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Bittere Schokolade

Von Michael Ortner

Wirtschaft

Die Nachfrage nach Kakao steigt, doch die Produzenten in Kamerun leben von weniger als einem Dollar am Tag.


Ein Bauer wendet Kakaobohnen zum Trocknen in der Sonne.
© Südwind Tirol, Caroline Sommeregger

Wien. Das "Essen der Götter" wächst seit mehr als hundert Jahren in Kamerun. Oval und leuchtend gelb hängt die Kakaofrucht von den Bäumen. In dem westafrikanischen Land herrscht tropisches Klima und somit ideale Bedingungen für Kakao. Rund 1,4 Millionen Menschen leben von der empfindlichen Bohne, aus der Schokolade hergestellt wird. Damit ist Kamerun der fünftgrößte Kakao-Produzent der Welt.

Eigentlich keine schlechte Ausgangslage für die Bauern des Landes. Denn die weltweite Nachfrage nach den Bohnen, die nach dem Ernten fermentiert und getrocknet werden, steigt. 3,5 Millionen Tonnen Kakaobohnen werden weltweit jährlich produziert. Bis 2020, so schreibt Agrarwissenschafter Christopher Tankou in seiner Studie "The Cameroon Cocoa Story", wird die Industrie mindestens 4,5 Millionen Tonnen brauchen, um den zunehmenden Bedarf - vor allem aus Asien - decken zu können.

Grund zur Freude also? Nicht wirklich. Denn die Kakao-Bauern in Kamerun leben in bitterer Armut. "Sie verdienen einen Dollar pro Tag. Sie haben kein Geld, um Dünger, Pestizide und neue Pflanzen kaufen", sagt Tankou im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Da die Bauern aus Mangel aus Geld keine Pestizide und Insektizide einsetzen können, hätte der Kakao sogar Bioqualität. Sie könnten ihn für einen höheren Preis verkaufen. Dafür fehlt ihnen jedoch die nötige Zertifizierung.

Vom Preis einer Tafel Schokolade im Supermarkt bleiben den Kakaobauern im Schnitt nur 6,6 Prozent, 1980 waren es noch 16. Während in Österreich jährlich pro Kopf 8,5 Kilogramm Schokolade verzehrt werden, bleibt Milch- oder Zartbitterschokolade für die Menschen in Kamerun ein unleistbares Luxusprodukt. Nur ein Prozent der produzierten Kakaobohnen bleiben im Land, der Rest wird exportiert, vor allem nach Europa.

Kakao
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Der Großteil der Bauern bewirtschaftet nur eine sehr kleine Fläche, meist zwischen zwei und fünf Hektar Land. Pro Hektar ernten sie rund eine halbe Tonne Kakao. Am Weltmarkt kostet die Tonne derzeit rund 1800 Dollar - der Preis unterliegt jedoch sehr starken Schwankungen. Dies erschwert die Situation der Bauern zusätzlich, die nebenbei noch mit Ernteausfällen und Schädlingen zu kämpfen haben.

Die Zwischenhändler profitieren

Doch den Bauern fehlt ohnehin der Zugang zu diesem Markt. Sie sind meist auf Zwischen- und Großhändler angewiesen, die ihnen die Ware nur zu einem geringerem Preis abnehmen. "Die Kakaobauern haben kaum eine Chance, einen guten Preis zu erzielen", sagt Tankou. Eine der Ursachen für die Abhängigkeit von Zwischenhändlern ist die schlechte Infrastruktur. Die Straßen sind in einem "bedauernswerten Zustand", wie Tankou in seiner Studie schreibt. Unter solchen Bedingungen sei es extrem schwierig, den Kakao von den zum Teil entlegenen Dörfern zu den Märkten zu transportieren, wo sie einen höheren Preis bekämen.

Manchmal würden die Bauern auch vor der Ernte festlegen, eine bestimmte Menge Kakao zu einem bestimmten Preis zu liefern. Steigt der Preis in der Zwischenzeit, müssen sie trotzdem zu einem niedrigeren Preis verkaufen, sagt der Agrarwissenschafter, der an der Universität von Dschang im Südwesten Kameruns forscht. Als Kooperative, also Zusammenschluss von mehreren Kakaobauern, hätten sie mehr Verhandlungsmacht und könnten sich ihren Kakao, etwa mit dem Fairtrade-Siegel, zertifizieren lassen. Doch Kooperativen sind nicht so weit verbreitet wie etwa in der Elfenbeinküste.

Alte Bauer, alte Bäume

Den Bauern mangelt es nicht nur an Geld für Unkraut- und Insektenvernichter, sondern auch an Nachwuchs. Fast 40 Prozent von ihnen sind zwischen 50 und 59 Jahre alt, der Anteil der 20-29-Jährigen liegt bei nur 6,8 Prozent. "Viele junge Menschen kehren dem Kakaoanbau den Rücken und ziehen in die Stadt auf der Suche nach besser bezahlten Jobs", erklärt Tankou. Der Staat müsste seiner Meinung nach mehr in Infrastruktur, Bildungseinrichtungen und die Schulung der Bauern investieren.

Die Bewirtschaftung von Kakaofeldern wäre ohne die Hilfe von Frauen kaum zu bewerkstelligen. Wie alle Familienmitglieder sind auch sie in die Produktion eingebunden. Doch die Geschlechterungleichheit ist extrem. Frauen werden diskriminiert, sie dürfen meist kein Land besitzen oder erben und sind von Spar- und Kreditsystemen ausgeschlossen."Es gibt schon auch alleinerziehende Frauen, die eigenes Land besitzen. Doch wenn es ans Verhandeln geht, haben sie weniger Macht als die Männer", sagt Tankou.

Christopher Tankou (58) ist Agrarexperte an der Universität in Dschang (Kamerun) und forscht dort zu Kakaoanbau und dessen Einfluss auf die lokale Entwicklung im ländlichen Raum. Tankou war auf Einladung der Menschenrechtsorganisation Südwind in Österreich.
© Teynor_Südwind

Der globale Schokoladenmarkt ist hoch konzentriert und wird von einer Handvoll Konzernen dominiert. Tankou fordert sie auf, mehr in den Kakaoanbau zu investieren, wie etwa neue Bäume zu pflanzen. Denn der Großteil der Bäume ist mehr als 50 Jahre alt und nur noch wenig ertragreich. Außerdem müssen die Bauern geschult werden, wie sie ihre Anbaumethoden verbessern können. "Wenn sich Kakao nicht mehr lohnt, steigen die Menschen auf andere Berufsfelder um."

Die Folge: Der steigenden Nachfrage steht immer weniger Kakao zur Verfügung. Wird diese Entwicklung nicht gestoppt, gilt Schokolade vielleicht auch bald in Europa als Luxusprodukt

Auch die Konsumenten nimmt Tankou in die Pflicht. Sie sollten mehr zertifizierte Schokolade kaufen, weil den Bauern dadurch mehr Geld zugutekommt.

Mehr zum Thema:

Die Studie "The Cameroon Cocoa Story" gibt es hier zum Nachlesen.

Das Schoko-Gold, Reportage aus der Elfenbeinküste