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Jim Rogers: "Die EU ist besser dran als die USA"

Von Konstanze Walther

Wirtschaft

Nordamerika drohen zwei verlorene Dekaden. | Rogers hat fast alle Aktien verkauft und konzentriert sich auf Dollar und Agrarrohstoffe.


"Wiener Zeitung"

: Sprechen Ihre Töchter schon fließend Chinesisch?

Jim Rogers: Ja, sie sprechen Mandarin wie die Einheimischen. Meine Achtjährige geht in Singapur auf eine chinesische Schule, und sie ist die Klassenbeste in Mandarin. Das einzige Mädchen mit blauen Augen spricht besser Chinesisch als die Chinesen.

Sie haben vor geraumer Zeit die USA verlassen, weil Sie wollten, dass Ihre Kinder Mandarin lernen. Sind Sie rückblickend froh, dass Sie das "sinkende Schiff" der westlichen Welt verlassen haben?

Ich bin sehr glücklich, dass ich aus New York draußen bin und aus den USA. Weil ja, es sind sinkende Schiffe.

2008 wollte man die Krise nicht wahrhaben. Sie haben damals gesagt: "Es fühlt sich an wie eine Rezession, es riecht wie eine Rezession, es schmeckt wie eine Rezession. Vielleicht ist es sogar eine." Jetzt schreiben wir das Jahr 2011 und die Konjunktur verlangsamt sich. Ist das der Double Dip, das neuerliche Absacken in eine Rezession?

Wir sind aus der ersten Rezession niemals herausgekommen. In den USA ist die Arbeitslosigkeit höher als damals. Die Schuldenlast ist höher. Das Einzige, was sich geändert hat, ist, dass die USA und andere Regierungen unglaubliche Mengen an Geld ausgegeben haben. Den Empfängern dieses Geldes geht es natürlich besser. Aber dem Rest der Welt geht es schlechter. So jetzt, wo sich das Wachstum wieder verlangsamt, was sollen die USA noch groß tun? Ihre Schulden noch einmal vervierfachen? Der Spielraum ist nicht mehr vorhanden. Der Markt wird ihnen nicht erlauben. Wir stolpern noch immer in derselben Rezession herum, wir schleppen sie noch eine Weile mit, und ja: Es wird noch schlimmer.

Wann ist ein Ende absehbar?

Die Japaner haben mittlerweile dank falscher Politik zwei verlorene Dekaden. Ähnliches wird den USA blühen. Und da die USA die größte Volkswirtschaft der Welt sind, wird das Effekte auf andere Länder haben.

Europa hat auch eigene Probleme.

Zweifellos. Aber Europas Probleme sind nicht so schlimm wie die der USA - auch wenn es derzeit so scheint, wo doch Europa, die Eurozone gerade auf jeder Titelseite zu finden ist. Aber um die USA ist es schlimmer bestellt, die Probleme sind ärger.

Wirklich? In Europa hört man oft das Gegenteil. Ökonomen jammern, dass die EU nicht mit einer Stimme spricht. Und dass die USA sich immerhin darauf ausruhen können, die größte Macht und Volkswirtschaft der Welt zu sein.

Die USA sind auch die größte Schuldnernation in der Weltgeschichte. Europa ist keine Schuldnernation. Gut, ihr habt Griechenland. Wir haben Kalifornien. Ihr habt Portugal. Wir haben Illinois. Spanien ist nahe an der Pleite. New York hat kein Geld mehr. Ihr habt Schuldner in Europa. Wir haben als ganzes auch Haushalts- und Leistungsdefizit. Ihr nicht. Insgesamt ist Europa in einem besseren Zustand, fürchte ich.

Haben Sie angesichts diese Prognose noch immer Dollar im Portfolio?

Definitiv. Wieso? Jeder ist pessimistisch, was den Dollar betrifft, inklusive mir. Und deswegen habe ich mehr US-Dollar als je zuvor. Das habe ich in meinem Leben gelernt: Wenn jeder auf der einen Seite des Bootes sitzt, sollte man auf die andere Seite gehen. Ich habe langfristig kein Vertrauen in den Dollar, aber jetzt besitze ich gerade eine große Menge.

Wenn Sie pessimistisch gegenüber dem Dollar sind, ist es Patriotismus, der Sie in den Dollar treibt?

Nein, wirklich nicht. Es ist vielmehr die nüchterne Erwartung, dass der Dollar steigen wird, da die Euro-Problematik nicht aus den Nachrichten kommt. Deswegen werden Leute in den Dollar flüchten. Obwohl der Dollar kein sicherer Hafen ist. Aber ansonsten bin ich patriotischer gegenüber Österreich als den USA.

Heißt das, Sie haben auch Euro?

Ja, ich habe Euro zugekauft im Juni 2010, als der Euro gerade viel verloren hatte. Aus derselben Logik. Ich überlege allerdings, noch mehr zu kaufen.

Was würden Sie heute kaufen?

Heute wäre es Chinas Renminbi. Auch wenn es nicht einfach ist anzurufen, und eine große Menge zu kaufen. Aber man kann immer wieder kleine Tranchen bekommen. Neben dem Renminbi würde ich - heute - Dollar und Schweizer Franken kaufen. Und selbstverständlich auch landwirtschaftliche Rohstoffe. Sonst eigentlich nichts.

Schweizer Franken? Obwohl die ihre Währung an den Euro gebunden haben?

