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Kaufen ohne schlechtes Gewissen

Von Sophia Freynschlag

Wirtschaft
An die nachfolgenden Generationen denken heißt, umweltfreundlich zu produzieren.
© © Igor Yaruta - Fotolia

Cradle to Cradle: Produkt ohne Schadstoffe soll verrotten oder wiederverwertet werden können.


Wien. Nach ihrer Lebensdauer sind Produkte normalerweise Abfall und müssen entsorgt werden - nach dem Prinzip "Von der Wiege zur Bahre". Die Vision von "Cradle to Cradle" (von der Wiege zur Wiege) ist hingegen, dass das Produkt nach dem Lebenszyklus entweder verrottet und als Dünger dient oder wiederverwertet und damit als Nährstoff für neue Produkte verwendet werden kann.

"Wir wollen nicht für die Müllhalde produzieren. Es geht darum, nicht in Einbahnen, sondern in Kreisläufen zu denken", sagt Reinhard Herok, Leiter des Bereichs Nachhaltigkeitsmanagement bei der Druckerei Gugler in Melk (Niederösterreich), die Cradle-to-Cradle-zertifiziert ist.

"Das Produkt wird so designt, dass es nach der Verwendung als Rohstoff oder Nahrung eingesetzt werden kann und somit in den Kreislauf zurückgeht", erklärt Herok. Entwickelt wurde Cradle to Cradle vom Deutschen Michael Braungart, Gründer des Umweltforschungsinstituts EPEA, gemeinsam mit dem US-amerikanischen Architekten William McDonough. Gugler-Mitarbeiter hatten das Konzept vor rund drei Jahren kennengelernt und seitdem an Papiersorten und Farben ohne Schadstoffe getüftelt. Seit diesem Jahr werden Cradle-to-Cradle-zertifizierte Druckprodukte angeboten - laut dem Unternehmen sind es die ersten weltweit.

Backhausen stellt nur mehr umweltfreundliche Stoffe her

"Die herkömmliche Druck- und Papierproduktion ist eine Dreckschleuder und verbraucht viel Energie und Ressourcen", sagt Herok. Gugler versuche hingegen seit vielen Jahren, so ökologisch wie möglich zu arbeiten. "Cradle to Cradle ist nun das Sahnehäubchen des ökologischen Druckes", beschreibt Herok. Die Produkte verrotten am Acker oder im Kompost ohne Schadstoffe, seien aber nur "minimal teurer" als andere Drucksorten.

Bevor die zertifizierten Drucksorten hergestellt werden, wird die Maschine komplett durchgeputzt. Hunderte Printprodukte wie Postkarten, Broschüren, Kataloge und Berichte wurden bisher hergestellt, beispielsweise der WWF-Jahresbericht 2011 oder der Nachhaltigkeitsbericht für die Abfallentsorgungsfirma Saubermacher. In Planung ist ein Ökobuch, das man theoretisch essen könnte.

Umweltfreundliche Produkte ohne Schadstoffe, die Cradle-to-Cradle-zertifiziert sind, stellt auch Backhausen her. Der Wiener Traditionsbetrieb, der hochwertige Möbel- und Vorhangstoffe in 40 Länder weltweit exportiert, hat bereits im Jahr 2008 seine gesamte Produktion auf Cradle to Cradle umgestellt. Alle Chemikalien wurden ausgetauscht, sodass nun schadstofffrei produziert wird. Die Preise für die Endkunden stiegen dadurch um zwei Prozent.

"Cradle to Cradle ist nächste industrielle Revolution"

"Es ist mir ein Herzensanliegen, einen Beitrag zur Umwelt zu leisten", sagt Firmenchef Reinhard Backhausen. Den Anstoß zur Umstellung hatte der Film "Eine unbequeme Wahrheit" mit Al Gore über die globale Erwärmung gegeben, erzählt Backhausen.

Benannt wurde die Stoff-Entwicklung Returnity - "der Stoff der vielen Leben". Der Begriff setzt sich aus Return (zurückkehren) und Eternity (für die Ewigkeit) zusammen. Die Stoffe werden von Backhausen zurückgenommen und für die Herstellung neuer Stoffe verwendet. Ein E-Mail des Kunden reicht, und der nicht mehr gebrauchte Stoff wird von Logistikpartnern abgeholt. Für den Kunden ist dieses Service kostenlos, er erhält einen Gutschein für eine Folgebestellung.

"So werden Ressourcen geschont und Abfall vermieden. Wir müssen viel mehr Verantwortung übernehmen, weil es weltweit nicht genug Ressourcen gibt", sagt Backhausen. Cradle to Cradle könne in allen Industriebereichen angewendet werden. Auch der Elektronikkonzern Philips bietet beispielsweise einen umweltfreundlichen Fernseher an.

Herok von Gugler betont, dass Verbraucher sich mehr mit der Art der Herstellung beschäftigen sollten: "Konsumenten sollten auf Labels, Auszeichnungen und Zertifikate achten." Bei Hühnerfleisch schaue man schließlich auch auf das Gütesiegel.