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Bankensystem hat Sand im Getriebe

Von Karl Leban

Wirtschaft
Immer mehr Geldhäuser gehen auf Nummer sicher und verfrachten ihre überschüssige Liquidität zur EZB.

Schuldenkrise: Banken misstrauen einander zunehmend. | Eintägige Einlagen bei EZB steigen auf 129 Milliarden Euro.


Frankfurt. Das verheißt gar nichts Gutes: Der Geldkreislauf innerhalb des europäischen Bankensektors gerät ins Stocken. Finanzinstitute misstrauen einander immer mehr. Sie leihen sich gegenseitig weniger Geld und deponieren überschüssige Liquidität lieber bei der Europäischen Zentralbank (EZB), was ihnen offenbar sicherer erscheint.

Grund dafür ist die Euro-Schuldenkrise. Bei den Banken macht sich die Sorge breit, dass andere Institute durch mögliche Abwertungen der von ihnen gehaltenen Staatsanleihen gravierende Probleme bekommen könnten. Von den hoch verschuldeten Staaten wären dann in solch einer Situation keine neuen Milliardenhilfen zu erwarten, wird befürchtet.

Zuletzt haben die Banken des Euroraums über Nacht 128,7 Milliarden Euro bei der EZB als eintägige Einlagen hinterlegt - um 22,8 Milliarden mehr als zu Wochenbeginn. Die Spannungen am Geldmarkt nehmen jetzt zu. Noch am vergangenen Freitag lag die Summe mit 90,5 Milliarden Euro klar unter der Marke von 100 Milliarden. Der bisher höchste Wert im heurigen Jahr war mit rund 145 Milliarden Euro Anfang August erreicht worden.

Alarmglocken schrillen

Dass sich Banken untereinander mit Liquidität versorgen, gilt für ihre kurzfristige Refinanzierung als Um und Auf. Ist dieser Kreislauf erheblich gestört, droht der Geldmarkt auszutrocknen - mit schwerwiegenden Folgen für die Konjunktur und die Banken selbst. Sitzt ein Institut auf dem Trockenen, ist es pleite. Die Gefahr, dass der Interbankenhandel kollabiert, war gerade in den Monaten nach dem Crash der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers (Herbst 2008) besonders akut. Damals mussten die Zentralbanken riesige Geldmengen in den Bankensektor pumpen. Sonst wäre er mangels Liquidität zusammengebrochen.

Nun schrillen wieder die Alarmglocken - zumindest in Europa. Die Schuldenkrise droht zunehmend auch zu einer Krise der Banken zu werden. Dass die gegenseitige Kreditvergabe stockt, treibt den Bankern der EZB Sorgenfalten auf die Stirn. Gleichzeitig sind sie allerdings um Beruhigung bemüht. Noch sei die jetzige Lage nicht vergleichbar mit der Situation in der Finanzkrise, betont EZB-Chefökonom Jürgen Stark.

Während der Finanzkrise hatten die Banken bei der EZB wesentlich mehr Gelder geparkt: 2008 waren es in der Spitze fast 300 Milliarden Euro gewesen, 2009 sogar noch etwas mehr. Von diesen Höchstständen sind Europas Finanzhäuser derzeit noch weit entfernt.

Konjunktur in Gefahr

Dazu kommt, dass die Notenbanken heute viel besser auf bedrohliche Liquiditätsengpässe bei den Geschäftsbanken vorbereitet sind. Zur Not können sie ihnen unbegrenzt Geld zur Verfügung stellen. „Sie haben viele Instrumente, um das System mit der nötigen Liquidität zu versorgen”, erklärt Martin Faust, Bankexperte der „Frankfurt School of Finance & Management”.

Derzeit jedenfalls gehen Europas Banken - dem Vernehmen nach sind es vor allem französische, deutsche und österreichische Institute - angesichts der nicht nachhaltig gelösten Staatsschuldenkrise auf Nummer sicher. Dafür nehmen sie sogar Zinsverluste in Kauf. Denn aktuell erhalten sie für ihre Einlagen bei der EZB nur einen Zins von 0,75 Prozent, während sie der Notenbank für einwöchige Liquidität das Doppelte - 1,50 Prozent - zahlen müssen.

Dies sowie steigende Refinanzierungskosten könnten dafür sorgen, dass Kredite für Firmen und Privathaushalte schon bald teurer werden. Damit droht, dass generell weniger investiert wird und die Konjunktur stärker an Fahrt verliert als bisher erwartet.

Derartige Befürchtungen werden in Deutschland bereits geäußert - beispielsweise vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Der sorgt sich um die Finanzierungsbedingungen für Unternehmen. „Das muss man genau beobachten”, sagt DIHK-Außenhandelschef Volker Treier. „Die vergangenen Wochen sind hier nicht wirklich ermutigend gewesen.” Trotz des Aufschwungs hätten sich jedenfalls die Bedingungen nicht verbessert, obwohl es den Firmen allgemein besser gehe.