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Grüne Schwergewichte

Von Julian Kern

Wirtschaft
Mehr als zehn Prozent der weltweiten CO2-Emissionen entfallen auf den Verkehrssektor. Im Schwerverkehr setzen deshalb nun immer mehr Hersteller auf Elektro- oder Wasserstoff LKWs.
© getty images / A. Onufriyenko

Das Rennen um die Entwicklung emissionsfreier Lkw nimmt massiv an Fahrt auf. Kein Hersteller will auf der Strecke bleiben.


Groß war die Hoffnung, als Nikola Motors im Jahr 2016 einen angeblich voll funktionsfähigen Wasserstoff-Sattelschlepper vorstellte. Der börsennotierte Hersteller von Lastkraftwagen mit Alternativantrieb trickste dabei jedoch, wo er nur konnte: Aufgebaut auf einer Bühne, fehlte dem Lkw vom Motor bis zur Luftfederung so ziemlich alles, was ein funktionsfähiges Fahrzeug bräuchte. Anstatt eines modernen Informationssystems in der Mittelkonsole gab es Bildschirme mit gefälschten Darstellungen, die Energie dafür lieferte nicht - wie sonst üblich - eine starke Batterie, sondern externe Akkus und Stromkabel.

2017 wurde der angeblich voll funktionsfähige Prototyp für ein Werbevideo einer anderen Firma gebucht. Drei Mal wurde das Chassis auf Rädern dafür einen Hügel hochgezogen, um anschließend bildgewaltig bergab zu rollen. Für Trevor Miltons, den Gründer und bis 2020 Chef des Elektrolastwagenentwicklers, endeten Aktionen wie diese im Oktober des Vorjahres vor Gericht. Anlagebetrug, Überweisungsbetrug und wiederholt irreführende Angaben über angebliche Errungenschaften Nikolas lauteten die Anklagepunkte, in denen ihn ein Geschworenengericht in Manhattan für schuldig befand.

Miltons Wunsch, nämlich, dass Lkw emissionslos fahren, kommt nicht von ungefähr. Immerhin verursachen sie ein Zehntel der weltweiten CO2-Emissionen und haben damit einen beträchtlichen Anteil an der menschengemachten Erderhitzung. Bis zum Jahr 2040 sollen deshalb EU-weit die Emissionen aus dem Schwerverkehr um 90 Prozent gegenüber dem Jahr 2019 reduziert werden. Die Zahl der verkauften Lkw mit klassischen Verbrennungsmotoren soll dabei bis 2030 um 45 Prozent sinken, für 2035 wird dann schon eine Reduktion von 65 Prozent angestrebt.

USA auf der Überholspur

Ambitioniertere Ziele als die EU verfolgt man in den USA. Im Bundesstaat Kalifornien hat das California Air Resources Board als Aufsichtsbehörde Ende April ein Verbot neuer Verbrenner-Lkw ab 2036 beschlossen. Experten rechnen damit, dass sich weitere Bundesstaaten anschließen dürften. Zudem winken in Übersee Subventionen für emissionslose Lkw. Im Rahmen des "Inflation Reduction Act" der US-Regierung kann ein neuer Truck auf Wasserstoffbasis rund 40.000 Dollar an Förderungen erhalten. In Kalifornien soll die Prämie noch üppiger ausfallen - Käufer hoffen dort auf bis zu 288.000 Dollar je Truck.

In den Verkaufszahlen schlägt die voranschreitende Entwicklung bisher aber noch nicht durch. Beim Nutzfahrzeughersteller Daimler Truck etwa waren im Vorjahr nur knapp 900 der insgesamt rund 520.000 verkauften Lkw und Busse emissionsfrei. Eine Skalierung ist laut einer Analyse im Auftrag des deutschen Verkehrsministeriums jedoch absehbar. Bis 2030 könnten drei Viertel der abgesetzten schweren Nutzfahrzeuge keine Verbrenner mehr sein. Errechnet wurde, dass rund 58 Prozent mit Batterie und 17 Prozent mit Wasserstoff betrieben werden könne.

Michael Lohscheller, der Nachfolger von Trevor Miltons beim Truck-Start-up Nikola, rechnet allerdings mit einer anderen Verteilung der Marktanteile. Der frühere Opel-Chef sieht den Vorteil vor allem im geringeren Gewicht des Wasserstoff-Trucks und in der rund 250 Kilometer größeren Reichweite. Auch deshalb investieren die vier größten Truck-Hersteller Daimler, Paccar, Navistar und Volvo Trucks aktuell massiv in die Entwicklung. Daimler und Volvo entwickeln gemeinsam eine Brennstoffzelle, während Paccar im Jahr 2024 seinen "Kenworth T680 FCEV" vom Band laufen lassen möchte. Auch bei den asiatischen Hersteller führt die Rallye um die Wasserstoff-Trucks zu massiven Investitionen: Toyota fokussiert sich auf die Herstellung von Wasserstoffbrennzellen, Hyundai möchte die Produktion ihres "Xcient Fuel Cell" weiter vorantreiben.

Eine Frage der Verfügbarkeit

Auch in Österreich gibt es Bemühungen, auf Wasserstoff-Lkw umzustellen. Im Jänner 2022 hat das Konsortium H2-Mobility Austria - bestehend aus heimischen Unternehmen wie der Post, AVL List, Spar oder Rewe - eine Studie zur Wasserstoffmobilität mit Fokus auf Schwerlastfahrzeuge in Auftrag gegeben. Das Ziel des Zusammenschlusses: Im Jahr 2030 sollen gut 2.000 Wasserstoff-Lkw über Österreichs Straßen rollen. "Das ist ein ambitioniertes, aber realisierbares Ziel, das dazu beitragen kann, Österreichs ambitionierte Klimaziele zu erreichen", sagt Holger Heinfellner, Mobilitätsexperte des Umweltbundesamts, zur "Wiener Zeitung."

In der Branche sieht man die Ziele nur dann realisierbar, wenn es – so wie in den USA – Subventionen für die Unternehmen gibt. Neben staatlichen Prämien brauche es auch eine Importstrategie für grünen Wasserstoff, sowie Anreize im Inland, um die Erzeugung von grünem Wasserstoff durch entsprechende Anreize für heimische Elektrolyseanlagen zu forcieren, sagt Erik Wolf, der Geschäftsführer der Bundessparte Transport und Verkehr in der Wirtschaftskammer Österreich (WKO). "Generell braucht die Verkehrswirtschaft bezüglich Infrastrukturausbau und Anschubfinanzierung Planungssicherheit, um in klimafreundliche Alternativen zu investieren. Ein klares politisches Bekenntnis zu Wasserstoff im Schwerverkehr gepaart mit finanzieller Unterstützung hätte eine wichtige Signalwirkung", so Wolf.

Neben den derzeit noch hohen Anschaffungskosten liegt die Herausforderung laut dem Mobilitätsexperten Heinfellner aber vor allem in der Verfügbarkeit des Wasserstoffs. "Es ist davon auszugehen, dass auch andere Sektoren, allen voran die Industrie, großen Bedarf am begrenzt verfügbaren grünen Wasserstoff anmelden werden", sagt Heinfellner. Er geht deshalb davon aus, dass Wasserstoff-Lkw im Vergleich zu batterieelektrischen Fahrzeugen eine untergeordnete Rolle spielen.