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Neue Konkurrenz für Nespresso-Kapseln

Von Peter Muzik

Wirtschaft
Die Kaffee-Kapseln von Nespresso bekommen Konkurrenz von Spar und Rewe. Fotos:fotolia, Hersteller

Die Kultmarke Nespresso spürt erstmals Gegenwind.


Das Pech kam auf Raten: Zunächst fiel in der Schweizer Konzern-Zentrale die Entscheidung, dass Nespresso Österreich künftig nicht mehr für Polen, Tschechien, Ungarn und Rumänien zuständig sein darf. Ende September wurde der einstige Firmenchef Wolfgang W. im Wiener Straflandesgericht wegen Untreue zu vier Jahren unbedingt verurteilt. Er hat zugegeben, insgesamt 2,7 Millionen Euro aus der Firmenkasse abgezweigt zu haben. Anfang November folgte sodann der nächste Tiefschlag: Die beiden Handelsgiganten Spar und Rewe starteten fast zeitgleich eine Attacke, um Nespressos dominante Nischenposition am Kaffeemarkt zu erschüttern.

Die Salzburger Handelskette bietet seit 4. November in 1400 Märkten Kaffeekapseln italienischer Provenienz an, die für alle Nespresso-Maschinen geeignet sind. "Ich bin stolz", freute sich Spar-Vorstandsvorsitzender Gerhard Drexel, "dass es uns gelungen ist, endlich das langjährige Nespresso-Verkaufsmonopol zu knacken." Nur drei Tage später tauchten auch in den Regalen von 1100 Billa- und Merkur-Märkten geklonte Espressokapseln auf, diesmal schweizerischen Ursprungs. Sowohl Spar als auch die Rewe-Gruppe wollen der Kultmarke Nespresso die Kunden primär mit günstigeren Preisen abwerben. Mit 2,99 Euro pro Zehnerpackung unterbieten sie den Marktführer um bis zu 23 Prozent.

Die vor einem Vierteljahrhundert gegründete 100-prozentige Nestlé-Tochter, die sich als "weltweiter Pionier für portionierten Gourmet-Kaffee" sieht, ist mittlerweile weltweit in mehr als 50 Ländern präsent. Als perfekte Marketingmaschinerie konnte sie eine steile Erfolgsstory schreiben: Mit einem ebenso breiten wie hochwertigen Sortiment an Kaffeesorten und -maschinen, einem ausgeklügelten Kundenservice und seinem exzellenten Image galt Nespresso bislang als so gut wie unschlagbar. Die weltweit rund 40, in Österreich etwa 20 Mitbewerber - darunter "Cremesso" der zur Migros-Gruppe gehörenden Schweizer Delica, "Tassimo" von Kraft Foods oder "Cafissimo" vom Tchibo - haben der Firma nicht annähernd das Wasser reichen können.

Ex-Boss schlägt zu

Das könnte sich aufgrund der mit Nespresso-Maschinen erstmals kompatiblen Produkte bald ändern. Spar verkauft nunmehr die Kapseln des sechstgrößten italienischen Kaffeeproduzenten: Der 1882 gegründete Familienbetrieb Caffè Vergnano in Turin hat kürzlich vier Kaffeesorten in Italien erfolgreich eingeführt. Er erzielt mit 100 Beschäftigten 50 Millionen Euro Umsatz und exportiert bereits in 60 Länder.

Rewe-Chef Frank Hensel setzt hingegen auf den Schweizer Kapsel-Hersteller Ethical Coffee Company (ECC) in Fribourg. Dieser wurde im April 2008 vom einstigen Nespresso-Boss Jean-Paul Gaillard gegründet und ist mittlerweile bereits in 20 europäischen Staaten vertreten. Im Gegensatz zu den von Nespresso verwendeten Aluminium-Kapseln bestehen die ECC-Imitate aus Pflanzenfasern und Maisstärke, sind also zu 100 Prozent biologisch abbaubar.

