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Saubere Industrie made in Europe

Von Julian Kern

Wirtschaft
Bis 2050 soll die EU klimaneutral werden. Eckpfeiler für besseren Klimaschutz in der Industrie hat die EU-Kommission am Donnerstag eingeschlagen.
© Wolfgang Simlinger

Mit dem "Net Zero Industry Act" und dem "Critical Raw Materials Act" will die EU das 370 Milliarden Dollar schwere Subventionspaket der USA kontern. Die Industrie soll klimafreundlicher werden, die Produktion knapper Güter zunehmen.


Mehr Windräder, Wärmepumpen und Batterien. Die europäische Antwort auf das hunderte Milliarden Dollar schwere US-Subventionspaket "Inflation Reduction Act" sieht vor allem ehrgeizige Ausbauziele der erneuerbaren Energien vor. Mithilfe des Netto-Null-Industrie-Gesetzes ("Net Zero Industry Act") und des "Critical Raw Material Act" soll auf europäischer Ebene sichergestellt werden, dass die EU nicht nur bei der Senkung der CO2-Emissionen führend ist, sondern auch bei der dafür erforderlichen Technologie.

Mit diesen beiden geplanten Vorhaben konkretisiert die EU, wie das Überziel Klimaneutralität im Jahr 2050 erreicht werden soll. Zehn Prozent der für die Energiewende zentralen Rohstoffe wie Lithium, Kobalt und andere seltene Erden sollen demnach künftig in Europa abgebaut werden. Weiters möchte man das Recycling forcieren, um bis 2030 zumindest 40 Prozent des Bedarfs selbst decken zu können. Zudem soll die EU von keinem Drittland zu mehr als 65 Prozent abhängig sein.

Abhängigkeiten reduzieren

Wie abhängig die EU in gewissen Bereichen ist, wurde den Europäern vor allem durch den Krieg in der Ukraine und die Corona-Pandemie schmerzlich vor Augen geführt: Mehr als 90 Prozent der seltenen Erden und des Magnesiums bezieht die EU aus China, Lithium kommt zum größten Teil aus China oder Chile. Kommissionschefin Ursula von der Leyen betonte in Brüssel, dass man künftige die Zusammenarbeit mit zuverlässigen Handelspartnern auf der ganzen Welt stärken möchte, um nicht nur von einem oder wenigen Ländern abhängig zu sein.

Der zweite Gesetzesvorschlag, der "Net Zero Industry Act", sieht unter anderem beschleunigte Genehmigungsverfahren für strategisch wichtige Wertschöpfungsketten vor. Auch ist geplant, Beihilferegeln zu vereinfachen und die Verwendung von EU-Mitteln zu flexibilisieren: "Kurz gesagt, das Netto-Null-Industrie-Gesetz sorgt für Tempo, Vereinfachung und es stellt Fördergelder bereit", so von der Leyen. Welche Industrien genau von Sonderregeln profitieren sollen, wurde bis zuletzt diskutiert. Konkret dürfte es sich allerdings um Unternehmen handeln, die Solarpanels, Wärmepumpen, grünen Wasserstoff, Windkraftanlagen oder Energiespeicher herstellen.

"Kein Subventionswettstreit"

Gesetzesvorschläge, die auch der Chef des Österreichischen Wirtschaftsforschungsinstitutes (Wifo) Gabriel Felbermayr begrüßt, wenngleich dieser sich ein anderes Tempo gewünscht hätte: "Obwohl ein gemeinsamer europäischer Ansatz zu einer transformativen Industriepolitik höchst willkommen ist, kommt die Kommission mit ihren Vorschlägen reichlich spät. Deutschland geht mit Klimaschutzverträgen für die Grundstoffindustrie bereits voran und setzt damit andere Länder unter Zugzwang, obwohl alles andere als klar ist, ob dieses Instrument wirklich zu Ende gedacht ist."

Der Chef-Ökonom des Wifo betont zudem, dass es "ganz zentral sein wird, keinen Subventionswettlauf innerhalb Europas oder zwischen der EU und den USA anzufangen." Diese haben im August des Vorjahres im Rahmen des sogenannten Inflationsreduzierungsgesetzes ("Inflation Reduction Act") ein 370 Milliarden Dollar schweres Subventionspaket verabschiedet. Dieses Gesetz senkt Steuern für Unternehmen, die in saubere Energie investieren und dafür Produkte "Made in USA" nutzen.

Die Vereinigten Staaten wollen damit grüne Technologien fördern und so ihre Aktivitäten beim Klimaschutz vorantreiben. In der EU hat das Gesetz jedoch Sorgen bezüglich des Investitionsstandorts Europa ausgelöst. Dieser Konflikt scheint aber zumindest teilweise ausgeräumt: Europäische Hersteller sollen - so wie ihre US-Konkurrenz in Europa - freien Zugang zu den Subventionen erhalten. Mithilfe eines bilateralen Handelsabkommens, das die EU und die USA für kritische Rohstoffe abschließen wollen, soll es gelingen, die EU von den von den Europäern kritisierten Vorgaben des "Inflation Reduction Act" für Elektroautos auszunehmen.

Atomkraft als Dorn im Auge

Kritik an den Vorhaben kam von Global 2000. Die Umweltschutzorganisation bemängelt, dass alleine die Sicherung der Versorgung des europäischen Überkonsums im Fokus stehe und nicht die Senkung der Rohstoffnachfrage und der Förderung der Ressourcengerechtigkeit. Die Grünen und der WWF kritisierten indes die Einbeziehung der Atomkraft in die Pläne für eine nachhaltige Industrie.

Damit die Vorhaben Gesetze werden können, sind nun Mitgliedstaaten und EU-Parlament am Zug. Wie auch immer die finale Ausgestaltung aussehe, wichtig sei, dass Klimapolitik ein wirtschaftlicher Erfolg werde, so Felbermayr, "sonst wird es keine Nachahmer geben". Um weltweit die CO2-Emissionen zu senken, sei es außerdem wichtig, in den USA oder in Europa entwickelte Technologien umgehend den Ländern des globalen Südens zur Verfügung zu stellen.