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Schweizer Bankenfusion scheidet die Geister

Von Karl Leban

Wirtschaft

Dass mit dem Zusammenschluss von Credit Suisse und UBS ein neuer Koloss entsteht, ruft Kritiker auf den Plan.


Die Probleme der Credit Suisse schienen doch größer zu sein als befürchtet. Eine Übernahme durch den Schweizer Finanzriesen UBS soll das eidgenössische Geldinstitut nun retten. Beide Bankhäuser zu dem Schritt gedrängt haben die Politik und die Aufsichtsbehörde des kleinen Alpenstaates. Voraussetzung für den Zusammenschluss, über den das ganze Wochenende in Marathonsitzungen verhandelt wurde, waren umfangreiche staatliche Sicherheiten. Mit der Fusion hofft die Schweiz, eine von der kriselnden Credit Suisse ausgehende Ansteckung des globalen Finanzsystems zu verhindern.

An dem Deal scheiden sich jedoch die Geister. "Eine Mega-Bank entsteht, die eine noch größere Bedrohung für das Finanzsystem darstellt", kritisiert Mario Taschwer von der Nichtregierungsorganisation (NGO) Attac. Damit werde das Problem nicht gelöst, sondern nur verlagert. Sollte die neue Mega-Bank in Schieflage geraten, "übernimmt die öffentliche Hand alle Risiken", gibt Taschwer zu bedenken und betont: "Keine Bank darf so groß sein, dass sie im Notfall von der Allgemeinheit gerettet werden muss."

In die gleiche Kerbe schlägt auch Gerhard Schick von der NGO Finanzwende: "Diese Rettung schafft neue Probleme." Zu große Banken sollte es eigentlich nicht geben. "Mit dieser Fusion zweier Finanzinstitute, die bereits zuvor systemrelevant waren, erhalten wir einen noch größeren Akteur, der erst recht nicht pleite gehen darf." Und das, so Schick, sei nicht nachhaltig.

Bei der jetzigen Rettungsaktion für das zweitgrößte Schweizer Bankhaus Credit Suisse sind jedenfalls zig Milliarden im Spiel. Um Risiken für die UBS rund um die Fusion zu reduzieren, hat die Regierung in Bern dem eidgenössischen Branchenprimus eine Garantie im Umfang von 9 Milliarden Franken (9,07 Milliarden Euro) zur Abdeckung potenzieller Verluste zugesagt. Außerdem unterstützt die Schweizerische Nationalbank die Bankenfusion, die größte in Europa seit der Weltfinanzkrise 2008, mit einer Liquiditätshilfe, über die bei Bedarf bis zu 100 Milliarden Franken bereitgestellt werden sollen. Geplant ist, dass die UBS selbst insgesamt drei Milliarden Franken für die Übernahme der Credit Suisse flüssigmacht.

"Too big to fail" wieder da

Die Bilanzsumme der neuen UBS wird mit knapp 1,58 Billionen Euro mehr als doppelt so groß sein wie die Wirtschaftsleistung der Schweiz. Die fusionierte Bank "ist somit erst recht zu groß, um sie untergehen zu lassen", kommentiert die "Neue Zürcher Zeitung". Ihr Fazit: "‚Too big to fail‘ ist mit voller Wucht zurück."

"Die Wochenend-Not-Fusion zeigt, wie instabil die Finanzmärkte sind", sagt NGO-Mann Schick. "Der Druck der Märkte war so groß, dass man sich zu diesem Schritt genötigt sah." Geht es nach Schick, seien jetzt viel höhere Kapitalpuffer bei Banken, eine europäische Abwicklungs- und Einlagensicherungsbehörde mit deutlich mehr Befugnissen sowie eine Trennung von Geschäftsbanken und Investmentbanking notwendig.

