Nach einer Serie geldpolitischer Straffungen bei der Bekämpfung der Inflation könnten die Zinsen beiderseits des Atlantiks ihren Höhepunkt bald erreicht haben. Das hat auch mit den Bankenturbulenzen im März zu tun, die, wie Fed-Chef Jerome Powell zuletzt erklärte, die Kreditkonditionen verschärfen und damit der US-Notenbank einen Teil der Arbeit abnehmen.

Denn die Fed will ähnlich wie die Europäische Zentralbank (EZB) Kredite verteuern, wodurch die gesamtwirtschaftliche Nachfrage gedämpft und somit auch dem starken Preisauftrieb Paroli geboten werden soll. Nach der mittlerweile neunten Zinsanhebung in den USA seit März 2022 und einem Zinsniveau von 4,75 bis 5,00 Prozent wird die Luft auf dem Weg nach oben allerdings immer dünne. "Offensichtlich ist der Zinsgipfel in Reichweite", heißt es dazu aus der Commerzbank.

Darauf deutet auch der aktualisierte "Dot Plot" hin - die Erwartungen der Fed-Mitglieder im Hinblick auf einen angemessenen Leitzinspfad. Für Ende 2023 sehen diese den Leitzins bei 5,1 Prozent. Analyst Bernd Krampen von der Norddeutschen Landesbank rechnet damit, dass sich die Erhöhungsserie in den USA ihrem Schlusspunkt nähert: "Bei Zinsanhebungen könnte bald das Ende der Fahnenstange erreicht werden, wenn es die Inflation erlaubt." Schon mit der nächsten Zinssitzung am 3. Mai könnte der Gipfel erklommen sein.

Marcel Fratzscher, Leiter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), konstatiert, dass sich die Fed für einen langsameren Kurs der Zinserhöhungen entschieden habe, nachdem die globalen Kapitalmärkte die Turbulenzen um die Notübernahme der Schweizer Großbank Credit Suisse bisher scheinbar ohne größere Probleme bewältigen konnten.

Doch auch wenn keine große Finanzkrise heraufzieht: Die Gefahr einer Rezession in den USA ist nicht gebannt. Für die Fed gilt es auf dem weiteren Zinspfad auch zu bedenken, dass die Erhöhungen mit Zeitverzögerung wirken. Laut Thorsten Polleit, Chefökonom bei Degussa Goldhandel, kann man die unerwünschten Folgen der in recht kurzer Zeit stark erhöhten Zinskosten beispielsweise an den jüngsten Turbulenzen im US-Bankenmarkt und den Notkrediten sehen, die die Fed einzelnen Banken nun verabreicht.

EZB bremst Straffung wohl

Auch in der Eurozone beginnen die Zinserhöhungen im Kampf gegen die hohe Inflation laut EZB-Chefin Christine Lagarde allmählich zu wirken: "Die Kreditkosten ziehen merklich an, und die Kreditdynamik scheint sich rascher abzuschwächen als in früheren Zinserhöhungszyklen." In Summe waren es sechs Zinsanhebungen seit Juli 2022 - ein Anstieg um 3,50 Prozentpunkte. Die von den USA ausgegangenen Turbulenzen im Bankensektor könnten jetzt sogar einen zusätzlich dämpfenden Effekt haben. Für das niederländische EZB-Ratsmitglied Klaas Knot ist denkbar, dass die noch zurückzulegende Wegstrecke auf dem Zinspfad womöglich neu bewertet werden müsse.

"Nach den aktuellen Ereignissen wird die EZB die geldpolitische Straffung zumindest verlangsamen, auch wenn die Inflation noch nicht vollständig mit dem Ziel (2 Prozent, Anm.) übereinstimmt", heißt es beim international tätigen Vermögensverwalter DPAM. Die EZB werde lieber auf Nummer sicher gehen und abwarten, bis die Geldpolitik voll durchschlägt, als etwas zu bereuen. "Die EZB wird versuchen, die Wahrscheinlichkeit einer falschen Entscheidung zu mindern, um nicht die Geldpolitik hinterher stärker lockern zu müssen, als sie gestrafft wurde", so DPAM. Zuletzt hatte die EZB Mitte März die Zinsen trotz der Turbulenzen um 0,50 Prozentpunkte angehoben.

Nationalbank-Chef und EZB-Ratsmitglied Robert Holzmann hält noch weitere Zinsschritte für nötig. Er erwartet, dass die Zinsen noch auf plus/minus 4 Prozent steigen. EZB-Volkswirte gehen für heuer immer noch von einer Inflation von 5,3 Prozent im Euroraum aus, die damit weiterhin deutlich über dem EZB-Ziel von zwei Prozent liegen würde.

Ausmaß in Eurozone unklar

Doch wie stark weitere Schritte ausfallen, ist die große Frage. "Im Moment spricht vieles für eine Erhöhung um 25 Basispunkte am 4. Mai", heißt es aus der Landesbank Baden-Württemberg zur nächsten Zinssitzung. Am Geldmarkt haben Investoren Spekulationen auf weitere Zinserhöhungen deutlich zurückgeschraubt. Dort wird der Zinshöhepunkt im Sommer bei etwa 3,4 Prozent erwartet. Noch vor den Marktturbulenzen war mit einem Zinsgipfel bei mehr als 4 Prozent gerechnet worden. (reuters/kle)