkeit der globalen Lieferketten von fossilen Brennstoffen - indirekt deren Ausgaben gesteigert, etwa durch höhere Preise für andere Waren und Dienstleistungen. Haushalte waren dabei auf unterschiedliche Weise betroffen - und zwar abhängig davon, wie hoch das Einkommen ist, wie das Geld ausgegeben wird und wie und wo gekaufte Produkte hergestellt wurden.


Links

https://doi.org/10.1038/s41560-023-01209-8

wienerzeitung.at ist nicht verantwortlich für die Inhalte externer Internetseiten.

Modell bildet rund 87 Prozent der Weltbevölkerung ab

Daher hat das Forscherteam um Hubacek die direkten und indirekten Auswirkungen der gestiegenen Energiepreise auf mehr als 200 Gruppen mit unterschiedlichen Verbrauchsniveaus modelliert. Die Daten repräsentieren dabei die Bevölkerung aus 116 Ländern und decken rund 87 Prozent der Weltbevölkerung ab.

Im Szenario, bei dem eine Verdoppelung des Preises für Kohle sowie Preisanstiege für Öl von 51 Prozent und Gas von 94 Prozent angenommen wurden, gehen die Autoren davon aus, dass die Gesamtenergiekosten der Haushalte um 62,6 bis 112,9 Prozent gestiegen sind. Das führte zu einer Erhöhung der gesamten Haushaltsausgaben um 2,7 bis 4,8 Prozent. Die Belastung variiert dabei aufgrund von Unterschieden in der Struktur der Versorgungskette, den Verbrauchsmustern und dem Energiebedarf.

Infolge dieser massiven Kostensteigerungen könnten weltweit zusätzlich 78 bis 141 Millionen Menschen in die extreme Armut getrieben werden, warnen die Forscher. So würden in armen Ländern, etwa die afrikanischen Staaten südlich der Sahara, die gestiegenen Lebenshaltungskosten "die hart erkämpften Erfolge beim Zugang zu Energie und bei der Armutsbekämpfung untergraben", schreiben die Wissenschafter in der Arbeit.

Unterstützungspakete unzureichend

"Unsere Forschung unterstreicht die Notwendigkeit, die durch den Anstieg der Energiepreise verursachten höheren Kosten für lebensnotwendige Güter abzufedern, insbesondere für Lebensmittel und vor allem für Haushalte mit niedrigem Einkommen", schreiben die Wissenschafter in ihrer Arbeit. Weil verschiedene Arten von Haushalten auf unterschiedliche Weise unter den hohen Preisen leiden, würden sie aber auch verschiedene Arten von Unterstützung benötigen. Doch die von vielen Regierungen eingeführten Unterstützungspakete zur Abfederung der Energiekosten würden nicht genügend Details berücksichtigen.

"Jede politische Maßnahme, die Einheitslösungen verfolgt und nicht nach Betroffenheit differenziert, verschwendet Steuergelder und hilft nicht denen, die es am meisten brauchen", erklärte Hubacek gegenüber der APA. Pendlerpauschalen, Preisdeckel oder Rückvergütungen ohne Differenzierung nach Einkommen und Betroffenheit seien ineffizient.

Weiters betonen die Forscher, dass Maßnahmen zur Bewältigung der hohen Lebenshaltungskosten im Einklang mit den Klimaschutzzielen stehen sollten. Doch die hohen Energiepreise würden die globalen Energiemärkte verändern und hätten einige europäische Länder dazu veranlasst, den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen zu verzögern, nach alternativen Quellen wie Flüssigerdgas (LNG) im Ausland zu suchen und verstärkt in kohlenstoffintensive Infrastrukturen zu investieren.

Geld für Effizienz und Energiesparen

Insgesamt könnten "Notmaßnahmen die Energiewende verlangsamen und die ohnehin schon rückläufigen Bemühungen um den Klimaschutz weltweit weiter verzögern", warnen die Forscher. Statt in fossile Infrastruktur zu investieren, sollte Geld für Effizienz und Energiesparen zur Verfügung gestellt werden, betonte Hubacek. "Durch Investitionen in Energieeffizienz ließe sich das Ziel 'Mobilität und warme Häuser für alle' mit geringen Kosten und CO2-Emissionen erreichen", sagte der Wissenschafter. (apa)