Der Preis für Emissionszertifikate auf dem EU-Markt hat am Dienstag zum ersten Mal die 100-Euro-Marke (106,57 Dollar) geknackt. Dieser Preis gibt an, wie viel Geld Unternehmen für eine ausgestoßene Tonne Kohlendioxid (CO2) bezahlen müssen. So teuer war ein Zertifikat für eine Tonne CO2-Äquivalent noch nie. Der bisher letzte ähnlich hohe Preisanstieg ereignete sich am 19. August des Vorjahres, als für eine Tonne 98 Euro fällig wurde.

Händler führten die gestiegenen Kosten auf das erwartete kühlere Wetter und abnehmenden Wind in den kommenden Tagen zurück. Da damit die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien abnimmt, gleichzeitig aber der Energiebedarf steigt, werde auf eine anziehende Nachfrage nach fossilen Brennstoffen spekuliert. Die Entwicklung könnte den Streit in der EU über den Handel mit Zertifikaten neu anfachen.

Polen, das einen großen Anteil seines Stroms aus Kohle erzeugt, hat bereits von der EU gefordert, Preisspitzen zu kappen. Auch Spanien hatte eine Preis-Obergrenze für CO2-Emissionen verlangt, um damit die Inflation zu bekämpfen.

Unabhängig von dieser Entwicklung einigte sich die EU-Mitgliedsstaaten am Dienstag darauf, Pläne zur Versteigerung von Emissionsrechten vorzuziehen. Damit sollen 20 Milliarden Euro zur Bekämpfung der Folgen des Verzichts auf Gas aus Russland eingenommen werden. Geplant sind Zuschüsse für den Ausbau erneuerbarer Energien und zu energiesparende Renovierungen. Im Dezember hatten sich die EU-Institutionen auf eine Verschärfung der Regeln für den Emissionshandel zur Bekämpfung der Erderwärmung verständigt. Danach soll der Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 um 62 Prozent gemessen am Stand des Jahres 2005 reduziert werden.

Emissionshandel als Lenkungsinstrument

Rund 13.000 Firmen, von der Industrie über die Energieversorger bis hin zu Fluggesellschaften nehmen am verpflichtenden Emissionshandel (EU ETS) teil. Das Emissionshandelssystem (ETS) besteht seit 2005 und gilt als zentrales Instrument der Europäischen Union (EU) zur kosteneffizienten Verminderung der Treibhausgasemissionen.

Die ursprüngliche Idee besteht darin, dass eine Obergrenze für den Ausstoß an klimaschädlichen Treibhausgasen eingezogen wird, und innerhalb dieser CO2-Zertifikate ausgegeben werden, die die Unternehmen berechtigen, Kohlendioxid auszustoßen. Durch diesen Preis auf CO2 sollen Investitionsanreize für klimafreundliche Technologien und Verfahren geschaffen werden.

Während der Preis für Emissionszertifikate 2007 bei circa 70 Cent pro Tonne lag, stieg er bis 2022 auf durchschnittlich 81 Euro an. Um Unternehmen tatsächlich Richtung Erfüllung der Klimaziele zu bewegen, bräuchte es laut Forschern der Uni Stuttgart weitere Preissprünge. Sie haben im Vorjahr ermittelt, dass solche Zertifikate zwischen 130 und 210 Euro pro Tonne Kohlendioxid und zwischen 175 und 350 Euro pro Tonne für die energiebezogenen ESR-Emissionen liegen müssten. (apa/Reuters)