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Gesetz verschont Top-Lobbyisten

Von Peter Muzik

Wirtschaft

Neues Gesetz trifft vor allem kleine Lobbyisten voll. | Die Sozialpartner wollen hauptsächlich ihre Ruhe haben. | Sehr starker Widerstand gegen den Entwurf.


Auf der Internetseite www.alpac.at ist das drohende Lobbying- und Transparenz-Gesetz erstaunlicherweise noch kein Thema. Zwar preist der Austrian Lobbying & Public Affairs Council (Alpac), eine Plattform für die rare Spezies bekennender Lobbyisten, dort seinen Verhaltenskodex aus dem Jahr 2004 an - über die Zukunft verliert er indes kein Wort. Dabei können sich gerade die Alpac-Mitglieder, darunter das Agentur-Duo Peter Köppl und Andreas Kovar, der ehemalige Kanzler-Sekretär Karl Krammer oder der Politikberater Feri Thierry, auf beträchtliches Ungemach gefasst machen. In dem sieben Druckseiten umfassenden Entwurf zum Lobbying-Gesetz, der sich bis 19. Juli in der Begutachtungsphase befindet, braut sich so manches zusammen, was dem imagemäßig ramponierten Berufsstand ziemlich zusetzen wird.

Wer in diesem Metier tätig ist, muss sich nämlich im Herbst in das geplante Interessenvertretungs-Register (IVR) eintragen lassen, was immerhin 900 Euro kosten wird, seine Auftraggeber samt Honorar-einnahmen penibel bekanntgeben und sich obendrein nicht nur an branchenübliche Ehrenregeln, sondern auch an vorgegebene Entgelt-Richtlinien halten. Wer das nicht tut, kann eine Verwaltungsstrafe bis zu 60.000 Euro ausfassen und wird im Extremfall sogar mit Berufsverbot bestraft.

Betroffen sind - neben den klassischen Lobbyisten - auch etliche Unternehmen, die solche beschäftigen, weiters Selbstverwaltungskörper und Interessenverbände wie Arbeiter- und Wirtschaftskammern, Gewerkschaftsbund oder NGOs sowie sogenannte „Interessenvertretungs-Unternehmen”. Damit sind Firmen gemeint, „zu deren Geschäftsgegenstand auch der Abschluss und die Erfüllung von Lobbying-Aufträgen zählt” (Gesetzesentwurf).

Nicht tangiert sind hingegen unentgeltliche Tätigkeiten, solche in Ausübung einer Funktion der öffentlichen Hand, einschlägige Initiativen im diplomatischen und konsularischen Bereich sowie die „unmittelbare Rechtsberatung” von Anwälten, Notaren oder Wirtschaftstreuhändern. Nicht als Lobbying eingestuft werden schließlich einschlägige Aktivitäten von Parteien.

„Ich war immer Berater,

aber kein Lobbyist”

Der Gesetzesentwurf sorgt seit Wochen bei allen, die Entscheidungsprozesse der heimischen Gesetzgebung und Verwaltung - wie auch immer - beeinflussen möchten, für heftige Reaktionen und breite Definitionsprobleme.

Etwa äußerten WKO-Generalsekretärin Anna-Maria Hochhauser und AK-Direktor Werner Muhm unisono große Verwunderung, dass ihre Interessenvertretung damit auf eine Stufe mit schwarzen Schafen wie Ernst Strasser oder den dubiosen Ex-PR-Haien Peter Hochegger und Walter Meischberger gestellt werde. Hochhauser möchte vermeiden, dass „aus ganz bestimmten Anlässen heraus eine gesamte Branche mit Bürokratie” belastet werde.

Die Kammern etwa, die als perfekte Lobbying-Maschinerien gelten, müssen sich zwar samt der bei ihnen beschäftigten Lobbyisten in das Register eintragen lassen, werden aber bevorzugt behandelt. Immerhin bleiben ihnen konkrete Angaben über Lobbying-Maßnahmen bzw. dabei entstehende Kosten erspart. WKO-Boss Christoph Leitl, AK-Chef Herbert Tumpel oder Landwirtschaftskammer-Präsident Gerhard Wlodkowski werden daher mit dem neuen Gesetz aller Voraussicht nach keine besonderen Probleme haben - kleine PR-Agenturen hingegen, die für ihre Kunden bisweilen heikle Aufgaben übernehmen, schon.

