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Die Multi-Krise dämpft das Wachstum

Von Julian Kern

Wirtschaft

Laut Prognose des Internationalen Währungsfonds (IWF) wird die Weltwirtschaft noch etwas langsamer wachsen als ohnehin gedacht.


Der Krieg in der Ukraine, die damit einhergehende hohe Inflation sowie ein Anstieg der Energiekosten: Die Entwicklung der Weltwirtschaft hat die Währungshüter quer über den Globus dazu veranlasst, die Leitzinsen zu erhöhen. Das wirkt sich nun auch auf das weltweite Wirtschaftswachstum aus, denn nach Prognosen des Internationalen Währungsfonds (IWF) wird dieses noch etwas langsamer ausfallen als ohnehin schon gedacht.

Für die Jahre 2023 und 2024 korrigierte der IWF seine Prognose am Dienstag um jeweils 0,1 Punkte auf 2,8 und 3,0 Prozent. Im Vorjahr ging man noch von 3,4 Prozent aus. Regional gibt es starke Unterschiede. Während der IWF für Österreich von einem geringen Wachstum von 0,4 Prozent im laufenden Jahr und 1,1 Prozent im kommenden Jahr ausgeht, gelten China und Indien im aktuellen und kommenden Jahr als Zugpferde.

Wachstum in China, Indien und auch Russland

Der Volksrepublik traut der IWF nach der Abkehr von der strikten "Zero-Covid"-Strategie für dieses und nächstes Jahr Wachstumsraten von 5,2 und 4,5 Prozent zu, nachdem es im Vorjahr nur 3,0 Prozent waren. Noch optimistischer blicken die Experten des Währungsfonds in das bald bevölkerungsreichste Land der Welt: Indiens Wirtschaft dürfte um 5,9 und 6,3 Prozent zulegen.

Eingermaßen gute Aussichten sieht der IWF auch für die russische Wirtschaft. Im flächenmäßig größten Land der Welt rechnet der Währungsfonds trotz aufrechter Sanktionen des Westens mit Steigerungsraten von 0,7 und 1,3 Prozent. Die aktuelle Schätzung aus dem Jänner 2023 wurde damit um 0,4 Prozentpunkte angehoben, die für das Jahr 2024 jedoch um 0,8 Punkte gesenkt.

Inflation weltweit auf dem Rückzug, außer in Österreich

Bezüglich der Teuerungsrate prognostiziert der IWF weltweit 7,0 Prozent für das Jahr 2023. Im Jahr darauf dürfte diese auf 4,9 Prozent zurückgehen. In den Industriestaaten rechnet man gar mit 4,7 und 2,6 Prozent, womit sich die Teuerung wieder dem von den meisten Notenbanken angestrebten Ziel von rund zwei Prozent annähern würde.

Für Österreich liegen die Prognosen über jenen des Wirtschaftsforschungsinstitutes (Wifo) und des Institutes für Höhere Studien (IHS). Beide heimische Forschungsinstitute haben vor rund zwei Wochen ihre Werte mit 7,1 Prozent (Wifo) und 7,5 (IHS) für das Jahr 2023 nach oben korrigiert. 2024 soll die Teuerungsrate nach Prognosen der beiden Institute wieder bei unter vier Prozent liegen. Der IWF hingegen geht für 2023 von einer ähnlich hohen Inflation wie im Vorjahr aus. 8,2 Prozent soll die heimische Inflation demnach im Jahresverlauf betragen, während der Preisauftrieb in der übrigen Eurozone auf 5,6 Prozent sinken soll.

Wifo-Chef Gabriel Felbermayr machte dafür jüngst sowohl Mietpreise als auch hohe Lohnabschlüsse verantwortlich. Beide Aspekte würden in Österreich dafür sorgen, dass sich ein großer Teil der Preisbildung rückwärtsgewandt auf die Entwicklung der Inflation auswirkt.

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Neben der Teuerung bereitet dem IWF auch der Bankensektor Sorge. Den Crash der Silicon Valley Bank (SVB) vor rund vier Wochen sowie die anschließend umhergehende Unsicherheit im globalen Finanzsystem – Stichwort Credit Suisse – beurteilt der Währungsfonds als nicht ausgestanden. Im globalen Finanzsystem würden "erhebliche Spannungen" bestehen und aufgrund von Erfahrungen der Vergangenheit geht der IWF davon aus, dass im Finanzsystem weitere Schwachstellen ans Tageslicht kommen könnten.

Ärmsten Länder sind am stärksten betroffen

Laut David Malpass, dem Präsidenten der Weltbank, seien es vor allem die armen Länder, deren Aussichten aufgrund des geringen Wirtschaftswachstums sehr schlecht stehen. Er forderte nun, dass Investitionen erhöht werden müssten, um ausländisches Kapital in diese Regionen zu verschieben. Malpass zufolge kann nur dies das Wachstum ankurbeln und für eine verbesserte Lebenssituation sorgen. Dass eine den Zahlen nach wachsende Wirtschaftsleistung den Wohlstand hebt und somit die Lebensbedingungen grundsätzlich verbessert, ist laut dem deutschen Ökonomen Nils aus dem Moore aber mitunter ein Scheinzusammenhang.

So würde sich nicht bezahlte Care-Arbeit – das Pflegen von Angehörigen – beispielsweise nicht im Bruttoinlandsprodukt (BIP), das als Berechnungsgrundlage für das Wirtschaftswachstum dient, wiederfinden. Auch darüber, wie Wohlstand in einem Land verteilt ist, gibt die Wirtschaftsleistung keinen Aufschluss.

Eine wachsende Weltwirtschaft hat auch langfristige Folgen für das Klima. Wie das Ergebnis einer deutschen Studie vor rund einem Monat zeigt, könnten auf Deutschland aufgrund der Erderhitzung Kosten von bis zu 900 Milliarden Euro zukommen. Den Modellrechnungen zufolge würden sich die durchschnittlichen jährlichen Kosten der Extremereignisse wie Hitze und Hochwasser der letzten 20 Jahre bis 2050 jährlich um das Anderthalb- bis Fünffache erhöhen. Für 2050 würde das einen BIP-Verlust von 0,6 bis 1,8 Prozent bedeuten. Damit würde die Wirtschaft selbst im günstigsten Szenario schrumpfen, falls keine Vorkehrungen zur Anpassung an die Erderwärmung getroffen werden.