Ähnliche Forderungen hat Attac-Finanzexperte Taschwer. Speziell bei systemrelevanten Banken seien die Eigenkapitalanforderungen "nach wie vor viel zu niedrig", hält er in einer Presseaussendung fest. Darüber hinaus spricht sich Taschwer für ein "Verbot riskanter Finanzprodukte und Geschäftspraktiken" aus. Was er an dem nach der Weltfinanzkrise überarbeiteten Regelwerk für Geldhäuser ebenfalls bemängelt: "Schattenbanken (Finanzakteure wie etwa Hedgefonds, die bankähnliche Funktionen wahrnehmen, Anm.) sind kaum reguliert."

Probleme noch nicht vorbei

Anders als die beiden NGOs Finanzwende und Attac sieht der Bankenexperte des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo, Thomas Url, keine großen Lücken in der Bankenregulierung. "Worunter die Credit Suisse im Augenblick gelitten hat, worunter auch die Silicon Valley Bank leidet, das ist eine Grundeigenschaft des Bankgeschäfts", zitiert ihn die Austria Presse Agentur. Kurzfristig abziehbaren Einlagen stünden längerfristige Investments und Kredite gegenüber, was im Fall eines Bank Run zu Liquiditätsproblemen führe. Deshalb hielte Url vor diesem Hintergrund eine Maßnahme für sinnvoll, die bereits im Zuge des Regulierungspakets Basel III diskutiert, aber nicht realisiert worden sei: Damit im Fall von Panik ein Teil der Einlagen nicht sofort abgezogen werden kann, sollten die Bankinstitute bei längerfristig gebundenen Einlagen zu Quoten verpflichtet werden.

Auch wenn die "Schweizer Angelegenheit" wohl erledigt sei - ein Ende der aktuellen Probleme sieht der Wifo-Ökonom noch nicht. Er rechnet vor allem damit, dass in den USA nach der Silicon Valley Bank auch noch einige andere Institute durch abfließende Einlagen in eine Liquiditätskrise abrutschen.

EU-Aufseher begrüßen Deal

Die Bankenaufseher der EU waren am Montag weiterhin um Beruhigung bemüht. "Der europäische Bankensektor ist widerstandsfähig und verfügt über ein solides Kapital- und Liquiditätsniveau", bekräftigten die Bankenaufsicht der Europäischen Zentralbank (EZB), der europäische Bankenabwicklungsfonds SRB und die europäische Bankenaufsichtsbehörde EBA. Die "umfassenden Maßnahmen" der Schweizer Behörden "zur Gewährleistung der Finanzstabilität" seien zu begrüßen.

Robert Holzmann, Chef der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), hat sich bereits am Wochenende zu Wort gemeldet. Er sehe keine Gefahr für eine Bankenkrise wie 2008, sagte das EZB-Ratsmitglied im ORF-Radio. Niemand bei einer österreichischen oder europäischen Bank müsse sich Sorgen um sein Geld machen. "Das, was 2008 passiert ist, wird jetzt nicht mehr stattfinden können", so Holzmann. Sowohl die Silicon Valley Bank (SVB) als auch die Credit Suisse seien "Spezialprobleme", die man nicht verallgemeinern könne. So hätte das Geschäftsmodell der SVB keiner Risikoprüfung europäischer Natur standgehalten, während die Credit Suisse ein bereits länger anhaltendes Umstrukturierungsproblem habe.

Zudem gelten die systemischen Risiken im Finanzsystem heute als deutlich geringer als nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers im Herbst 2008. Banken müssen wesentlich mehr Eigenkapital vorhalten - das soll ihnen in Krisen helfen, Verluste abzufedern. Und sie unterliegen auch einer besseren Aufsicht, die EZB überwacht die großen Institute im Euroraum zentral. Ferner gibt es für den Fall einer Schieflage ein streng reglementiertes Abwicklungsprozedere, mit dem verhindert werden soll, dass die Steuerzahler zum Handkuss kommen. Derzeit besteht die größte Sorge freilich darin, dass es zu einer breitflächigen Panik an den Kapitalmärkten sowie bei Anlegern und Sparern kommt. Zumal niemand weiß, welche Banken noch in die Bredouille geraten könnten.