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Der steinige Weg zur Vermögenssteuer

Von Julian Kern

Wirtschaft

Seit jeher ist Reichtum weltweit ungleich verteilt. Bei dessen Abschöpfung tut sich die Politik aber schwer.


Begeisterte Brettspieler kennen die Situation: Wenn das Spielende bei "Monopoly" oder "DKT" mit jedem Zug näher rückt, besitzt meistens eine Person so viele Liegenschaften wie alle anderen zusammen. Befinden sich auf diesen Spielfeldern auch noch Wohnungen oder Hotels, werden Vorbeikommende gerne zur Kasse gebeten und das Privatvermögen schnellt immer weiter in die Höhe. Ähnlich wie am Ende eines solchen Brettspiels gestaltet sich auch die Vermögensverteilung im echten Leben.

Global gesehen ist Vermögen seit jeher ungleich verteilt. Zwar wurde die Kluft zwischen westlichen Staaten und schnell wachsenden "Schwellenländern", wie Indien, Südafrika oder Ländern am Persischen Golf, kleiner - die globale Ungleichheit blieb jedoch weiterhin hoch. Die Hälfte des weltweiten Einkommens entfällt heute auf die reichsten 10 Prozent der Einkommensbezieher. Noch größer ist die Schere, wenn es um private Vermögen geht: Die reichsten 10 Prozent der Weltbevölkerung besitzen heute rund drei Viertel des weltweiten Vermögens, während die ärmsten 50 Prozent über kein nennenswertes Vermögen verfügen.

Wenigen gehört sehr viel

Auch in Österreich sind Immobilien, Finanzvermögen und dauerhafte Güter ungleich verteilt: Die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) schätzt, dass das reichste Prozent der Bevölkerung 30 bis 50 Prozent des gesamten Vermögens in Österreich besitzt. Detaillierte Zahlen dazu gibt es nicht, da diese kleine Gruppe in Zufallsstichproben für Umfragen meist nicht erfasst wird. Gemeinsam mit anderen Wohlhabenden setzt sich die Millionenerbin Marlene Engelhorn für die gerechte Verteilung von Reichtum ein. Bei einer Fotoaktion mit Djaffar Shalchi, dem Gründer von "Millionaires for Humanity", einer Gruppe von mehr als 80 Millionären, plädierte Engelhorn am Dienstag für eine Vermögenssteuer für das reichste Prozent der österreichischen Bevölkerung. "Es wird Zeit, dass auch die, bei denen es sich locker ausgeht, ihren Beitrag zur Gesellschaft leisten, und zwar auf demokratischem Weg durch die Steuern auf Vermögen."

Eine solche Steuer gab es in Österreich bis 1993 bereits. Bei einem Steuersatz von 1 Prozent brachte diese damals umgerechnet etwas mehr als 600 Millionen Euro jährlich ein, griff aber bereits bei einem Vermögen von rund 10.900 Euro. Abgeschafft wurde sie vom SPÖ-Finanzminister Ferdinand Lacina. Ebenfalls abgeschafft wurde 2008 eine Erbschafts- und Schenkungssteuer. Grund dafür waren die Bewertungsvorschriften für Grundstücke, die gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen hatten.

Diese beiden Entwicklungen führten dazu, dass vermögensbezogene Steuern von vormals über 4 Prozent auf weniger als 1,5 sanken. Damit liegt man im OECD-Vergleich unter den fünf Ländern mit den geringsten vermögensbezogenen Steuern. Gleichzeitig liegt Österreich bei der Steuern- und Abgabenquote im OECD-Vergleich aber an dritter Stelle, was sich auch im Wunsch nach einer anderen Schwerpunktsetzung im Steuersystem niederschlägt. Laut einer Anfang April veröffentlichten Sora-Studie befürworten zwei Drittel der Bevölkerung höhere Steuern auf große Vermögen und Unternehmensgewinne.

Reiche reisen ab

Weltweit sorgt eine solche "Reichensteuer" jedoch für Probleme - vor allem dann wenn die Ausgestaltung in den einzelnen Ländern oder Regionen sehr unterschiedlich ist. In Frankreich sorgte die Vermögenssteuer dafür, dass zahlreiche Millionäre das Land verließen und Präsident Emmanuel Macron die Vermögenssteuer schlussendlich abschaffte, um heimische Investoren in Frankreich zu halten. Ähnliche Entwicklungen befürchtet Gottfried Schellmann, Steuerberater und Experte für internationale Unternehmensbesteuerung, auch für eine potenzielle europäische Vermögenssteuer. "Sollte so eine Steuer in der EU eingeführt werden, dann ist der Wegzug vieler Leistungsträger zu erwarten. Wir beobachten auch jetzt schon den Wegzug wohlhabender Pensionisten aus Österreich, etwa nach Spanien, Portugal oder Dubai", meint Schellmann.

Als problematisch sieht er es auch an, wenn nicht primär Vermögenszuwächse besteuert werden. "Selbst die Schweizer vermeiden diese Art von Steuer, so gut es geht, weil Unternehmensinhaber die Steuer aus der Unternehmenssubstanz begleichen müssen. Das Gleiche passiert nun in Norwegen, wo eine Vermögenssteuer für den Staat in der Höhe von 0,3 und 0,7 Prozent für die Gemeinden eingeführt wurde", sagt Schellmann.

Ab wann jemand als reich gilt, ist aber letztlich eine politische Entscheidung. "In Norwegen sind es zum Beispiel 1.700.000 Kronen", sagt Schellmann. Hierzulande forderte zuletzt Vizekanzler Werner Kogler (Grünen) eine "Millionärssteuer" für "Millionenerben" - also jene Menschen, die "fette Villen" oder "astronomische Aktienpakete" erben. Auch die SPÖ plädierte in der Vergangenheit immer wieder für eine "Millionärssteuer". Von 1 Million bis 10 Millionen Euro soll eine solche bei 0,5 Prozent liegen, für Vermögen darüber bei 1 Prozent .

Vermögenssteuer gegen Armut und steigende Pflegekosten

"Mit einer Vermögenssteuer könnte man die Armut flächendeckend abschaffen und die steigenden Ausgaben in der Pflege finanzieren", sagt Mattias Muckenhuber vom arbeitnehmernahen Momentum Institut. Muckenhuber führt auch weitere Ungleichheiten ins Treffen. So würden auch 80 Prozent der Mieteinnahmen an das reichste Zehntel der Bevölkerung fließen. Ähnlich ist dies auch bei den globalen CO2-Emissionen: Aus dem "World Inequality Report 2022" geht hervor, dass 10 Prozent der größten Emittenten für fast 50 Prozent aller Emissionen verantwortlich sind, während die 50 Prozent mit den geringsten Emissionen etwas mehr als 10 Prozent der Gesamtemissionen verursachen.

Dass es künftig eine global abgestimmte Lösung gegen diese Ungleichheit gibt, glaubt Schellmann nicht. "Das schließe ich für die USA aus, auch China oder Russland würden nicht mitmachen." Denkbar sei sie jedoch auf europäischer Ebene, "weil die Steuerpolitik sehr stark von den europäischen Institutionen vorgegeben wird". Das Ergebnis könnten eine einheitliche Bemessungsgrundlage und die Einhebung der Steuern durch die Mitgliedstaaten sein.

Seit jeher ist Reichtum weltweit ungleich verteilt. Bei der Abschöpfung dieses Vermögens tut sich die Politik aber schwer.