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Bierbarone auf der Anklagebank

Von Kid Möchel

Wirtschaft

Strafverfahren gegen frühere BBAG/Brauunion-Aktionäre neu aufgerollt.|Elf Angeklagte bestreiten Vorwürfe, ein fälschlich Angeklagter freigesprochen.


Wien. Fast zehn Jahre nach dem Verkauf der Bauunion AG und der Brau-Beteiligungs AG (BBAG) an den niederländischen Heineken-Konzern (Transaktionsvolumen: 1,9 Milliarden Euro) müssen sich zwölf Mitglieder früherer Eigentümerfamilien erneut vor Gericht verantworten. Ihnen wird Insiderhandel vorgeworfen. Das heißt: Sie sollen interne Informationen vor dem Verkauf des Braukonzerns (Gösser, Zipfer, Kaiser, Puntigamer, Reininghaus, Wieselburger, Schwechater, Edelweiss, Schlossgold, Pago) an Heineken im April 2003 dazu benutzt haben, durch Aktienzukäufe einen zusätzlichen Reibach zu machen; beziehungsweise sollen sie als sogenannte Primärinsider Informationen an Sekundärinsider (Familienangehörige) weitergegeben haben, damit diese einen lukrativen Schnitt machen konnten. Die Vorwürfe werden bestritten.

Nach dem ersten Prozess gegen die Bierbarone im Jahr 2007 heißt es nun zurück an den Start. Das Oberlandesgericht Wien hat die Urteile sowie Diversionsabmachungen aufgehoben und eine neuerliche Verhandlung angeordnet; vier Freisprüche blieben rechtskräftig. Die alte-neue Anklage stammt vom 31. Mai 2006 und aus der Feder des damaligen Staatsanwalts Georg Krakow. Von den ursprünglich 16 Angeklagten wurden 11 im ersten (aufgehobenen) Verfahren freigesprochen. Am Montag kam ein Freispruch eines Wieder-Angeklagten - Ex-BBAG-Aktionär Paul Kretz - dazu. Sein Verteidiger Mario Schmieder fragte Staatsanwalt Bernhard Löw ganz direkt, warum Kretz auf der Anklage sitze, wo doch seine Verwandten Nikolaus und Fritz Kretz vom Vorwurf freigesprochen worden waren, Paul Insiderinformationen geliefert zu haben.

Irrtum der Anklagebehörde

Staatsanwalt Löw, der den Akt "geerbt" hat und laut eigenen Angaben nur über das Wochenende Zeit hatte, ihn zu studieren, zog daraufhin die Anklage gegen Paul Kretz zurück, Richter Georg Olschak sprach ihn im Handumdrehen frei. Zuvor hatte Olschak die angeblichen Sekundärinsider gefragt, ob sie eine Diversion, also eine alternative Beendung des Strafverfahrens mit einer Geldbuße, annehmen würden. Sie lehnten ab. Alle Angeklagten - Christian, Ludwig und Stefan Beurle, Karl, Ulrike und Astrid Büche, Nikolaus Kretz, Heinz-Peter und Wilhelm Mathes sowie Christian und Irene Atzwanger - wiesen die Vorwürfe zurück. Auch der Hinweis des Richters, ein Geständnis wäre ein wesentlicher Milderungsgrund, verhallte unerwidert im großen Schwurgerichtssaal des Straflandesgerichtes Wien.

Indes zogen die Verteidiger der Angeklagten alle Register. Wirtschaftsstrafrechtsprofessor Wolfgang Brandstetter, Verteidiger von Christian Beurle und Karl Büche, erinnerte daran, dass der alte Tatbestand des Insiderhandels, nach dem verhandelt wird, 2004 reformiert werden musste, da er zu unklar war. Brandstetter: "Man sollte in diesem Verfahren nicht den Fehler machen und Vorgänge, die zehn Jahre zurückliegen, mit heutigen Maßstäben messen." Anwältin Bettina Knötzl behauptete, die Öffentlichkeit sei per Ad-hoc-Meldung am 23. Jänner 2003 über mögliche Zukunftsszenarien informiert, aber der Verkaufsentschluss der syndizierten Kernaktionäre erst am 30. April gefasst worden, nachdem Heineken den genauen Preis genannt habe.

