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Yandex: Suchen auf Russisch

Von Peter Muzik

Wirtschaft

Nach Chinas Baidu setzt auch Russlands Web-Portal auf Expansion.


Google wird nicht mehr lange einsam an der Spitze sein. Das US-Unternehmen ist zwar die weltweit dominante Suchmaschine, doch die Konkurrenz hat die Startlöcher verlassen.

In China, mit 500 Millionen Web-Nutzern global der stärkste Online-Markt, liegt Suchrivale Baidu längst klar in Front. Mit täglich einer Milliarde Abfragen ist er etwa vier Mal so stark wie der US-Gigant. Das rasant wachsende Unternehmen, das seit kurzem auch in Thailand und Ägypten aktiv ist, will weiterhin auf internationalen Märkten einmarschieren.

Aber auch Yandex, die führende Internetfirma in Russland, tanzt allmählich auf dem globalen Parkett mit: Erst im September erweiterte die im Jahr 2000 gegründete Firma, die auch in der Ukraine, Kasachstan und Weißrussland gut unterwegs ist, ihren Aktionsradius um die Türkei. So wie Baidu in der Volksrepublik befindet sich Yandex auf dem boomenden Heimmarkt in einer komfortablen Position: Das Unternehmen hält derzeit bei einem zwar leicht sinkenden Marktanteil von 61 Prozent - Google muss sich mit etwas mehr als 20 Prozent begnügen - und hat sich erst unlängst mit dem aufstrebenden Mini-Portal Rambler verbündet.

Die Stoßrichtung ist klar: Dem weltweiten Marktführer, der in Russland unter "Google.ru" zu finden ist, soll das Leben in dem flächenmäßig größten Land der Erde so schwer gemacht werden, dass er vielleicht aufgibt. Russland ist schließlich Europas zweitgrößter Internet-Markt.

Yandex indes ist fest entschlossen, nach dem fulminanten Börsengang an der New Yorker Börse Nasdaq im Mai 2011 in die Offensive zu gehen. Anfang Oktober haben sich die Russen bei der kleineren US-Suchmaschine Blekko mit 15 Millionen Dollar eingekauft. "Dieses Unternehmen hat beste Chancen, sich in der Zukunft einen guten Platz zu sichern", prophezeit Yandex-Boss Wolosch.

Besserer Umgang mit Verben

Russlands führendes Webportal, dessen Börsedebüt mit 1,3 Milliarden Dollar das stärkste seit dem Google-IPO gewesen ist, reiht sich in die Gilde der Big Players ein: Wolosch, der in Moskau angewandte Mathematik studierte und sich seit 1990 mit Suchtechnologien befasst hatte, machte die in Den Haag registrierte Yandex N.V. zur achtgrößten Suchmaschine der Welt und - nach Chinas Baidu - zur zweitgrößten nicht-englischen.

Seit Mai 2010 steht Yandex auch in englischer Sprache global zur Verfügung. Da sich der heutige CEO frühzeitig das Institut für Informationsübermittlung der Russischen Akademie der Wissenschaften als Partner gesichert hat, kann Yandex gegenüber Google einen riesigen Vorteil ausspielen: der bessere sprachliche Umgang mit russischen Fällen und Verbformen.

Das Unternehmen beschäftigt rund 3000 Mitarbeiter, die großteils in hauseigenen Instituten aus- und weitergebildet werden.

Neben dem Headquarter in Moskau gibt es fünf weitere Büros in Russland, drei in der Ukraine, und je eines in Istanbul und im US-High-Tech-Zentrum Palo Alto. Seit Sommer 2008 steht im Silicon Valley auch ein eigenes Forschungslabor zur Verfügung.

Yandex unterhält nicht nur den größten Server-Park in Russland, sondern ist auch in Kiew und Frankfurt einschlägig engagiert und betreibt, ähnlich wie Google, eigene Datenzentren. Im Laufe der Zeit entwickelte sich die Firma, die seit bereits seit 2002 Gewinne erzielt, zum Multi-Portal mit mehr als 30 Serviceleistungen, darunter Nachrichten-, Foto-, Spiele- und Musikangebote.

Im Vorjahr hat Yandex den Umsatz um mehr als 40 Prozent auf 440 Millionen Dollar gesteigert, wobei Online-Werbung die wichtigste Einnahmequelle war. Insgesamt wurden rund 180.000 Kunden betreut, 50.000 mehr als im Jahr davor. Für das laufende Geschäftsjahr sind umsatzmäßig 55 bis 60 Prozent plus geplant - Analysen rechnen mit rund 680 Millionen Dollar und einem respektablen Nettogewinn je Aktie von 58 US-Cent. Im kommenden Geschäftsjahr sollen die Erlöse bereits an der Milliarden-Dollar-Marke kratzen, der Nettogewinn dürfte in die Höhe schnellen.

Kleiner Wermutstropfen ist der derzeitige Aktienkurs: Beim Börsegang im Mai war er zwar binnen kürzester Zeit von 25 auf 42 Dollar nach oben geschossen, doch die Euphorie legte sich relativ rasch wieder. Die russischen Behörden haben damals eine Untersuchung gegen das Unternehmen eingeleitet, weil vertrauliche Nutzerdaten durch Yandex angeblich an den russischen Inlandsgeheimdienst weitergeleitet wurden. Die Yandex-Papiere an der Nasdaq notieren nunmehr um die 25 Dollar, was die Aktionäre indes angesichts der Börsentalfahrt in jüngster Zeit nicht unbedingt als Katastrophe werten.

Google konnte indes den Gewinn von Juli bis September im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um mehr als ein Viertel auf 2,7 Milliarden Dollar steigern.

Wissen: die größten Suchmaschinen:

Google, 1998 von Larry Page und Sergey Brin gegründet, in den USA und weltweit die Nummer eins, gilt als die beste Suchmaschine der Welt. Guter Draht zu AOL, MySpace und Comcast. Globaler Marktanteil: rund 82 Prozent - Tendenz ziemlich konstant.

Yahoo, 1994 von David Filo und Jerry Yang gestartet, schaffte es trotz etlicher Schwierigkeiten, Zweiter am Weltmarkt zu werden. Seit August 2010 Kooperation mit Bing. Globaler Marktanteil: mehr als sechs Prozent - Tendenz leicht steigend.

Baidu, Chinas Top-Suchmaschine, vor 13 Jahren von Robin Li erfunden, hält Mitbewerber wie Sogou oder Yadao mühelos auf Distanz. Größter nicht-englisch-sprachiger Anbieter weltweit. Globaler Marktanteil: 5 Prozent - Tendenz stark steigend.

Bing, 2009 von Microsoft gelauncht, nach Windows Live der jüngste Versuch von Bill Gates, auch bei Suchmaschinen am Ball zu sein. In USA fast 40Prozent der Besucher.

Naver, feierte im Juni 1999 Premiere und ist mit einem Marktanteil von 70 Prozent die bekannteste Suchmaschine Südkoreas, wird auch in Japan stark genutzt. Naver zählt zu den Top 5 weltweit.

Ask, seit 12 Jahren online, eine typische Frage/Antwort-Seite, gehört nunmehr der InterActiveCorp., recht populär in Japan, Brasilien und Indien.

AOL, 1985 von Steve Case gegründet, zum weltweit größten Internet-Anbieter aufgestiegen, ehe Google Ende 2005 einstieg. 2009 kaufte Time Warner die Google-Anteile zurück, um bald darauf auszusteigen.

Yandex, Russlands Nummer eins, 84 Prozent der Nutzer kommen vom Heimmarkt.