Die Kernfrage, wer eigentlich ein professioneller Lobbyist sei und wer etwa unter die Bezeichnungen Interessenverband, Interessenträger oder Interessenvertreter falle, sorgt jedenfalls für beträchtliche Verwirrung. Alfons Mensdorff-Pouilly, der sich jahrelang den Ruf eines cleveren Waffenlobbyisten erworben hatte, lieferte dazu die wohl originellste Wortmeldung. In einem „Format”-Interview lüftete er nämlich ein veritables Geheimnis: „Ich war immer Berater, aber nie Lobbyist.”

Ohne Honorar dürfen

die Politiker einflüstern

Nachdem Lobbying in diesem Lande ein negativ besetzter Begriff, weil nah an der Grenze zur Korruption angesiedelt ist, bekennen sich nur die wenigsten unverblümt dazu. Für den Sparkassenverband beispielsweise handelt es sich dabei um seine wichtigste Aufgabenstellung. Angeführt vom VP-Abgeordneten Michael Ikrath als Generalsekretär vertritt er die 52 österreichischen Sparkassen mit der Erste Bank als Spitzeninstitut „auf nationaler und internationaler Ebene nach außen” und versteht sich als „Kontaktstelle zu Behörden und anderen österreichischen und EU-Interessenvertretungen”.

Ein recht unverkrampftes Verhältnis zur bisweilen dubios anmutenden Materie hat auch die WK-Organisation „Frau in der Wirtschaft”, deren Bundesvorsitzende die VP-Parlamentarierin Adelheid Fürntrath-Moretti ist. Sie bezeichnet sich selbst als „Lobby für 100.000 Unternehmerinnen” und nützt ein starkes Netzwerk aus weiblichen Repräsentantinnen, die etwa im Nationalrat, Bundesrat, den Landtagen und Gemeinden politisch tätig sind.

Das vorrangige Ziel: „Verbesserungen der Rahmenbedingungen für Unternehmerinnen durch persönliche Kontakte in Politik und Wirtschaft zu promoten”.

Andere Institutionen dagegen vermeiden es tunlichst, auch nur im Entferntesten in den Geruch eines Lobbying-Instruments zu geraten: Der Raiffeisenverband zum Beispiel, der ebenfalls von einem schwarzen Abgeordneten geleitet wird - nämlich von Generalsekretär Ferdinand Maier -, definiert sich sich nicht bloß als Revisionsorgan, sondern als Interessenvertretung „gegenüber allen relevanten nationalen und internationalen Institutionen und Behörden”. Die Raiffeisen-Gruppe in Österreich, mit fast 57.000 Mitarbeitern, 2,1 Millionen Mitgliedern und vier Millionen Kunden ein führender Wirtschafts-Gigant, hat im Normalfall kein Problem, ihre vielfältigen Wünsche klammheimlich, bevorzugt hinter den Kulissen, durchzusetzen.

Raiffeisen-Reich verfügt über großen Einfluss

Um welche Ziele es sich handelt, wie sie erreicht werden und wer dabei die Fäden zieht, bleibt allerdings weitgehend unbekannt. Nur eines ist bei aller fehlenden Transparenz klar: Die wirtschaftliche Macht dieses Kolosses, der unter anderem aus 1600 selbständigen Genossenschaften besteht, lässt sich von der Politik kaum ignorieren. Allein die 95 Lagerhäuser haben 121.000 Mitglieder, die 118 Molkereien rund 64.000, und das Spitzeninstitut RZB, die acht Raiffeisenlandesbanken und die 551 Raiffeisenbanken können gar auf 1,7 Millionen Mitglieder verweisen.

Der bereits im Jahr 1946 gegründete Bankenverband, der die Interessen von 63 ordentlichen und 19 außerordentlichen Mitgliedern vertritt, und der Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs (VVO) zählen ebenfalls zu den durchsetzungsstärksten Brancheninstitutionen des Landes. Der VVO hat derzeit 143 Mitglieder, wovon 127 in Österreich aktiv sind und im Vorjahr ein Prämienvolumen von insgesamt 16,748 Milliarden Euro geschafft haben. Die vertretenen Versicherungen beschäftigen im Innen- und Außendienst mehr als 26.000 Mitarbeiter.

In etlichen Fällen sitzen die eigentlichen Spitzen-Lobbyisten so wie GPA-djp-Chef Wolfgang Katzian direkt an der Quelle, nämlich im Parlament. Dabei steht im Gesetzesentwurf, dass Politiker, ebenso wie Beamte und Vertragsbedienstete, während der Dauer ihrer Tätigkeit nicht als Lobbyisten agieren dürfen - zumindest nicht entgeltlich. Womit die Welt also letztlich wieder heil wäre ...