Gaillard startete im Mai 2010 seinen Frontalangriff in Frankreich. Die zunächst fünf Kapseln entpuppten sich in "Casino"- und "Monoprix"-Supermärkten prompt als Verkaufsschlager. Die zur selben Zeit eröffnete Offensive des US-Konzerns Sara Lee löste in der Nespresso-Zentrale in Lausanne naturgemäß Hektik aus: Die Nestlé-Tochter, die auf rund 1700 teilweise schon bald auslaufende Patente pocht, zog sogleich vor Gericht und konnte erste Teilerfolge erzielen.

Boom bei Kapsel-Kaffee

So etwa schaffte sie es per einstweiliger Verfügung, dass die Konkurrenz-Kapseln bei MediaMarkt und Saturn nicht verkauft werden dürfen. Gaillard indes zeigt sich selbstbewusst, lässt Plagiatsvorwürfe an sich abprallen und ist entschlossen, gegen Nespresso wegen Missbrauchs der beherrschenden Marktposition zu Felde zu ziehen. Er rief die Konsumenten via Medien sogar zum Boykott von Nestlé-Produkten auf.

Nespresso-Österreich-Chef Dietmar Keuschnig bewahrt Ruhe: "Wir sind die vom Konsumenten eindeutig bevorzugte Marke und unsere Position als Marktführer ist ungefährdet." Seine Firma, die in den vergangenen Jahren stets zweistellig gewachsen sei und erhebliche Gewinne abgeworfen habe, prüfe allerdings "grundsätzlich jeden Fall von kopierten Kapseln sehr genau" und werde "alle notwendigen rechtlichen Schritte setzen, um unser intellektuelles Eigentum zu schützen".

Nespresso vermarktet seine Kapseln großteils via Online-Shop. Zweitwichtigster Absatzkanal sind sieben Nespresso-Boutiquen zwischen Wien und Salzburg. In Österreich ist laut Keuschnig nach wie vor ebenso ein Boom bei hochwertigem portionierten Kaffee zu verzeichnen wie weltweit. Dieses Segment decke erst acht Prozent des gesamten Kaffeemarkts ab.

Auf den erprobten Marathonläufer, der seit Mai Österreich-Chef ist, kommen dennoch harte Zeiten zu: Er glaubt nicht, "dass wir Kunden verlieren werden", doch Branchenkenner sehen das anders. "Die vielen TV-Spots mit George Clooney", sagt einer, der ungenannt bleiben will, "werden den meisten Konsumenten egal sein - der niedrigere Preis bei den Handelsketten wird sie nämlich mehr überzeugen."

Nestlé Nespresso SA, Luzern

Umsatz 2010: etwa 2,4 Milliarden Euro

Wachstum 2010: etwa 20 Prozent

Mitarbeiter: 5500

seit 1986 verkauft:

rund 27 Milliarden Kaffeekapseln

13 Millionen Kaffeemaschinen

Kunden:

rund 10 Millionen "Clubmitglieder" in mehr als 50 Ländern

weltweit 215 Boutiquen

Muttergesellschaft:

Nestlé International, Vevey/

Schweiz

Umsatz 2010: 79,5 Milliarden Euro

Wachstum 2010: 6,2 Prozent

Mitarbeiter: 265.000

Rewe International AG, Wiener Neudorf

Umsatz 2010: 11,84 Milliarden Euro, davon 7,04 Milliarden in Österreich

Wachstum 2010: 1,77 Prozent

Mitarbeiter: 72.700 (in neun Ländern)

davon 38.400 in Österreich

Filialen: 3617

davon 2475 in Österreich

Muttergesellschaft:

Rewe Group, Köln

Umsatz 2010: 53,04 Milliarden Euro

Wachstum 2010: 4 Prozent

Mitarbeiter: 310.000

Filialen: 15.445 in Deutschland und 15 weiteren Ländern

Spar Österreich-Gruppe, Salzburg

Umsatz 2010: 11,71 Milliarden Euro*

Wachstum 2010: 4,4 Prozent

Mitarbeiter: 73.900 *

in sechs Ländern,

davon 36.560 Beschäftigte bei Spar Österreich

*inklusive Hervis, Spar European Shopping Centers, Aspiag

Filialen: 2802,

davon 1502 bei Spar Österreich

Zur Spar Österreich-Gruppe gehören 24 Einkaufszentren mit insgesamt 700.000 Quadratmetern Verkaufsfläche.

Kampf der Giganten