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Ein Star soll US-Multi HP retten

Von Peter Muzik

Wirtschaft

Ex-Ebay-Chefin Whitman muss IT-Giganten drastisch umkrempeln. | Gleich acht Bosse in nur 20 Jahren verbraucht. | Marktleader will PC-Sparte loswerden.


Knalleffekt im kalifornischen Palo Alto: Vorige Woche löste die einstige Ebay-Chefin Meg Whitman den bisherigen Boss des Computerkonzerns Hewlett-Packard ab. Leo Apotheker, früher Kurzzeit-Boss von SAP, stand erst seit November 2011 an der Spitze des Unternehmens. Damals folgte der gebürtige Deutsche als CEO der Übergangslösung Catherine A. Lesjak nach, die den Job lediglich zwei Monate machen durfte. Ihr Vorgänger Mark V. Hurd war im August 2010 nach vierjähriger Amtszeit wegen diverser Anschuldigungen und vermeintlicher Unregelmäßigkeiten geschasst worden.

Damit ist Whitman die vierte Führungskraft in nur 14 Monaten, was absolut weltrekordverdächtig ist. Die 55-jährige Milliardärin, die im Vorjahr erfolglos für das Gouverneursamt in Kalifornien kandidierte, muss nunmehr trachten, die Troubles zu planieren, die der Verwaltungsrat von Hewlett-Packard mit seinen letzten CEO-Bestellungen dem Unternehmen eingebrockt hat. Ihre bisherige Karriere (siehe Kasten) lässt zwar vermuten, dass Whitman HP wieder auf Erfolgskurs trimmen könnte, doch der als ebenso spröde wie zäh geltenden Topmanagerin steht eine beinharte Mission bevor. Sie hat einen Superdampfer zu steuern, der aufgrund des jahrelangen Missmanagements ganz schön ins Schlingern geraten ist.

Der Aktienkurs von Hewlett-Packard stürzte im letzten Jahr stark ab, die Umsatzprognose musste erst im August deutlich gesenkt werden, und die künftige Strategie steht erst recht in den Sternen: Der mit einem Trostpflaster von 25 Millionen Dollar entfernte Apotheker kündigte nämlich unlängst an, dass sich der weltweit führende Computerhersteller ausgerechnet von seinen Tablet-PCs trennen und fortan auf Software, Dienstleistungen und Server setzen wolle.

CEO Fiorina hatte Pech

Der Weltkonzern, der jährlich 60 Millionen PCs und pro Woche eine Million Drucker ausliefert, verblüffte Aktionäre, Kunden und die Medien auch ein weiteres Mal: Er gab kürzlich bekannt, das ambitioniert und mit hohem Geldeinsatz gestartete Business mit Smartphones wieder einstellen zu wollen - was insofern grotesk anmutete, als er erst im April des Vorjahres den Erwerb des Herstellers Palm für 1,2 Milliarden Dollar avisiert hatte.

Personalprobleme in der obersten Chefetage sind bei Hewlett-Packard so etwas wie Tradition, seit sich die Firmengründer William Hewlett und David Packard sowie ihr souveräner Nachfolger John A. Young zwischen 1987 und 1993 etappenweise zurückgezogen haben. Immerhin versuchten seither bereits sieben CEOs ihr Glück, was eine halbwegs konstante Firmenpolitik weitgehend ausschloss. Im Juli 1999 etwa wurde Carleton "Carly" Fiorina, der mancherorts die mangelnde Branchenkenntnis angekreidet wurde, mit beträchtlichem Tamtam zum ersten weiblichen Boss einer Dow-Jones-Firma ernannt - und scheiterte wie alle anderen.

In ihrer Amtszeit halbierte sich nämlich der Marktwert des Konzerns, und bei der Belegschaft waren massive Einschnitte nötig - 15.000 Mitarbeiter mussten gehen. Die von ihr trotz heftiger Widerstände etwa seitens der Hewlett-Erben durchgedrückte Fusion mit der Computerfirma Compaq, die sich zuvor Tandem und Digital Equipment einverleibt hatte, wurde ihr schließlich zum Verhängnis: Im Februar 2005 musste Fiorina, die jahrelang vom Magazin "Fortune" zur mächtigsten Frau der Wirtschaft gekürt worden war, über Nacht gehen. Ihre Abfindung belief sich auf etwas mehr als 21 Millionen Dollar.

Aktienkurs am Boden

Sechs Jahre später sollte Fiorinas Weichenstellung, sich stark auf den Personalcomputer-Bereich zu konzentrieren, jedoch plötzlich wieder obsolet werden: Der glücklose Leo Apotheker leitete den beabsichtigten Restrukturierungsprozess mit der recht ungeschickten Ankündigung ein, dass Hewlett-Packard seine nicht besonders profitable PC-Sparte verkaufen wolle. IBM hatte zwar vor Jahren dieselbe Entscheidung getroffen und erfolgreich umgesetzt, doch HP schlitterte prompt in eine Vertrauenskrise. So etwa stößt der vom Deutschen geplante Kauf der britischen Softwarefirma Autonomy um fast 12 Milliarden Dollar auf beträchtliche Skepsis.

Die HP-Papiere haben jedenfalls in den vergangenen 14 Monaten nicht weniger als 60 Milliarden Dollar an Wert verloren, und der Aktienkurs ist ähnlich am Boden wie zuletzt im Mai 2005. Die wegen der düsteren Zukunftsaussichten beunruhigten Aktionäre wollen von Meg Whitman so bald wie möglich Klarheit, wie es mit dem Konzern weiter gehen soll. Die neue Chefin, der HP-Chairman Ray Lane sogleich Rosen streute, "Leadership" sowie "Mut zu Entscheidungen" attestierte, hat bereits angedeutet, dass sie die eingeschlagene Marschrichtung für richtig halte: "Ich habe die Chance", sagte sie, "eine amerikanische Ikone auf neuen Kurs zu bringen."

Die überraschende Bestellung Whitmans wurde zwar von diversen Analysten begrüßt, stieß aber auch auf Kritik: Die blonde Lady habe zwar Ebay von einem winzigen Laden zu einer Weltfirma mit 15.000 Beschäftigten und beinahe sechs Milliarden Dollar Umsatz gemacht, aber noch nie einen Giganten wie HP geführt. Jetzt brauche sie die Fähigkeit, rasch zu entscheiden und die Strategie allen Stakeholdern gegenüber plausibel zu machen.

Ob Whitman ein ähnliches Kaliber ist wie der einstige IBM-Boss Lou Gerstner, der in den Neunzigerjahren rund 150.000 Stellen gestrichen hat und sich im Zuge der Re-Dimensionierung aus dem Consumer-Markt zurückzog, sodass der Computer-Gigant sich völlig neu aufstellen konnte, bleibt zumindest fraglich. Der US-Analyst Brian White kommentiert vorsichtig: "Ich bin überzeugt, dass sie eine gute Wahl ist - aber das heißt noch nicht, dass sie erfolgreich sein wird."