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Im Kampf der Währungen ist jedes Mittel recht

Von Reinhard Göweil

Wirtschaft

Euro legt trotz Krise im weltweiten Devisenhandel zu, Dollar verliert. | China bereitet Yuan auf neue Großmachtrolle vor.


Wohin steuert die Welt? Was geht eigentlich in der Finanzindustrie vor? Bange Fragen, deren Antworten ein Zentralbanker, der namentlich nicht genannt werden wollte, so zusammenfasst: "Was ist schon normal in diesen Zeiten? Was auf den Finanzmärkten passiert, verstehen auch wir derzeit nicht." Offiziell müssen Notenbanker immer so auftreten, als ob Marktreaktionen genau das sind, was sie in ihren Analysen erwartet haben. Nun, sie sind es nicht.

In das Währungsgefüge von Dollar und Euro mischen sich neue Töne. Nicht nur Rohstoffe wie Gold und der spekulativ schwer überschätzte Schweizer Franken werden als "sichere Häfen" benutzt, auch der chinesische Yuan und der Singapur-Dollar gelten als "Ausweich-Veranlagung". Dabei sind letztere nicht einmal "konvertible" Währungen, wie es im Fachjargon heißt. Der Wechselkurs des Yuan errechnet sich nämlich nicht aus dem freien Spiel von Angebot und Nachfrage, sondern wird von der chinesischen Zentralbank, der Peoples’ Bank of China, willkürlich festgesetzt. Die Kapitalverkehrskontrollen in China sind strikt, Portfolioinvestitionen von Privatpersonen beispielsweise gänzlich verboten.

Die USA kritisieren seit Jahren, dass China seine Währung künstlich niedrig hält, um den Export zu stützen. Geholfen hat das nicht viel bisher. Umgekehrt erlaubt es der - in Devisen vorliegende - enorme Handelsüberschuss Chinas, dass das riesige Land zum größten Gläubiger der USA (und in Kürze auch Europas) geworden ist. China kauft damit Staatsanleihen, die von Amerika und Europa begeben werden, um die öffentliche Schuld zu refinanzieren. 21.000 Milliarden Euro macht der transatlantische Schuldenberg mittlerweile aus.

Euro-Marktanteil steigt auf 26,3 Prozent

Grob verkürzt könnte man sagen, dass die kommunistische Partei Chinas den westlichen Kapitalismus aufrecht erhält. Und dem Euro zu steigender Bedeutung verhilft.

Wobei bei allem Krisengerede um den Euro eines verblüffend ist: Der globale "Marktanteil" des Euro als Devisenreserve ist von 26 auf 26,3 Prozent leicht gestiegen. Der Umsatz-Anteil am weltweiten Devisenhandel ist um einen Prozentpunkt auf 19,5 Prozent gestiegen, wie offizielle Daten der Europäischen Zentralbank in deren "Bericht über die internationale Rolle des Euro" ausweisen. Bei den Importen in den Euro-Raum stieg das Volumen der Euro-Rechnungen gar um fünf Prozentpunkte. Dies ist deshalb interessant, weil Euro-Rechnungen keine Inflation mehr importieren.

Noch deutlicher sind die Zahlen im Zehn-Jahres-Vergleich: Die weltweit gehaltenen Devisenreserven im Dollar sind seit 2000 von 68 auf 61 Prozent gefallen, der Euro legte von 20 auf mehr als 26 Prozent zu.

Vor allem Länder wie China und Russland sind es, die den Euro verwenden, um ihre Abhängigkeit vom US-Dollar zu reduzieren.

Und noch eines ist interessant: Die Finanzkrise ist - gemessen an den gehandelten Summen - eher spurlos an den Devisenmärkten vorübergegangen. Im April 2007 lag das Devisen-Handelsvolumen bei 3,3 Billionen Dollar. Im April 2010 waren es bereits vier Billionen Dollar.

Trotzdem steigerte der Euro seine globale Bedeutung. Und der Kurs der Gemeinschaftswährung zum Dollar ist mit mehr als 1,40 nach Ansicht von Experten fundamental überbewertet. Nach Kaufkraftvergleich wäre, so interne Papiere der EZB, ein Kurs von 1,20 viel näher an der Wahrheit.

