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Lehman-Pleite: Pikantes Urteil gegen AWD

Von Kid Möchel

Wirtschaft

Oberlandesgericht hob fragwürdiges Urteil auf - AWD prüft Rechtsmittel.


Linz/Wien. Der umstrittene Finanzstrukturvertrieb AWD, der unter anderem mit Sammelklagen des Vereins für Konsumenteninformation (VKI) in Sachen Immofinanz eingedeckt ist, hat in einem besonders pikanten Anlegerfall eine Niederlage vor dem Oberlandesgericht (OLG) Linz (Akt 2 R 19/12w) erlitten. Das OLG hat ein Ersturteil, das dem Kläger die Klagslegitimation versagte, aufgehoben und den Fall zu neuer Verhandlung an das Erstgericht zurückgeschickt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Gerhard H., vertreten von Anwalt Wolfgang Haslinger (Kanzlei Neumayer, Walter & Haslinger) hatte für seine schwerst behinderte Schwester, deren Ersparnisse er verwaltete, Geld veranlagt - über einen Berater des AWD. "Er habe das dem AWD-Berater ebenso offengelegt wie den Umstand, dass er keinerlei Risikoakzeptanz für einen allfälligen Verlust der Vermögenswerte seiner Schwester hatte", zitieren die Oberrichter aus dem Klagsvorbringen. Das Geld, 10.000 Euro, wurde aber über den AWD in das Lehman-Währungszertifikat "Dragon FX Garant" mit 100-Prozent-Kapitalgarantie investiert. Da die Investmentbank Lehman Brothers 2008 pleite ging, trat ein Totalverlust ein.

Das Recht, Ersatz zu fordern

Herr E. zahlte seiner Schwester den Schaden und macht in einer Klage Regressansprüche gegen den Finanzstrukturvertrieb geltend. Vorwurf: Er sei vom AWD falsch beraten worden. Der AWD bestreitet das. "Aus der Behauptung, dass er seiner Schwester das Geld ersetzt habe, ergibt sich keine Klagslegitimation", konterte der AWD. Das Erstgericht wies die Klage wegen Unschlüssigkeit ab.

"Der Schaden ergebe sich nicht aus der behaupteten Fehlberatung durch den AWD, sondern daraus, dass Herr E. an seine Schwester rechtsgrundlos gezahlt habe", meinte das Erstgericht. "Da Herr E. jedoch den Schaden seiner Schwester ersetzt habe, ohne dazu verpflichtet gewesen zu sein, liege bei ihr kein Schaden mehr vor."

Die Richter Angelika Kremser, Ulrike Bourcard und Paul Aman vom Oberlandesgericht Linz sehen das aber etwas anders. "Herr E. hat seiner Schwester das verlorene Anlagekapital ersetzt, ohne dass dazu eine rechtliche Verpflichtung erkennbar wäre", heißt es im OLG-Urteil. "Erst dadurch hat er den eingeklagten Vermögensnachteil erlitten, hinsichtlich dessen er sich beim AWD regressieren will." Nachsatz. "Dass er sich freiwillig anstelle seiner Schwester in die Position des wirtschaftlichen Geschädigten begeben hat, steht jedoch einer Klagsführung nicht entgegen." Im Urteil wird auch das Bürgerliche Gesetzbuch herangezogen: "Wer für einen anderen einen Aufwand macht, den dieser nach dem Gesetz selbst hätte machen müssen, hat das Recht, Ersatz zu fordern."

"Es wäre nicht einzusehen, dass eine allfällige Schadenersatzpflicht des AWD aus mangelhafter Anlageberatung bloß deshalb nicht einforderbar wäre, weil Herr E. seiner Schwester den eingetretenen Verlust ihres - vom ihm veranlagten - Kapitals abgedeckt hat", urteilten die Oberrichter. Der AWD kann nun beim Obersten Gerichtshof ein Rechtsmittel einlegen oder den Fall auch gütlich bereinigen. AWD-Sprecher Hansjörg Nagelschmidt: "Wir prüfen den Fall in alle Richtungen und haben dazu bis zehnten Juli Zeit."