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Zitterpartie im Streit um höhere US-Schuldenobergrenze

Wirtschaft

Ohne Anhebung droht den USA die Pleite. Dies hätte verheerende Folgen für die Börsen und die Weltwirtschaft.


Es wird wohl doch nicht so heiß gegessen werden wie gekocht. Mit Blick auf die USA herrscht an den Börsen mittlerweile größere Zuversicht, dass der Streit zwischen Demokraten und Republikanern um eine höhere Schuldenobergrenze noch rechtzeitig beigelegt wird. Jüngste Äußerungen des republikanischen Mehrheitsführers im Repräsentantenhaus, Kevin McCarthy, haben jedenfalls eine baldige Einigung möglich erscheinen lassen. Wenn dennoch keine zeitnahe Einigung zustande kommt, dann droht der größten Volkswirtschaft der Welt ein Zahlungsausfall - mit verheerenden wirtschaftlichen Folgen, nationalen wie internationalen.

Das unabhängige Budgetbüro des US-Kongresses schätzt, dass ein Zahlungsausfall für die ersten beiden Juniwochen zu erwarten wäre, falls die gesetzliche Schuldenobergrenze unverändert bleibt. Deshalb drängt die Zeit für eine politische Lösung.

Detail am Rande: Heftige Streitereien um die Schuldenobergrenze lieferten sich Republikaner und Demokraten traditionell - und zum Leidwesen der Finanzmärkte - schon in der Vergangenheit immer wieder. Oft gab es dabei erst in letzter Minute einen Kompromiss.

Finanzbranche wappnet sich

Jane Fraser, Chefin der US-Großbank Citigroup, bezeichnete den aktuellen Konflikt über die Schuldenobergrenze, die derzeit bei 31,4 Billionen Dollar (29,1 Billionen Euro), liegt, zuletzt gegenüber Reuters als "beunruhigender" als frühere. Jamie Dimon, CEO des ebenfalls systemrelevanten US-Geldhauses JP Morgan, ließ wiederum wissen, dass "seine" Bank wöchentliche Meetings zu den Auswirkungen eines möglichen Zahlungsausfalls abhalte.

Dass man sich in der Finanzbranche wappnet, kommt nicht von ungefähr. Für den Fall eines Zahlungsausfalls hat US-Finanzministerin Janet Yellen zuletzt wiederholt vor einem globalen Finanzbeben gewarnt. Es sei dann sehr gut vorstellbar, dass eine Reihe von Märkten zusammenbreche und eine "weltweite Panik" entstehe, so die Ex-Chefin der US-Notenbank Fed. In den USA könnten dann Millionen Bürger ohne Einkommensauszahlungen dastehen, und womöglich werde eine Rezession heraufziehen. Das Finanzministerium erwartet, dass der US-Staat seine Rechnungen nur bis zum 1. Juni ohne höhere Schuldenobergrenze bezahlen kann.

Kann sich der Staat kein weiteres Geld leihen, seinen Verbindlichkeiten nicht nachkommen und auch fällig werdende Altschulden nicht tilgen, wäre das nach Ansicht vieler Experten eine Art Super-GAU für die Vereinigten Staaten, die mit dem Dollar die Weltleitwährung stellen. Laut Yellen würde eine durch einen US-Zahlungsausfall ausgelöste Krise etliche Bereiche des öffentlichen Lebens in den USA treffen. So könne es zu Störungen bei den Abläufen in der Flugsicherung, der Strafverfolgung, der Grenzsicherung und Landesverteidigung sowie der Telekommunikationssysteme kommen.

Börsenbeben im Fall des Falles

Aufgrund der schieren Größe und Bedeutung der US-Wirtschaft für die übrige Welt, gelten Staatsanleihen der USA als Grundlage des globalen Finanzsystems. Sollte es tatsächlich zu einem Zahlungsausfall kommen, sind Fachleuten zufolge weltweit massive Schwankungen an den Börsen, etwa an Aktien- und Schuldenmärkten, zu befürchten. Die Störungen auf dem Markt für Staatsanleihen würden sich schnell auf die Derivate-, Hypotheken- und Rohstoffmärkte ausbreiten, heißt es in einem Reuters-Bericht unter Hinweis auf Wall-Street-Experten. Denn Investoren würden die Gültigkeit von Staatsanleihen infrage stellen, die häufig als Sicherheiten für Geschäfte und Darlehen verwendet werden. In der Folge könnten Finanzinstitute ihre Geschäftspartner auffordern, die vom "Default" betroffenen Bonds zu ersetzen.

Selbst ein nur kurzfristiges Überschreiten des Schuldenlimits könnte zu einem sprunghaften Zinsanstieg, einem Einbruch der Aktienkurse und einem Verstoß gegen Kreditauflagen führen. Auch die Märkte für kurzfristige Finanzierungen würden wahrscheinlich einfrieren, weist Reuters auf eine Einschätzung von Moody’s Analytics hin.

Szenarien werden durchgespielt

Um auf mögliche Turbulenzen vorbereitet zu sein, spielen Banken, Makler und Handelsplattformen verschiedene Szenarien durch - etwa, wie Zahlungen auf Staatsanleihen abgewickelt würden. Zudem wollen sie sicherstellen, dass genügend Personal und Bargeld verfügbar sind und die technischen Systeme bereitstehen, um hohe Handelsvolumina zu bewältigen. Ferner wird geprüft, welche Auswirkungen auf Verträge mit Kunden es geben könnte. So haben große Bondinvestoren betont, dass viel Liquidität wichtig sei, um möglichen heftigen Kursschwankungen standzuhalten und um zu vermeiden, dass man zum ungünstigsten Zeitpunkt verkaufen muss. Etliche Online-Broker beraten daher mit Kunden, Branchengruppen und anderen Marktteilnehmern über Notfallpläne. (kle)