Ist das Gerede von der Euro-Krise also übertrieben? Nun, das Volumen sagt nichts über den Zustand des Währungsraums aus. "Nicht der Euro befindet sich in einer Krise, sondern die Euroländer mit ihren hohen Defiziten und Schulden", sagte Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny kürzlich. "Das Kapital sucht Veranlagung, und nachdem es im Moment aus den Aktien flüchtet, geht es in Staatsanleihen", ergänzte Peter Mooslechner, Chef der volkswirtschaftlichen Abteilung in der Notenbank.

Schuldenkrise macht Euro-Bonds zum Thema

Um die Schuldenproblematik in den Griff zu kriegen, wird derzeit wieder die Idee von "Euro-Bonds" diskutiert. Das ist die gemeinsame Refinanzierung der Schulden aller Euroländer durch eine EU-weite Agentur. Derzeit liegt dies in nationalen Händen, was mit ein Grund ist, warum die Euro-Zinsen so unterschiedlich sind. Von 2,6 Prozent in Deutschland bis zu 15 Prozent in Griechenland.

Aus Währungssicht wären Eurobonds - so Anleihehändler - durchaus zu begrüßen. "Es würde ein Euro-Markt entstehen, der annähernd so groß ist wie der Dollar-Markt", erklärte ein Analyst. Dieser Markt wird auf mindestens sechs Billionen Euro geschätzt.

Für die amerikanische Währung wäre dies eine enorme Konkurrenz. China hat bereits angekündigt, an einem solchen Produkt großes Interesse zu haben.

Die USA haben dementsprechend wenig Freude damit, denn bisher gibt es am Dollar kein Vorbeikommen, und die Vereinigten Staaten tun sich nach wie vor - trotz Herabstufung - leicht, die erforderlichen Mittel auch aufzustellen.

Mit einem gemeinsamen europäischen Anleihemarkt wäre dies in Frage gestellt. "In den USA wird dies klar torpediert, Europa schlecht geredet", meinte schon vor längerer Zeit Hannes Androsch.

Politische Allianzen im Streit um Währungen

Der Kampf um die Währungen wird natürlich auch auf politischer Ebene geführt. Als vor wenigen Tagen die US-Notenbank Fed US-Ableger europäischer Banken auf ihre Kapitalaustattung prüfte, wurde dies in den amerikanischen Zeitungen glatt als Zweifel an der europäischen Bonität interpretiert. Die Aktien von Euro-Banken stürzten ab.

Der amerikanische Finanzminister Timothy Geithner reiste zu Jahresbeginn nach Brasilien, um Unterstützung für seine Forderung zu erhalten, die chinesische Währung Yuan aufzuwerten. Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff reagierte eher kühl.

Dass die US-dominierten Ratingagenturen die griechische, irische und portugiesische Kreditwürdigkeit öfters medienwirksam kurz vor EU-Finanzministertreffen abwerteten, wird in Brüsseler Kommissionskreisen nicht als zeitlicher Zufall eingestuft.

Die offizielle, aber anonyme chinesische Nachrichtenagentur ist auch immer zur Stelle, um finanzpolitische Ereignisse zu kommentieren. Als die USA wegen des Streits um die Lösung der Schuldenproblematik ihr AAA-Rating verloren, war diese Agentur sogleich mit guten Ratschlägen zur Stelle: Die USA sollten bei sozialen Ausgaben und dem Militär sparen. Dass China gerade einen Flugzeugträger baute, was die US-Navy beunruhigend findet, verschwieg die von der chinesischen KP kontrollierte Agentur wohlweislich.

Auf dem Weg zur Weltmacht kommt zuerst das Geld, dann das Militär - eine geschichtliche Lektion, die sich die Chinesen wohl von den Briten abschauten.

