Zürich/Bern. (hes/reu/apa) Über einen Zeitraum vieler Jahrzehnte hatte sich die Schweiz einen Ruf als sicherer Hort für große Geldbeträge erarbeitet. Nicht allen Kunden war es dabei allein an der Kundenfreundlichkeit oder der Sicherheit eidgenössischer Tresore gelegen: Dank des Bankgeheimnisses waren unversteuerte Einkommen aus dem Ausland sicher vor dem Zugriff der Finanzbehörden geborgen.

Binnen weniger Jahre hat sich das Blatt gewendet. Ein spektakulärer Streit mit den USA über Steuerhinterziehung, Fehlspekulationen und mögliche Verwicklungen in den Libor-Zinsskandal haben an der Reputation gekratzt. Und auch Druck von außen macht der zuvor unantastbar scheinenden Branche zu schaffen: Die Industriestaatenorganisation OECD hat sich den Kampf gegen Steueroasen auf die Fahnen geheftet. Und immer mehr Staaten gehen auf eigene Faust gegen Schwarzgeld vor - sei es mit bilateralen Steuerabkommen oder durch den Kauf von "Steuer-CDs", auf denen sich die Bankdaten von ausländischen Kunden befinden.

Das hat den Finanzplatz radikal verändert. Die eidgenössischen Institute bekommen die Folgen drastisch zu spüren - immer mehr reiche Kunden ziehen ihr Geld ab. Allein wegen des Drucks auf Steuerflüchtlinge und der geplanten Abgeltungssteuer würden "insgesamt hunderte Milliarden Franken aus der Schweiz abfließen", warnte Jürg Zeltner, Chef der Vermögensverwaltung der Großbank UBS im Magazin "Schweizer Bank". Allein bei UBS könnten sich die Abflüsse auf 12 bis 30 Milliarden Franken summieren. Zum Vergleich: Die größte Schweizer Bank verwaltet 783 Milliarden Franken an Kundenvermögen (643 Milliarden Euro).

Credit Suisse leidet noch stärker: Seit 2009 haben Westeuropäer 32 Milliarden Franken abgezogen. Und die Bank rechnet mit weiteren Einbußen von netto 25 bis 35 Milliarden Franken, sagte Finanzchef David Mathers kürzlich. Laut Angaben der Unternehmensberatung ZEB verwalten Schweizer Banken ein Kundenvermögen von 2800 Milliarden Schweizer Franken (2300 Milliarden Euro), wovon bis zu 200 Milliarden Franken (165 Milliarden Euro) wegfallen könnten.

Große Banken - ein Risiko

Für den Schweizer Finanzplatz als Ganzes sei der Aderlass nicht bedrohlich, sagte der Schweizer Bankenexperte Manuel Ammann zur "Wiener Zeitung". Eng werden könnte es allenfalls für einzelne Banken, die sich sehr stark auf das sogenannte "Offshore-Geschäft" spezialisiert hatten und in den letzten Jahren nicht auf den absehbaren Trend reagiert haben. "Ich denke, dass man tatsächlich auf das Geschäft mit unversteuerten Geldern verzichten muss - oder schon in den letzten Jahren faktisch verzichtet hat", sagte Ammann, Leiter des Schweizerischen Instituts für Banken und Finanzen (SBF) an der Universität St. Gallen. Es sei eine große Herausforderung, wenn ein so großer Wettbewerbsvorteil wie das Bankgeheimnis wegfalle - dieses sei zwar formell noch in Kraft, faktisch aber "sehr stark ausgehöhlt". Und es werde durch den Kampf gegen Geldwäsche oder gegen Steuerflucht weiter ausgehöhlt. Finanzbehörden müssen bei Gruppenanfragen nicht einmal mehr einzelne Kundennamen kennen, um Auskünfte von den Banken zu erhalten: Es reicht, wenn sie ein Kundenmuster hinreichend beschreiben können.

Die Anpassung der Schweizer Institute an neue Geschäftsmodelle werde einige Jahre dauern, prognostizierte Ammann. Die Banken müssten neue Alleinstellungsmerkmale bei Dienstleistungen und Produkten gewinnen - und die Performance verbessern: wegen der unversteuerten Gelder hätten die Schweizer Banken hierbei weniger Wettbewerbsdruck verspürt. Große Institute sieht Ammann betriebswirtschaftlich besser für den Kurswandel vorbereitet. Aus volkswirtschaftlicher Perspektive hätten riesige Universalbanken aber Nachteile, weil sie ein Systemrisiko darstellen. International läuft deshalb momentan eine angeregte Debatte, ob Banken in Geschäfts- und Investmentbanken gesplittet werden sollen. Ammann hält die Zeit dafür zwar noch nicht für reif, könnte sich aber andere, etwa geografische Trennlinien vorstellen - etwa eine Aufteilung in US- und Schweiz-Geschäft.

Das Interview im Wortlaut finden Sie hier: http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/wirtschaft/international/487431_Es-gibt-triftige-Gruende-Grossbanken-aufzuteilen.html