Das weltweite Wirtschaftswachstum bremst sich ein. Das war schon im Vorfeld der traditionellen Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank in Washington, die am Montag eröffnet wurde, klar. 2023 werde der Zuwachs weniger als 3 Prozent betragen, meinte IWF-Chefin Kristalina Georgiewa vergangene Woche bei einer Veranstaltung des Nachrichtenportals "Politico". Schon im vergangenen Jahr hat sich die globale Konjunktur deutlich abgeschwächt. Nachdem der Post-Corona-Wirtschaftsboom das Wachstum 2021 auf mehr als 6 Prozent in die Höhe getrieben hatte, brach es 2022 um fast die Hälfte auf 3,4 Prozent ein. Mit einer Erholung wurde nicht wirklich gerechnet. Heute, Dienstag, legt der IWF in der US-Hauptstadt seine neuen Detailprognosen für die wichtigsten Länder und Regionen der Welt vor.
Niedrigste Mittelfristprognose seit dem Jahr 1990
Das Wachstum werde nicht nur kurz-, sondern auch mittelfristig schwach bleiben, so Georgiewa: "Wir prognostizieren, dass das weltweite Wachstum bei rund 3 Prozent in den nächsten fünf Jahren bleiben wird - unsere niedrigste Mittelfristprognose seit 1990." Der Durchschnitt der vergangenen beiden Jahrzehnte lag bei 3,8 Prozent. Zentral seien nun mehr Digitalisierung, mehr Investitionen in erneuerbare Energien, mehr Strukturreformen und mehr Zusammenarbeit auf internationaler Bühne statt geopolitischer Spannungen, so die IWF-Chefin.

Rund 90 Prozent der Industriestaaten dürften heuer niedrigere Wachstumsraten verzeichnen, erklärte Georgiewa. Aber auch ärmere Länder schwächelten und täten sich schwer, die Lücke zu schließen. "Armut und Hunger könnten weiter zunehmen - ein gefährlicher Trend, der in der Covid-Krise begonnen hat."
Eine wichtige Rolle kommt laut IWF wegen der hartnäckig hohen Inflation den Notenbanken zu, die die Zinsen derzeit so stark anheben wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Die US-Notenbank Fed erhöhte zuletzt - trotz der Turbulenzen rund um einige große Regionalbanken - den Schlüsselsatz um einen Viertelprozentpunkt auf die neue Spanne von 4,75 bis 5,0 Prozent an, während die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins um 0,5 Prozentpunkte auf nun 3,5 Prozent anhob.
Widerstandsfähigere Banken seit der Finanzkrise von 2008
Der Trend werde sich fortsetzen, so die IWF-Chefin. Gleichzeitig müssten die Notenbanken aber auch auf die Finanzstabilität achten, die zuletzt durch den Kollaps mehrerer Banken wieder in den Vordergrund rückte. Hier könnten Liquiditätsspritzen eine gute Medizin sein. Grundsätzlich seien Banken seit der Finanzkrise von 2008 widerstandsfähiger geworden.
Laut Georgiewa hat der IWF seit Ausbruch der Corona-Pandemie fast 300 Milliarden Euro Dollar an Finanzhilfen bereitgestellt, um 96 Ländern in Not unter die Arme zu greifen. Zuletzt gab es neue Hilfspakete für Sri Lanka und die Ukraine. Wichtig sei nun der Umgang mit den Schulden vor allem ärmerer Länder, mahnte sie. Hier müsse es mehr Zugeständnisse der Gläubiger geben.
Die Frühjahrstagung von IWF und Weltbank bringt alljährlich Finanzminister, Zentralbanker, Beamte sowie Finanz- und Entwicklungsexperten aus aller Welt zusammen. Am Mittwoch treffen sich die Finanzministerinnen und -minister sowie die Spitzen der Zentralbanken der Staaten der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20). Ebenalls auf der Agenda der Frühjahrstagung steht ein runder Tisch zur Ukraine. Dabei wird voraussichtlich auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zugeschaltet sein. Für dessen von Russland angegriffenes Land hat der IWF gerade erst ein Kreditprogramm in Milliardenhöhe genehmigt. Er hat dafür eigens seine Regeln geändert, um derartige Programme für Länder zu ermöglichen, die mit "außergewöhnlich hoher Unsicherheit" konfrontiert sind.(red.)