Um die eigene Währung, den Yuan, auf künftige Großmachtaufgaben vorzubereiten, ist es notwendig, die strengen Kapitalverkehrskontrollen abzubauen. Als Labor dafür steht die ehemalige britische Kronkolonie und jetzige Sonderverwaltungszone Hongkong zur Verfügung. Dort ist finanziell fast alles möglich, Hongkong geht heute als Steueroase locker durch. Nun soll über die Hongkonger Börse der Yuan (oder Renminbi, wie die Währung auch genannt wird - siehe Kasten unten) an den Märkten getestet werden. Anleihen in chinesischer Währung sollen über Hongkong genauso gehandelt werden wie Aktien und die Abwicklung von Exportgeschäften - in Yuan. Europas Exporteure werden sich daran gewöhnen müssen, ihre Geschäfte in Yuan abzuwickeln. Und die westlichen Banken werden Kurssicherungsgeschäfte dafür entwickeln müssen.

"Die Zeit der Dominanz des Dollar ist vorbei"

"Die Zeit der Dollar-Dominanz ist vorbei", erklärte Chinas Präsident Hu. Die großen amerikanischen Investmentgesellschaften und die europäischen Handelshäuser reagierten darauf, indem sie Milliarden in Derivativ-Produkte für Rohstoffe schaufelten. Von Gold bis Reis stiegen die Preise astronomisch - bis zu 60 Prozent -, natürlich notieren diese Preise in US-Dollar.

Das rohstoffhungrige China steht nun vor dem Problem, Inflation zu importieren. Das führt in der Industrie zu einer Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit, tausende Fabriken sperrten zu. In den ländlichen Regionen im Norden Chinas kommt es zu sozialen Unruhen, da sich viele die hohen Nahrungsmittelpreise nicht mehr leisten können.

Die USA, aber auch Europa schauen zu, wie Markt-Teilnehmer und Dollar ihre verheerende Wirkung entfachen. Ähnliches geschieht in Ostafrika, dort sind wegen der Dürre nach UN-Schätzungen mehr als 29.000 Kinder an Hunger gestorben.

Dollar profitiert von Rohstoff-Notierungen

Krieg der Währungen? Ja, stellvertretend fürs Militär. Denn die sogenannten "Finanzmärkte" sind alles andere als funktionierende Märkte, auf denen jeder dieselbe Chance bekommt. Es gibt weltweit etwa 12.000 Anleihehändler. Verglichen mit jährlich fast 30.000 Firmen-Neugründungen allein in Österreich, bestimmt somit eine kleine Anzahl von Menschen über das Wohl von Währungen und den dahinter stehenden Ländern.

Eine andere "Front" im Krieg der Währungen ist ihr Gebrauch außerhalb des eigentlichen Währungsraums. Da Rohstoffe und Ressourcen weltweit in Dollar gehandelt werden, hat hier die US-Währung weit die Nase vorn. Saddam Hussein im Irak und Hugo Chavez in Venezuela liebäugelten zwar mit Euro-Notierungen der Erdölvorkommen ihrer Länder. Dabei blieb es dann aber auch.

Daneben werden Dollar und Euro auch als Zahlungsmittel von Privaten und Kleinunternehmen in ihrem näheren Umfeld benutzt. An der gesamten türkischen Riviera kommt der Tourist ohne türkische Lira aus, und auch in den meisten osteuropäischen Ländern kann mit Euro bezahlt werden. Die Europäische Zentralbank schätzt, dass Banknoten im Wert von etwa 107 Milliarden Euro außerhalb des Euroraums zirkulieren. Das sind 13 Prozent des gesamten Euro-Umlaufs. Beim Dollar sind es sogar geschätzte 75 Prozent.

Im Kampf der Währungen ist der US-Dollar also klar die Nummer eins. Es geht dem "Greenback" aber ein bisschen wie einem Monopolisten nach der Liberalisierung: Er kann nur Marktanteile verlieren. Die Frage ist nur, wie schnell und wie viel.

Wissen

(hes) Eine Währung, zwei Bezeichnungen - damit sorgt China oft für Verwirrung: Renminbi oder Yuan meinen dieselbe Währung, aber in unterschiedlichem Kontext: Während Renminbi (übersetzt etwa "Volkswährung") die Währung an sich benennt, bezieht sich Yuan auf die Zähleinheit - ähnlich wie ursprünglich auch beim britischen Pound Sterling.

In China werden Preise freilich oft in Jiao und Fen ausgehandelt, den Yuan-Untereinheiten. Der Grund: Viele arme Landbewohner bekommen selten Yuan-Geldscheine oder -Münzen in die Hand.