Zum Hauptinhalt springen

Sozialmärkte kämpfen mit Fixkosten

Von Sophia Freynschlag

Politik
Sozialmärkte verkaufen überschüssige oder leicht beschädigte Ware, die noch zum Verzehr geeignet ist.Foto:Pessenlehner

Studie zeigt große Unterschiede bei der Umsatzhöhe.
| Kein Mitbewerb zum Einzelhandel.


Wien. Der Sozialmarktsektor steht vor einer Strukturbereinigung, weil nur wenige Märkte kostendeckend wirtschaften und daher auf Förderungen sowie zum Großteil auf ehrenamtliche Mitarbeiter angewiesen sind. Das ist das Fazit einer Studie des Instituts für Handel und Marketing an der Wirtschaftsuniversität Wien unter 58 Sozialmärkten. Langfristig werden demnach nur jene Standorte überleben, die kostendeckend wirtschaften und funktionierende Kooperationen mit Handel und Industrie eingehen.

Bei der Umsatzhöhe zeigen sich große Unterschiede: Im Durchschnitt erwirtschaftet ein Standort rund 46.000 Euro jährlich. Rund die Hälfte der befragten Märkte macht jedoch pro Monat weniger als 2100 Euro Umsatz, womit laut den Studienautorinnen Christina Holweg und Eva Lienbacher Fixkosten wie Miete, Betriebsausgaben und Personalkosten kaum gedeckt werden können. Ein Viertel der Standorte gibt an, pro Jahr nur zwischen 5001 und 10.000 Euro Umsatz zu machen. 14 Prozent der Märkte machen mehr als 100.000 Euro Jahresumsatz.

Geldspenden auftreiben ist schwierig

"Für Sozialmärkte ist es schwierig, Geldquellen zur Kostendeckung zu finden", sagt Martina Goetz, Pressesprecherin des Wiener Hilfswerks, das seit Oktober 2008 einen Sozialmarkt in Wien-Neubau betreibt. Bei diesem Markt wird die Kooperation mit dem Arbeitsmarktservice (AMS) vom Europäischen Sozialfonds gefördert. Beschäftigt sind 8 fixe und 24 Transit-Mitarbeiter, also Langzeitarbeitslose, die ein halbes Jahr fit für den Arbeitsmarkt gemacht werden. Nur bei besonderen Gelegenheiten helfen Ehrenamtliche aus. Staatliche Unterstützung gebe es keine, daher rufe man zu Spenden auf.

Auch die Soma Sozialmärkte bitten auf ihrer Webseite um Waren- und Geldspenden. "Wir erhalten bei Strom und Miete keine Vergünstigungen", sagt Manfred Kiesenhofer, Leiter des Sozialmarktes in Linz, der 1999 als erster in Österreich eröffnete. Personalkosten entstehen diesem Markt keine, weil diese vom Magistrat Linz gefördert werden: 40 temporär Beschäftigte - darunter psychisch Kranke, körperlich Beeinträchtigte und Langzeitarbeitslose - werden auf einen Neubeginn am Arbeitsmarkt vorbereitet. Dazu kommen rund 40 Ehrenamtliche, die einige Stunden pro Woche helfen.

64 stationäre und fünf mobile Sozialmärkte gab es im Vorjahr laut der Studie, mittlerweile haben weitere Standorte eröffnet. Die Hälfte der Sozialmärkte wurde zwischen 2008 und 2010 gegründet. Nun sind österreichweit in fast allen großen Städten Märkte für Menschen mit geringem Einkommen zu finden.

Sozialmärkte sind gemeinnützig orientiert und verfolgen vorrangig drei Ziele: Geringverdienern helfen, Menschen den Einstieg in den Arbeitsmarkt erleichtern und die Umwelt entlasten, indem Lebensmittelabfälle vermieden werden. Die Händler müssen im Gegenzug nicht für die Kosten der Entsorgung aufkommen.

Hemmschwelle bei Älteren sehr hoch

Zu den Kunden zählen kinderreiche Familien, Mindestpensionisten, Familien mit Migrationshintergrund und Alleinerzieherinnen. Für den erforderlichen Einkaufsausweis müssen sie belegen, dass sie nicht mehr als die vorgegebene Höchstgrenze verdienen. Für einen Alleinstehenden liegt das maximal erlaubte Nettoeinkommen für den Markt in Linz zum Beispiel bei knapp 800 Euro.

Die Kunden seien vorwiegend im Alter bis 40 Jahre, sagt Kiesenhofer. "Bei Älteren, und vor allem am Land, ist die Hemmschwelle sehr hoch, in einen Sozialmarkt zu gehen." Für ältere und nicht mehr mobile Menschen hat Soma mit dem Roten Kreuz in den Linzer Randgemeinden wie Pasching, Leonding und Hörsching einen mobilen Sozialmarkt-Verkaufswagen eingerichtet. Ähnliches existiert in Niederösterreich mit dem "Waldviertelmobil", das unter anderem Gmünd, Horn und Waidhofen an der Thaya zweimal pro Woche anfährt.

Neun von zehn Sozialmärkte setzen ein Höchstlimit pro Einkauf fest, das laut Studie in der Regel auf 5 bis 15 Euro festgelegt ist. Der Sozialmarkt Linz erlaubt dreimal pro Woche einen Einkauf von 8 Euro, das entspricht je einem Betrag von 40 bis 65 Euro im regulären Handel.

Die Öffnungszeiten sind kürzer als bei den Handelsketten: Die Hälfte der befragten Geschäfte hat maximal 20 Stunden pro Woche offen. Das Hilfswerk hat heuer die Öffnungszeiten an einem Tag im Monat bis in den Abend ausgeweitet, damit auch Erwerbstätige Zeit zum Einkaufen haben.

Im Gegensatz zum Einzelhandel ist die Verkaufsfläche mit durchschnittlich 90 Quadratmetern kleiner. Die Ware wird zu einem symbolischen Preis angeboten, der bei rund einem Drittel des Preises bei Diskontern liegt. "Ein Liter Milch kostet bei uns 20 bis 40 Cent, je nach der in unserem Markt vorhandenen Menge", sagt Kiesenhofer. Im angeschlossenen Café im Linzer Markt wird auch ein warmes Mittagessen um 40 Cent angeboten.

Vom Handel und der Industrie wird Ware kostenlos zur Verfügung gestellt, die wegen Überschüssen oder Transportschäden nicht mehr verkauft werden kann, aber noch zum Verzehr geeignet ist. Im Sortiment finden sich Waren des täglichen Bedarfs wie Obst und Gemüse, Milch- und Tiefkühlprodukte. Knapp die Hälfte der Sozialmärkte verkauft Fleisch und Fisch, Körper- und Mundpflegeprodukte. Gelegentlich gibt es auch Kleidung, nicht im Sortiment finden sich hingegen Alkohol und Zigaretten. Brot und Gebäck wird oft bis zu einer bestimmten Menge verschenkt.

Die Auswahl ist eingeschränkt: "Wenn wir kein Salz bekommen haben, gibt es eben keines", so Kiesenhofer. Eine Grundregel des Soma Dachverbandes, dem rund die Hälfte der Sozialmärkte angehört, ist nämlich, keine Ware zuzukaufen. "Wir sind kein Billigdiskonter und kein Mitbewerber des Einzelhandels", betont Kiesenhofer.

Die Hälfte der Standorte macht laut einer Studie der Wirtschaftsuni Wien weniger als 2100 Euro Monatsumsatz