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Schweizer Firmen fragen: "Nehmt ihr auch Euro?"

Von Stefan Melichar

Wirtschaft

Sogar Zulieferer im eigenen Land werden in Euro bezahlt. | Wirtschaftsmotor gerät vorübergehend ins Stottern. | Schweiz bis zu einem gewissen Grad "Opfer des eigenen Erfolges".


Die Bergidylle der Schweizer Alpen
© © Bergfee - Fotolia

Bern/Wien.Das Land gilt als Hort der Stabilität, ist ein Mekka für qualifizierte Fachkräfte aus aller Welt, besticht durch Vollbeschäftigung, wurde vom World Economic Forum 2010 zum zweiten Mal in Folge zum Weltmeister der Wettbewerbsfähigkeit gekürt und wird von der EU-Kommission als innovativster Standort Europas bezeichnet. Da verwundert es nicht, dass in Zeiten, in denen sowohl über den USA als auch über der Eurozone das Gespenst des Staatsbankrotts schwebt, Investoren ihr Geld in die Schweiz bringen.

Gerade das könnte dem eidgenössischen Wirtschaftswunder nun einen spürbaren Dämpfer verpassen: Durch die große Nachfrage nach dem - als besonders sicher geltenden - Franken ist dessen Kurs laut dem Schweizer Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) - inflationsbereinigt und gewichtet gegenüber den wichtigsten 40 Handelspartnern - auf ein Allzeithoch gestiegen. Allein gegenüber dem Euro und dem US-Dollar legte der Franken seit Anfang 2010 um rund 30 Prozent an Wert zu.

Geringere Gewinne

Das wird für die Exportwirtschaft, die als Rückgrat des Schweizer Wirtschaftswachstums gilt, zunehmend zum Problem. Laut Seco haben viele Firmen ihre Exportpreise in Franken senken müssen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Dies gehe zulasten der Gewinnspannen und könne kaum über längere Zeit fortgesetzt werden. Laut einer Umfrage des Industrieverbands Swissmem schrieb zuletzt bereits ein Viertel der Unternehmen des Sektors rote Zahlen.

Seco geht davon aus, dass der Konjunkturaufschwung "vorübergehend ins Stottern geraten" wird. Während für 2011 noch ein solides Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 2,1 Prozent erwartet wird, musste die Prognose für 2012 von plus 1,9 auf plus 1,5 Prozent gesenkt werden.

"Die Schweizer Exportwirtschaft ist auch Opfer des eigenen Erfolgs", meint Gudrun Hager, Außenhandelsdelegierte der Wirtschaftskammer Österreich in der Schweiz, mit Verweis auf einige der eingangs erwähnten Vorzüge des Wirtschaftsstandorts. Es werde nicht damit gerechnet, dass die Frankenstärke bald nachlasse. Zum Verdauen der Margen-Einbußen wollen viele Firmen die Innovationskraft verstärken und neue Produkte rascher an die Kunden bringen. Darüber hinaus wird versucht, die Produktivität zu steigern.

Produktion verlagert

Eine Möglichkeit, die viele Betriebe nutzen, um bei Exporten in den Euroraum wettbewerbsfähig zu bleiben, ist das Drücken ihrer Einkaufspreise. Einerseits wird verstärkt nach Zulieferern aus dem Euroraum gesucht, um vom starken Franken zu profitieren. Andererseits sind manche Großunternehmen dazu übergegangen, ihre Schweizer Zulieferer in Euro zu bezahlen - und die Währungsproblematik weiterzureichen.

Bei vielen Verhandlungen zwischen Firmen komme irgendwann die Frage "Nehmt ihr auch Euro?", erzählt Hager. In der Folge würden freilich vor allem kleinere Betriebe zu den ersten Verlierern der Frankenstärke. Zunehmend würden Firmen auch ihre Produktion ins Ausland verlagern.

Insgesamt zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen einzelnen Branchen: Laut Analyse der Wirtschaftskammer Österreich entfallen knapp 40 Prozent der Schweizer Exporte auf den Chemie- und Pharmabereich, der Währungsschwankungen relativ gut verkrafte. Irgendwann scheint allerdings auch hier der Plafonds des Verkraftbaren erreicht. Laut Hager konnten im zweiten Quartal 2011 nur noch bei Qualitätsprodukten wie den berühmten Schweizer Uhren oder auch bestimmten Metall- und Elektronikerzeugnissen Exportzuwächse erzielt werden.

Tourismus betroffen

Ein Sektor, den die Frankenstärke besonders hart trifft, ist der Tourismus. Die Schweizer haben entdeckt, dass sie nun zum Beispiel in Österreich deutlich günstiger urlauben können als im eigenen Land. Der Preis ist - nach Servicequalität und Attraktivität der Destination - laut Hager bereits der drittwichtigste Grund, dass Schweizer nach Österreich kommen.

Umgekehrt versuchen heimische Unternehmen ihren Wettbewerbsvorteil in der Schweiz auszuspielen: Die Zahl jener Firmen, die von der Außenwirtschaftsorganisation bei ihren Schweizer Geschäften unterstützt werden, ist von 2008 bis 2010 um 300 auf 1700 gestiegen. Von Jänner bis April 2011 legten die österreichischen Exporte in die Schweiz im Jahresvergleich um stolze 28,9 Prozent zu, die Importe um 24,7 Prozent.

Bauwirtschaft brummt

Zwar ist der Außenhandel eine wichtige Stütze der eidgenössischen Wirtschaft, es gibt jedoch auch noch andere: Durch die starke Zuwanderung und die tiefen Zinsen brummt die Bauwirtschaft. Laut Staatssekretariat Seco dürften die Bauinvestitionen heuer um rund 5 Prozent zulegen. Auch der Privatkonsum soll Zuwächse verzeichnen.

Der traditionell bedeutsame Finanzplatz Schweiz ist - nach der Finanzkrise und heftigen internationalen Angriffen auf das Bankgeheimnis - nun auf dem Weg zu einem nachhaltigeren Zukunftsmodell. Den beiden Großbanken UBS und Credit Suisse soll eine deutliche höhere Kapitalausstattung vorgeschrieben werden, um besser für künftige Krisen gewappnet zu sein. Dem Vorwurf, betuchten Bankkunden bei der Steuerflucht zu helfen, versucht die Schweiz mit zahlreichen Doppelbesteuerungsabkommen den Wind aus den Segeln zu nehmen.