Zum Hauptinhalt springen

Tour de Force der Selbstbedienung

Von Peter Muzik

Wirtschaft

Tyrannen bereichern sich in armen Ländern. | Korrupte Clans kassieren überall ab. | Ihre Vermögen sind zumeist gut versteckt.


Der 41-jährige Sohn von Teodoro Obiang Nguema, seines Zeichens Diktator von Äquatorialguinea, lässt sich von einer deutschen Werft eine 118 Meter lange Luxusyacht für 280 Millionen Euro bauen. Er ist Agrarminister des westafrikanischen Kleinstaates und Vizepräsident der Einheitspartei seines Vaters, der seit 32 Jahren als korrupter Potentat regiert. 1979 hatte der heute 68-jährige Präsident per Putsch seinen Onkel gestürzt, ließ ihn töten und machte sich daran, mit eiserner Brutalität eines der repressivsten Regimes der Welt zu installieren.

Als in den frühen Neunzigerjahren im Golf von Guinea üppige Ölvorkommen entdeckt wurden, erkannte Obiang Nguema blitzartig seine Chance: Er nutzte den Öl-Boom, der das Bruttoinlandsprodukt in der Folge um 5000 Prozent steigen ließ, für zahllose private Deals und bereichert sich bis heute auf Kosten seines Landes, das dem Alleinherrscher als Geldautomat dient. Ein ausschweifender Lebenswandel, einige exquisite Anwesen in den USA, teure Luxuskarossen und mehrere Privatjets konterkarieren die Armut der Bevölkerung.

Mit einem geschätzten Privatvermögen von drei Milliarden Dollar reiht sich Obiang Nguema, der sich von seinem Staatsfunk zum "Gott von Äquatorialguinea" ausrufen hat lassen, in die unsägliche Gilde der korruptesten Polit-Ganoven der Welt ein. Diese Spezies terrorisiert vor allem Afrika, wo Langzeit-Herrscher massenhaft staatliche Gelder in privates Vermögen zu verwandeln pflegen. Gemessen an den jüngst publik gewordenen Beispielen ist der lange Zeit von der US-Regierung durchaus geschätzte Präsident aber eine ebenso kleine Nummer wie seine allesamt autoritär herrschenden Kollegen in Angola, Elfenbeinküste oder im Sudan.

Als politische Mega-Gauner schlechthin wurden soeben der ägyptische Präsident Hosni Mubarak - der sich drei Jahrzehnte an der Macht hielt - und der libysche Ex-Revolutionsführer Muammar Gaddafi entlarvt, der seit seinem Militärcoup 1969 sagenhaften Reichtum angehäuft hat. Wie wohlhabend die beiden Despoten tatsächlich sind, ist allerdings enorm schwer abzuschätzen, weil sie letztlich für ein weit verzweigtes, praktisch undurchschaubares System krimineller Natur stehen.

Mubarak vor Carlos Slim?

Im Fall Mubarak, der eine Monatsgage von bloß 800 Dollar bezog, pendeln die Vermutungen von 30 bis 70 Milliarden Dollar. Die Familie wäre demnach im Extremfall sogar reicher als der zuletzt von "Forbes" als Nummer eins titulierte mexikanische Multi-Milliardär Carlos Slim. Ein beträchtlicher Teil des Vermögens befinde sich laut Medienberichten im Besitz der Mubarak-Söhne Gamal und Alaa sowie von Ehefrau Susan. Obendrein sollen bei dubiosen Machenschaften auch mehrere Ex-Minister, die mittlerweile unter Hausarrest stehen, mitgeschnitten haben und somit zu beträchtlichem Wohlstand gelangt sein. Die ägyptische Nehmer-Clique rund um den Ex-Staatschef steht im Verdacht, bei Privatisierungen die Hände aufgehalten oder Investoren illegal zur Kasse gebeten zu haben.

Die Mubarak-Gelder liegen laut Experten großteils auf Nummernkonten und in Banksafes nicht nur Schweizer Banken, sondern auch in London, Singapur und Dubai, weiters sind angeblich namhafter Immobilienbesitz und Firmenbeteiligungen in den Bereichen Hotellerie und Autohandel in großer Anzahl vorhanden. Die Schweiz hat auf Ersuchen Kairos als erste bereits vermeintliche Mubarak-Konten eingefroren.

Österreich als Anlegerhafen

Der 68-jährige Gaddafi wiederum kämpft derzeit nicht bloß ums politische Überleben , sondern auch um einen Berg Geld. Das finanzielle Netzwerk seiner Clique besteht nicht nur aus Bankkonten, sondern aus Stiftungen, Scheinfirmen, Immobilien und diversen Beteiligungen. Die Grenze zu staatlichen Companys wie der 70 Milliarden Dollar schweren Libyan Investment Authority ist fließend, weil der Colonel schon immer an den Petrodollars partizipiert hat. Laut Zeitungsberichten wurden allein in Österreich um die 30 Milliarden angelegt, wobei die Nationalbank erst einen Teil davon identifizieren konnte.

Mubarak und Gaddafi stellen nicht nur den tunesischen Präsidenten Zine El-Abidine Ben Ali in den Schatten, der gemeinsam mit der Sippe seiner Frau Leila in 24 Amtsjahren bloß geschätzte zehn Milliarden Dollar ergaunern konnte. Sie schlagen auch jene zwei Herren klar, die bislang als Rekordhalter gegolten hatten: den indonesische Diktator Suharto und seinen philippinischer Counterpart Marcos.

