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Das Duell der Schiffs-Imperien

Von Peter Muzik

Wirtschaft

Die Reedereien Carnival und Royal Caribbean beherrschen den Weltmarkt.


Ein Rudel von Anwälten in den USA, Italien, Frankreich oder Deutschland darf auf fette Honorare hoffen. Das internationale Konsortium aus rund 30 Assekuranzen, dem unter anderem die Generali, Aon, die Allianz, die XL Group und die Hannover Rück angehören, wird wohl kräftig zur Kassa gebeten - gerüchteweise könnte es um bis zu einer Milliarde Euro gehen. Die dramatische Havarie der "Costa Concordia", deren Kaufpreis 450 Millionen Euro betragen hatte, wird eine Flut von Prozessen nach sich ziehen. Die von manchen Medien verbreitete Spekulation, dass auch die betroffene Kreuzfahrtgesellschaft aus Genua, die bislang auf einer Erfolgswelle geschwommen war, letztlich untergehen könnte, kam allerdings verfrüht.

Das Imperium von MickyAriston

Die Costa Crociere gehört zur amerikanisch-britischen Carnival Corporation, dem weltweit dominanten Reederei-Imperium, das unter dem Brand "The World’s Most Popular Cruise Line" etliche prominente Schifffahrtsunternehmen vereinigt. Die weit verzweigte Firmengruppe mit Hauptsitz in Miami/Florida beschäftigt 85.000 Mitarbeiter, setzt 15,8 Milliarden Dollar um und erzielte 2010 einen Nettogewinn von zwei Milliarden Dollar. Gesteuert wird sie vom 62-jährigen Micky Arison, der laut US-Magazin "Forbes" mit einem geschätzten Vermögen von 4,2 Milliarden Dollar einen Stammplatz unter den 100 reichsten Amerikanern hat.

Arisons Vater Ted, in Tel Aviv geboren und Anfang der Fünfzigerjahre in die USA eingewandert, war 1966 Mitbegründer der Norwegian Cruise Lines und hatte 1972 die Carnival Cruise Lines auf die Beine gestellt. Sein erstes Schiff, die "Mardi Gras", war gleich bei der ersten Ausfahrt an einer Sandbank gescheitert. Der Sohn stieg frühzeitig als Reservierungsmanager in die Firma ein und wurde 1979 deren Präsident. Damals schaffte das Unternehmen bei einem Umsatz von 44 Millionen Dollar bereits 12 Millionen Gewinn.

1987 wurden 20 Prozent der Reederei-Aktien an der Börse verkauft, womit 400 Millionen Dollar als Spielkapital für Expansionszwecke zur Verfügung standen. Zunächst wurde die angesehene Holland America Line aufgekauft, 1992 stieg die Carnival Cruise Line mit vorerst 25 Prozent bei der im Luxussegment angesiedelten Seabourn ein. Fünf Jahre später wurde die italienische Costa Crociere übernommen. Der nächste Coup gelang Arison, der zunächst Chairman of the Board war und 2003, nach dem Tod des Seniors, zum Chief Executive Officer bestellt wurde, mit der elitären Cunard Line, die er ebenfalls rasch zur Gänze unter seine Fittiche nahm. Im vergangenen Jahrzehnt sicherte er sich auch den Rivalen P & O Princess Cruises, 2008 kam schließlich die spanische Ibero Cruceros dazu.

Heute ist Micky Arison mit insgesamt 100 Ozean-Riesen, die kreuz und quer durch die Weltmeere touren und jährlich fast neun Millionen Passagieren ein exklusives Urlaubsvergnügen bereiten, nicht nur die schillerndste Figur der Branche, sondern auch der erfolgreichste Captain der Welt. Die Carnival-Gruppe, die an der New Yorker Stock Exchange und der Londoner Börse notiert, beherrscht mit einem Anteil von fast 50 Prozent ein touristisches Marktsegment klar, das einen spektakulären Boom hinter sich und exzellente Aussichten vor sich hat.

Mehr als 20 Millionen Passagiere erwartet

Während die auf Kreuzfahrten spezialisierten Reedereien im Jahr 1990 bloß 3,7 Millionen Kunden betreut hatten, waren es zehn Jahre später schon 7,2 und im Jahr 2010 bereits 18,4 Millionen. Heuer werden sich laut "Cruise Market Watch 2012" mehr als 20 Millionen Passagiere - ein prognostiziertes Plus von immerhin 5,6 Prozent - eine immer noch als exklusiv geltende Schiffsreise auf einem der mehr oder minder luxuriösen Ozean-Riesen leisten, was den rund 40 Hochseereedereien an die 34 Milliarden Dollar Umsatz bringen könnte.

