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Dauerkrise bei der Deutschen Bahn

Wirtschaft

Hohe Verluste, verspätete oder ausgefallene Züge und jetzt auch noch ein massiver Streik.


Deutschland droht am Montag ein Verkehrs-Kollaps. Die Gewerkschaften Verdi und EVG haben zum bundesweiten Warnstreik aufgerufen, der nicht ohne Auswirkungen auf Österreich bleiben wird. Die Deutsche Bahn warnte im Vorfeld von Störungen schon ab Sonntagabend. Der Streik kommt für das staatseigene Unternehmen zur Unzeit, steckt es doch seit Jahren in einer strukturellen Krise.

Verspätete oder ausgefallene Züge, nicht funktionierende Toiletten, defekte Aufzüge: Die Staatsbahn habe sich jahrelang kaputtgespart, wie der Vorsitzende der Lokführergewerkschaft GDL, Claus Weselsky, sagt. Besonders schlimm war es im Sommer 2022 - "der absolute Super-GAU", so der Gewerkschafter. Im Vorjahr ließ die Deutsche Bahn ihre Fahrgäste im Fernverkehr so oft warten wie seit mindestens zehn Jahren nicht mehr. Die Pünktlichkeitsquote lag bei 65,2 Prozent und damit um 10 Prozentpunkte unter dem Niveau von 2021.

Bundesrechnungshof mahnt Reformen ein

Die Deutsche Bahn stecke in einer Dauerkrise und sei ein Sanierungsfall, hieß es auch unlängst in einem Sonderbericht des Rechnungshofs an den Deutschen Bundestag. "Damit das System Eisenbahn seine verkehrs- und klimapolitische Rolle erfüllen kann, braucht es grundsätzliche Reformen - ohne entschiedenes Umsteuern endet das System Eisenbahn auf dem Abstellgleis", mahnte Bundesrechnungshof-Präsident Kay Scheller. Der integrierte Konzern habe sich nicht bewährt, so Scheller. Er plädiert dafür, die Infrastruktursparten aus dem Konzern zu lösen und die Transportgesellschaften - also Personen- und Güterverkehr - zu veräußern.

Ende des Monats präsentiert die Deutsche Bahn ihre Bilanz. Man wolle 2022 wieder schwarze Zahlen schreiben, hieß es bei der Vorlage der Bilanz für 2021. Bei einem Konzernumsatz von 47,3 Milliarden Euro (plus 18,4 Prozent) entstand im zweiten Corona-Jahr pandemiebedingt ein operativer Verlust in Höhe von 1,6 Milliarden Euro. Im Vergleich zum Jahr davor verringerte sich das Minus aber erheblich (2020: minus 2,9 Milliarden Euro). Das Jahresergebnis inklusive außerordentlicher Effekte, Zinsen und Steuern verbesserte sich um fast fünf Milliarden Euro auf minus 900 Millionen Euro. Die Verschuldung des Bahnkonzerns hat sich seit 2016 insgesamt um zehn Milliarden auf mehr als 30 Milliarden Euro erhöht.

Hintergrund der Streikankündigung sind die laufenden Lohnverhandlungen im Öffentlichen Dienst. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) lehnte das erste Angebot der Deutschen Bahn ab. Diese hatte unter anderem angeboten, die Löhne der rund 180.000 betroffenen Bahn-Beschäftigten in zwei Schritten um insgesamt 5 Prozent anzuheben. Darüber hinaus stellte der Konzern zwei steuerfreie Einmalzahlungen von 1.500 Euro im Mai und von 1.000 Euro im Jänner des kommenden Jahres in Aussicht. Die EVG lehnt Einmalzahlungen grundsätzlich ab. Sie fordert mindestens 650 Euro mehr Lohn und strukturelle Veränderungen in den Tarifverträgen.

Pendlerverkehr über das Deutsche Eck

Vom deutschen Verkehrsstreik am Montag sind alle Zugverbindungen über das Deutsche Eck betroffen. Ein Pendelverkehr im Zweistundentakt wird eingerichtet. Fahrten könnten bis zu drei Stunden länger dauern, warnte die ÖBB. Züge von und nach Deutschland werden kurzgeführt oder fallen aus. Alle RJ- und RJX-Verbindungen, die planmäßig über das Deutsche Eck fahren, enden und beginnen in Salzburg Hauptbahnhof beziehungsweise Kufstein. Den Pendelverkehr gibt es zwischen Wörgl und Salzburg. Die ÖBB empfehlen, Reisen von, nach und über Deutschland zu verschieben.

Tickets, die für eine Reise von/nach/über Deutschland während des Streiks gebucht wurden, können bei Nichtantritt der Reise kostenlos storniert und rückerstattet werden. Auch in der Luftfahrt wird es zu Ausfällen kommen. Am stärksten ist naturgemäß der mit Abstand größte Flughafen Wien-Schwechat betroffen. Aber auch Flüge in Graz, Salzburg, Innsbruck, Linz und Klagenfurt können ausfallen. Am Flughafen Wien sind nach Stand Freitag am späten Nachmittag beispielsweise alleine 65 AUA-Verbindungen von und nach München, Frankfurt, Düsseldorf, Hamburg, Stuttgart, Köln, Nürnberg und Hannover betroffen, sagte eine AUA-Sprecherin zur APA.(ede)