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Dem Goldpreis winken neue Rekorde

Von Karl Leban

Wirtschaft

Finanzmarktexperte Stöferle sieht 2.300 Dollar zum Jahresende, sofern die US-Notenbank noch heuer die Zinsen senkt.


Anleger, die Gold im Portfolio halten, dürfen sich die Hände reiben. Seit Beginn des Jahres haben die Notierungen für das gelbe Edelmetall substanziell zugelegt - sowohl in US-Dollar mit fast 8 Prozent als auch in Euro mit mehr als 6 Prozent. Auf Basis des Euro und anderer wichtiger Währungen wie Schweizer Franken, japanischer Yen oder britisches Pfund erklommen die Preise zwischenzeitlich sogar neue Rekordhöhen. Hauptgrund für die gute Performance waren die jüngsten Turbulenzen im Bankensektor der USA und der Schweiz, die im März viele Investoren in den als krisensicher geltenden Anlagehafen Gold trieben.

Auch die weitere Preisentwicklung ist aus Sicht von Fachleuten vielversprechend. So sieht etwa Ronald-Peter Stöferle, leitender Fondsmanager beim liechtensteinischen Vermögensverwalter Incrementum, den Preis für eine Feinunze Gold zum Jahresende 2023 bei 2.300 Dollar. Gemessen am aktuellen Niveau von 1.965 Dollar bescheinigt er dem Krisenmetall damit rein rechnerisch ein Aufwärtspotenzial von rund 17 Prozent.

Die selbständig arbeitende Wiener Finanzmarktanalystin Monika Rosen bestätigt: "Derzeit sind viele Häuser sehr davon überzeugt, dass der Anstieg im Goldpreis anhalten wird." Die US-Großbank Goldman Sachs beispielsweise hat laut Rosen ein Preisziel von 2.050 Dollar für die nächsten zwölf Monate vergeben - vorausgesetzt, die US-Notenbank Fed lässt ihre Zinserhöhungen auslaufen. "Das würde den Dollar schwächen, was im Gegenzug positiv für Gold ist", erklärt Rosen. Ein schwächerer Dollar macht das Edelmetall günstiger und treibt in der Regel die Nachfrage, da Gold auf dem Weltmarkt in der amerikanischen Währung gehandelt wird.

Zinserhöhungen zu energisch?

Indes würde ein Überspringen der 2.100-Dollar-Marke aus der Sicht von Goldman Sachs voraussetzen, dass die Fed die Zinsen noch heuer senkt. "Das gilt als sehr unwahrscheinlich", merkt Rosen dazu an. Für sie ist im Übrigen das stärkste Argument für eine gewisse Vorsicht bei Gold das Faktum, "dass so viele Marktteilnehmer jetzt dieselbe positive Sichtweise haben".

Stöferle, der einst als Gold-Analyst für die Erste Group tätig war, ist mit Blick auf seinen auf Ende 2023 ausgerichteten Zielwert - wie erwähnt 2.300 Dollar - besonders "bullish". Er rechnet schon bald auch mit einem neuen Allzeithoch. Das bisherige lautet auf 2.071,69 Dollar und ist Anfang August 2020 markiert worden - im Zuge der globalen Rezession infolge der Corona-Pandemie.

Im Gegensatz zu Rosen geht Stöferle noch für 2023 von Zinssenkungen in den USA aus, was dem Goldpreis in die Karten spielen würde. Sinkende Zinsen beflügeln die Notierungen für das Edelmetall in der Regel, da es dann weniger Konkurrenz durch andere Investmentmöglichkeiten gibt.

Stöferle meint vor allem, dass die Fed, die größte und mächtigste Zentralbank der Welt, in ihrem Kampf gegen die hohe Inflation zu energisch an der Zinsschraube gedreht hat. Im Markt hätte sich niemand gedacht, dass sie binnen eines Jahres die Zinsen um 5 Prozentpunkte erhöht. Die Konsequenz daraus ist eine schwächelnde Konjunktur: "Die USA rauschen heuer in eine Rezession hinein", ist Stöferle überzeugt. "Wir sehen das schon bei vielen Unternehmenszahlen." Auch der Häusermarkt sei bereits zum Erliegen gekommen, und beim Privatkonsum sei große Zurückhaltung zu beobachten.

Was der Finanzmarktexperte ebenfalls betont: "Viele Geschäftsmodelle funktionieren auf diesem Zinsniveau nicht mehr." Nach den Banken, bei denen es in den USA bisher zu drei Pleiten kam, könnte die Immobilienwirtschaft der "nächste Kandidat" für Probleme sein.

Im Einklang mit dem Markt rechnet Stöferle daher bis Jahresende mit Zinssenkungen um bis zu einem Prozentpunkt. "Fed-Chef Jerome Powell versucht zwar angesichts der Inflation, die noch immer weit vom 2-Prozent-Ziel entfernt ist, Härte zu zeigen. Aber der Markt glaubt ihm nicht."

Schwellenländer kaufen

Für höhere Goldnotierungen spricht aus Stöferles Sicht auch, dass Finanzinvestoren wie Banken und Vermögensverwalter, die zuvor noch zögerlich gewesen seien, Gold inzwischen "neu entdecken" würden. Sie würden eher prozyklisch agieren, also in einem steigenden Markt kaufen. Und dies sollte dem Goldpreis vor allem beim Knacken alter Rekordmarken zugutekommen, da es nach oben hin dann keine charttechnischen Widerstände mehr gäbe.

Ein weiterer Grund, der Stöferle für Gold optimistisch stimmt, ist: "Die Notenbanken von Schwellenländern haben im Vorjahr die größten Goldkäufe seit 1955 getätigt. Das wird sich fortsetzen." Insbesondere Länder wie etwa China, die den USA aus geopolitischen Gründen nicht wohlgesonnen sind, bauen ihre Währungsreserven in Dollar ab und erweitern stattdessen lieber ihren Goldbestand.