Die Aktienzukäufe im März 2003, also im inkriminierten Zeitraum, durch Stefan Beurle im Namen der Brauerei Ennsdorf Liegenschaftsverwaltung GmbH interpretierte sie als normale Zukäufe im Wettlauf um die Macht im Konzern. "Es war ein Rittern um die Vormachtstellung zwischen den Familien Beurle und Kretz." Auch Astrid Büche wollte durch Zukäufe den Einfluss der Familie vergrößern. Das behauptete ihr Verteidiger Farid Rifaat. Und Nikolaus Kretz’ Verteidiger Richard Soyer wies auf einschlägige Judikatur hin: Handle ein Insider in einer Weise, in der er auch ohne Insiderinformation handeln würde - tätige er also übliche Zukäufe, um seine Position zu bessern -, so sei dies kein Insiderhandel.

Wissen

Der Tatbestand des Insiderhandels wird seit 2005 mit der Börsegesetznovelle breiter ausgelegt. Paragraf 48b des Börsegesetzes sanktioniert den Missbrauch von Insiderinformationen: "Wer eine Insiderinformation ausnützt, um sich oder einem Dritten einen Vermögensvorteil zu verschaffen, sei es durch An- und Verkauf oder Empfehlung von Wertpapieren oder durch Weitergabe der Information an Dritte", dem drohen im schlimmsten Fall bis zu drei Jahre Haft, sofern der Schaden 50.000 Euro überschreitet. Eine Insiderinformation "ist eine öffentlich nicht bekannte, genaue Information, die mit einem oder mehreren Emittenten oder einem oder mehreren Finanzinstrumenten direkt oder indirekt in Zusammenhang stehen". Auch muss sie "geeignet sein, bei ihrer Veröffentlichung den Kurs eines Wertpapiers erheblich zu beeinflussen, und so beschaffen sein, dass ein verständiger Anleger sie wahrscheinlich als Grundlage seiner Anlageentscheidungen nutzen würde". Laut Klaus Grubelnik von der Finanzmarktaufsicht filtern deren Mitarbeiter mit dem Überwachungstool "Market Abuse Detector" jährlich 1000 bis 2000 auffällige Transaktionen. Rund 15 mutmaßliche Insiderfälle fallen dadurch an, etwa ein bis drei Fälle werden dann auch zur Anzeige gebracht. 2009 waren es vier Strafanzeigen, 2010 war es lediglich eine und im Vorjahr soll es auch mindestens eine gewesen sein.

WISSEN:

Der Tatbestand des Insiderhandels wird seit 2005 mit der Börsegesetznovelle breiter ausgelegt. Paragraf 48b des Börsegesetzes sanktioniert den Missbrauch von Insiderinformationen: "Wer eine Insiderinformation ausnützt, um sich oder einem Dritten einen Vermögensvorteil zu verschaffen, sei es durch An- und Verkauf oder Empfehlung von Wertpapieren oder durch Weitergabe der Information an Dritte", dem drohen im schlimmsten Fall bis zu drei Jahre Haft, sofern der Schaden 50.000 Euro überschreitet. Eine Insiderinformation "ist eine öffentlich nicht bekannte, genaue Information, die mit einem oder mehreren Emittenten oder einem oder mehreren Finanzinstrumenten direkt oder indirekt in Zusammenhang stehen". Auch muss sie "geeignet sein, bei ihrer Veröffentlichung den Kurs eines Wertpapiers erheblich zu beeinflussen, und so beschaffen sein, dass ein verständiger Anleger sie wahrscheinlich als Grundlage seiner Anlageentscheidungen nutzen würde". Laut Klaus Grubelnik von der Finanzmarktaufsicht filtern deren Mitarbeiter mit dem Überwachungstool "Market Abuse Detector" jährlich 1000 bis 2000 auffällige Transaktionen. Rund 15 mutmaßliche Insiderfälle fallen dadurch an, etwa ein bis drei Fälle werden dann auch zur Anzeige gebracht. 2009 waren es vier Strafanzeigen, 2010 war es lediglich eine und im Vorjahr soll es auch mindestens eine gewesen sein.