Derzeit kreisen 256 schwimmende Hotel-Paläste unermüdlich um die Erde, wobei azurblauer Himmel, türkisfarbenes Wasser und traumhafte Sandstrände eine faszinierende Kulisse für die meist betuchten Passagiere darstellen. Carnival steuert, wie auch einige Konkurrenten, laufend sämtliche exotischen Traumdestinationen wie Bahamas, Karibik, Bermuda und Hawai, aber auch Alaska, Tahiti und die Fiji Islands an und deckt auch die gängigen 08/15-Trips wie das Mittelmeer ab. Als führendes Ozean-Imperium verfügt sie sowohl über die sogenannten Fun-Ships in Drei- bis Vier-Sterne-Qualität für 2000 bis 3000 Passagiere als auch über die noch eleganteren Luxus-Schiffe der ihr gehörenden Seabourn Cruise Line, die nur 200 bis 450 betuchten Kreuzfahrern bevorzugt in Suiten Platz bieten.

Die hochprofitable Gruppe wirft nahezu regelmäßig neue Schiffe in die Schlacht: Erst kürzlich feierte die für 3690 Gäste und 1370 Crewmitglieder konzipierte Neuerwerbung "Carnival Magic" ihr Debüt. Anfang Juni wird der nächste 130.000 Bruttoregistertonnen-Luxusliner namens "Carnival Breeze" zum Inaugurationstrip in See stechen.

In den nächsten Jahren wird die Flotte um zehn weitere Ozean-Riesen erweitert, wovon vier bei der deutschen Tochter Aida und zwei bei der italienischen Costa eingesetzt werden.

Für die in der Branche beliebte Gigantomanie ist allerdings eher der große Rivale der Carnival-Flotte zuständig, die ebenfalls in Miami/Florida ansässige Royal Caribbean Cruise Line. Sie hat im Mai 2006 mit dem Launch der "Freedom of the Seas" für 3600 Gäste einen ersten Weltrekord geschafft, den sie im Dezember 2009 gleich selbst überbot: Eine aus 16 Decks bestehende architektonische Glanzleistung namens "Oasis of the Seas" kann gleich 5400 Reisende samt 2400 Besatzungsmitgliedern befördern.

Mit dem baugleichen, 360 Meter langen Ozean-Riesen "Allure of the Seas", der ein Jahr später vom Stapel lief, sorgte Richard D. Fain, Chairman und CEO der Royal Caribbean, ein zweites Mal in der nach Rekorden süchtigen Branche für Furore. Eine siebentägige Kreuzfahrt durch die westliche Karibik kostet für zwei Personen in der fürstlich ausgestatteten "Crown Luft-Suite" 5780 Euro - ohne An- und Heimreise natürlich.

Kampf um Kunden

mit Sonderangeboten

Mit dem 1,2 Milliarden Dollar teuren Traumschiff kann niemand mithalten, am ehesten noch die "Norwegian Epic", die 4600 Passagiere befördern kann. Sie ist eines von 13 zur Komfort-Klasse zählenden Schiffen der auf den Bahamas registrierten NCL Norwegian Cruise Line.

Als Nummer drei der Branche ist sie auf die Zielgebiete Karibik, Hawai, Alaska, Transatlantik, Panamakanal, Mittelmeer und Ostsee spezialisiert.

Die Royal Caribbean, die ihre Kundschaft in der Manier von Möbelhäusern mit Bestpreis-Garantien anlockt, befördert freilich fast vier Mal so viele Kreuzfahrer. Zu ihr gehören etwa seit 15 Jahren die im Fünf-Sterne-Segment angesiedelte Marke Celebrity und seit November 2006 die spanische Pullmantur. Obendrein wurde im April 2008 eine Beteiligung an der Hamburger Kreuzfahrtgesellschaft TUI Cruises fixiert. Mit insgesamt 44 Schiffen und 58.000 Mitarbeitern setzt die Gruppe rund 7,7 Milliarden Dollar um.

Die Kreuzfahrt-Giganten wollen unbedingt den Erfolgskurs halten: Heuer werden sieben neue Schiffe mit einer Kapazität von 18.500 Passagieren in Dienst gestellt, für die Jahre 2013 und 2014 wurden bereits acht weitere mit fast 25.000 Betten geordert.

Das geplante Plus bei Passagierzahlen und Umsätzen scheint weder durch die tendenziell sinkenden Durchschnittsausgaben der Kunden noch durch die kürzeren Reisezeiten gefährdet zu sein - nicht einmal durch das Unglück der "Costa Concordia", das die Buchungen so gut wie nicht beeinträchtigt.

Die Reedereien und ihre Agenturen kämpfen längst mit zahlreichen Sonderangeboten und heftigen Preisschlachten um neue, weniger betuchte Klientel. Der Wiener Kreuzfahrt-Spezialist McCruise etwa offeriert achttägige Mittelmeer-Routen auf der "MSC Fantasia" schon ab 998 Euro - eine Begleitperson wird gratis mitgenommen.