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Knausern für die Arbeitslosigkeit

Von WZ Online/mei

Wirtschaft

Noch heuer mehr als 200 Millionen Menschen arbeitslos.
| Monti und Merkel feilen an Wachstumsplänen für Europa.


Genf/Rom. Die Menschheit unter dem Sparstift: Wie aus dem Jahresbericht der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) der UNO hervorgeht, haben Sparpakete und Arbeitsmarktreformen, die derzeit in zahlreichen Ländern weltweit umgesetzt werden, die Situation auf den Arbeitsmärkten dramatisch verschärft. Die Zahl der Arbeitslosen ist im Vorjahr auf 196 Millionen angeschwollen, Tendenz weiter steigend. In Europa hält man ungeachtet dessen am Sparkurs fest - wenngleich Deutschlands Kanzerlin Angela Merkel und Italiens Premier Mario Monti inzwischen auch an Wachstumsplänen feilen.

Wie die ILO berichtet, werde Europa nicht vor Ende 2016 das Beschäftigungsniveau von 2008 erreichen. 40 Prozent der Arbeitslosen in den entwickelten Ländern im Alter zwischen 25 und 49 Jahren hätten bereits seit mehr als einem Jahr keinen Job mehr, erklärte die ILO. "Die Entwicklungen sind speziell in Europa besorgniserregend, wo die Arbeitslosigkeitsrate sich seit 2010 um nahezu zwei Drittel erhöht habe", schreibt die ILO.

Weltweit habe sich vor allem unter den jungen Erwachsenen die Zahl der Arbeitslosen stark erhöht, was zu einem steigenden Risiko sozialer Unruhen etwa in Afrika und dem Nahen Osten führe. Noch heuer wird die Zahl der Arbeitslosen die 200-Millionen-Marke durchbrechen, eine Erholung scheint angesichts der Sparzwänge, die gegenwärtig viele Regierungen realisieren, noch in weiter Ferne.

Haushaltsstrenge mit Wachstumszielen
In Europa bemühen sich indes Angela Merkel und Mario Monti um eine Belebung der Wirtschaft - und damit auch des Arbeitsmarktes. Intensive Gespräche sollen die Strenge in der Haushaltsdisziplin nicht aufweichen, aber mit einer Wachstumsstrategie verbinden. Zur Diskussion standen gemeinsame Wachstumsbemühungen, die auf den gesamten EU-Raum ausgedehnt werden sollen. Konkrete Angaben über die bilaterale Initiative sind noch nicht bekannt. Im Mittelpunkt der Gespräche stehen Indiskretionen zufolge die Beschleunigung von Strukturreformen. Spekuliert wird, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel dafür womöglich auch die Emission von Euro-Bonds akzeptieren könnte.

Während die Sparvorhaben aufrecht sind, melden sich immer mehr Stimmen zu Wort, die vor einem neuen Aufflackern der Euro-Krise warnen. So zeigte sich Fed-Mitglied John Williams "sehr besorgt über das Risiko einer neuerlichen Verschärfung in der Schuldensituation der europäischen Staaten und im europäischen Finanzsystem. Das Schlimmste ist noch nicht vorbei", sagte der Chef der regionalen Notenbank von San Francisco dem "Handelsblatt". Williams ist zurzeit stimmberechtigtes Mitglied in dem Gremium der US-Notenbank, das über die Geldpolitik bestimmt.

Williams zeigte sich skeptisch, ob der drastische Sparkurs in vielen europäischen Ländern der richtige Weg zur Lösung der Krise ist. "Ich werde anderen Ländern nicht sagen, was sie tun sollen. Aber wenn die Konjunktur schwach ist und zu viele Länder gleichzeitig sparen, wird es für die Staaten mit Problemen schwerer, wieder zu normaler Wirtschaftsleistung zurückzukommen", so Williams. Ein schwaches Wachstum erschwere es, Haushaltsdefizite und Verschuldung in den Griff zu bekommen. Man müsse die richtige Balance finden.

Ähnliche Worte findet auch die ILO: "Es ist an der Zeit, sich einer wachstums- und arbeitsplatzorientierten Strategie zuzuwenden", so die UNO-Teilorganisation.

Spanien in der Rezession
Für Spanien, aktuell eines der größten Sorgenkinder Europas, hat sich diese Warnung indes bereits bestätigt. Im ersten Quartal 2012 rutschte das Land in die Rezession, in den ersten drei Monaten des laufenden Jahres sank die Wirtschaftsleistung um 0,3 Prozent, wie das spanische Statistikamt mitteilte.  Fast jeder vierte Spanier ist arbeitslos, unter jungen Erwachsenen liegt der Anteil deutlich höher.

Mit dem drastischen Sparkurs will die Regierung das Vertrauen der Finanzmärkte sichern. Auf den Märkten wird Spaniens jüngste Entwicklung allerdings mit Skepsis beäugt. Nach der Abstufung des Landes hat die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) nun auch die Einstufung für zahlreiche spanische Banken gesenkt. Die Bonitätsnoten für die beiden Großbanken BBVA und Santander wurden dabei wie für das Land Spanien selbst um zwei Stufen reduziert. Der Sparkurs stellt demnach auch in Madrid nur ein bedingt positives Signal für Investoren dar.