Jahrelang lag Mohamed Suharto in einem von Transparency International veröffentlichten Top-10-Ranking der korruptesten Politiker auf Platz eins. Der frühere indonesische Präsident, der sich von 1967 bis 1998 an der Macht gehalten hatte, soll sich bis zu 35 Milliarden Dollar unrechtmäßig angeeignet haben. Auch Ferdinand Marcos, 21 Jahre lang philippinischer Präsident, plünderte samt Ehefrau Imelda sein Land skrupellos aus. Als Großmeister in Sachen Bestechung strich er bei der Privatisierung von Staatsfirmen oder diversen Monopolen (wie bei Zucker) kräftig Geld ein. Als er 1986 ins Exil nach Hawaii fliehen musste, hatte er zumindest zehn Milliarden an sich gerafft - laut anderen Schätzungen weit über hundert.

Zur Verantwortung gezogen wurde letztlich keiner der beiden: Ein Gerichtsverfahren gegen den nach Studentenunruhen zurück getretenen Suharto wegen Korruption wurde im Jahr 2000 aus gesundheitlichen Gründen eingestellt. Der Ex-Präsident starb 2008 im Alter von 87 Jahren. Marcos wiederum verstarb frühzeitig, nämlich 1989, an einer Herzattacke. Witwe Imelda musste noch hunderte Gerichtsverfahren über sich ergehen lassen - doch abgesehen von 684 Millionen Dollar, die von der Schweiz an die Philippinen retourniert wurden, tauchten nur geringe Teile des Marcos-Vermögens wieder auf.

Zu den notorischen Kleptokraten der Superklasse (siehe Kasten) zählten in der Vergangenheit so unterschiedliche Typen wie Mobutu Sese Seko (Zaire), Saddam Hussein (Irak) oder Slobodan Milosevic (Jugoslawien). Noch in Amt und Würden ist beispielsweise König Mswati III. (Swasiland), dessen luxuriöser Lebensstil samt praktizierter Vielweiberei das Land enorm belastet.

Auch der 73-jährige Islom Karimov, der seit der Unabhängigkeit Usbekistans 1991 als Staatspräsident fungiert und sich von den Untertanen als "Held Usbekistans" feiern lässt, kassiert munter ab. Obwohl, für ihn erledigt das primär seine Tochter Gulnora, die es bis zur Vize-Außenministerin brachte und auf Geheiß des Herrn Papa ein milliardenschweres Wirtschaftsimperium auf die Beine stellte, zu dem auch mehrere Nachtklubs in Taschkent gehören.

In Nordkorea wiederum leistet sich der bizarre Steinzeit-Kommunisten Kim Jong-il ebenfalls ein extrem aufwendiges Dasein. Der bald 70 Jahre alte "Geliebte Führer" genießt etwa, abgesehen von einem Dutzend nobler Residenzen, iranischen Kaviar, Hennessy Cognac und dänischen Schinken, und um dies zu finanzieren, zweigt er alljährlich angeblich rund 200 Millionen Dollar bei illegalen Aktivitäten sowie diversen Tourismusprojekten in seine private Kassa ab. Alles in allem soll er mindestens vier Milliarden Dollar schwer sein. Wie und wo er diese angelegt hat, bleibt wahrscheinlich ein Rätsel.

Rückgabe unwahrscheinlich

Die Schweiz, die traditioneller Weise die dubiosen Gelder vieler Potentaten magisch anzieht, dürfte in seinem Fall keine Rolle spielen. Das Alpenland versucht sich als Vorreiter beim Kampf gegen Polit-Diebe zu profilieren.

Deshalb gab sie vor Jahren 74 Millionen Dollar zurück, die der frühere mexikanische Staatspräsident Carlos Salinas ins Ausland schaffen ließ. Das Geld war gemäß Begründung "offensichtlich kriminellen Ursprungs". Auch 683 Millionen Dollar, die sich Ferdinand Marcos unter den Nagel gerissen hatte, wurden an die philippinische Regierung überwiesen. Schließlich hat die eidgenössische Regierung rund 600 deponierte Millionen des früheren nigerianischen Tyrannen Sani Abacha an Nigeria rückerstattet. Mitte 2010 wurde dessen Sohn Abba Abacha in Genf wegen Mitgliedschaft bei einer kriminellen Organisation und Geldwäscherei zu 24 Monaten bedingt verurteilt. Nigeria forderte insgesamt 400 Millionen Dollar zurück, die sein Vater in Luxemburg und auf den Bahamas angelegt hatte.

Freilich: In der Regel kommt es kaum zu klaren Konsequenzen und werden veruntreute Gelder nur selten den eigentlichen Besitzern ausgehändigt. Die Demokratische Republik Kongo etwa wollte 7,7 Millionen Franken, die Ex-Präsident Mobutu auf einem Schweizer Konto deponiert hatte, zurück - und blitzte ab. Der Mobutu-Clan durfte das Geld behalten, weil die Forderung bereits verjährt ist. Die Buhmänner Gaddafi und Mubarak dürfen hoffen, dass sich die Suche nach ihren schmutzigen Geldern ähnlich schwierig gestalten wird.