Das versuchen sie, ja. Aber das letzte Mal, als die Schweizer versucht haben, eine Obergrenze einzuziehen, hat es nicht funktioniert. Ich vermute, dass es dieses Mal auch nicht funktioniert.

Das sicherste sind also Rohstoffe?

In der Investment-Welt gibt es nichts, was absolut sicher ist.

Dieses Risiko ist relativ überschaubar: Menschen müssen essen.

Das ist wahr. Deswegen besteht mein Portfolio überproportional aus Agrarrohstoffen und Edelmetallen. Diese sind weniger gefährlich. Aktien haben ich großteils verkauft. Ich habe amerikanische Technologie-Aktien verkauft, genauso wie Aktien aus Europa und den Schwellenländern, weil ich glaube, dass alle diese Indizes hinuntergehen werden.

"Die Chinesen sind die besten Kapitalisten der Welt", haben Sie immer wieder gesagt. Haben Sie auch chinesische Aktien verkauft?

Nein, im Gegenteil, da kaufe ich zu. Aber für ein wirklich langfristiges Engagement: Die werden in einem Safe eingeschlossen und sind für meine Enkelkinder.

Gold?

Ich besitze Gold. Ich habe heute sogar ein paar Philharmoniker gekauft, weil sie hübsch anzusehen sind. Ich würde heute kein Gold kaufen, weil es in der Nähe seines Allzeithochs ist. Gold ist jetzt für zehn Jahre angestiegen. Das ist sehr unüblich in der Investment-Welt. Wenn der Kurs hinuntergeht, dann würde ich Gold kaufen, Gleiches gilt für Silber.

Sie gelten als der Mann, der die Wiener Börse aus dem Schlaf gerissen hat, weil Sie international darauf hingewiesen haben, dass dort unterbewertete Unternehmen auf Käufer warten. Besitzen Sie noch österreichische Aktien?

Ja, hauptsächlich von der Oberbank. Ich weiß allerdings nicht mehr, was ich dafür gezahlt habe, und ich weiß nicht, wie der aktuelle Wert ist.

Der Euro kommt, wie erwähnt, nicht aus den Schlagzeilen. Sie haben sich zu Anbeginn für eine Pleite Griechenlands ausgesprochen. Hat sich daran etwas geändert?

Nachdem es sich ja nicht so positiv entwickelt hat, bin ich in meiner Meinung bestärkter denn je. Man hätte schon längst aufhören sollen, den Griechen, die ihre Probleme verschleiert haben, Geld zu borgen. Aber man macht dieselben Fehler weiter.

Die Argumente sind einerseits, im Pleitefall drohe Bürgerkrieg. Andererseits fühlen sich einige Aktienbesitzer und Banken bedroht, denn die Pleite Griechenlands betrifft vielleicht auch sie.

Wenn sie das im Jahr 2008 gemacht hätten, dann wäre es schmerzhaft gewesen. Aber es wäre wenigstens vorbei. Nun schieben sie es einfach nur auf. Der Markt wird ihnen das auf die Dauer nicht erlauben. Und wenn der Markt erst einmal Deutschland kein Geld mehr borgt, weil die es weiter an Griechenland borgen würden, dann beginnt der Albtraum. Es ist also besser, es jetzt zu machen und das Land wenigstens geordnet in die Pleite gehen zu lassen. In einem Jahr oder in fünf Jahren wird es ein ungeordnetes Chaos sein.

Sie sind kein Fan der US-Politik und sähen die US-Notenbank Fed am liebsten abgeschafft. Was halten Sie von dem Obama-Plan, eine Reichensteuer einzuführen, so wie es Ihr Milliardärs-Kollege Warren Buffett vorgeschlagen hat?

Eine Steuer einzuführen in harten Zeiten war noch nie eine gute Idee. Barack Obama selbst hat das öffentlich in Reden gesagt. Er weiß es. Aber die Tatsache, dass er nächstes Jahr wieder Präsident werden will, ist eine andere Geschichte.

Warren Buffett hat laut Eigenaussage das Gefühl, dass er zu wenig zahlt.

Wenn Warren dieses Gefühl hat, soll er dem Weißen Haus einen Scheck ausstellen und ihn nach Washington schicken. Ich bin mir sicher, dass sie ihn nehmen. Ich bin mir auch sicher, dass Warren weiß, dass eine Steuererhöhung eine schlechte Idee ist. Vielleicht geht es ihm um die Pressekonferenz. Vielleicht möchte er, dass man eine Steuer nach ihm benennt.

Zur Person:

Jim Rogers (*1942) gründete 1970 mit George Soros den berühmten Quantum Funds und weckte in den 80er-Jahren die Wiener Börse mit einem Anlagetipp aus dem Dornröschenschlaf. Im Jahr 1980 zog er sich aus dem aktiven Tagesgeschäft zurück. Danach wurde er Gastprofessor an der Columbia University, umrundete zweimal die Welt und schrieb Bücher. Eine dieser Weltumrundungen führte er mit dem Motorrad durch. Dabei durchquerte er im tiefsten Kalten Krieg die Sowjetunion und China. Seine Erlebnisse hat er in den Büchern "Investment Biker" und "Hot Commodities" festgehalten. Jim Rogers – der auf Einladung des Wertpapierbrokers Direktanlage in Salzburg war – lebt mit seiner Frau und den beiden Töchtern in Singapur.