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Zerschellte Konzernträume

Von Alexander Dworzak

Wirtschaft

Ablöse von EADS-Chef Enders nach geplatztem Zusammenschluss erwartet.


Paris/Berlin/London.

Die großen Pläne der Waffenhersteller wurden abgeschossen...
© Bild: EADS

Tief sitzt der Frust bei EADS und BAE Systems in der Stunde der Niederlage. Seit Monaten arbeiteten der deutsch-französisch kontrollierte Luftfahrtkonzern und sein britisches Pendant an einer Fusion. Die Pläne zerschellten jedoch am Misstrauen der jeweiligen Regierungen untereinander und an deren nicht kompatiblen industriepolitischen Vorstellungen.

Unverblümt kritisierten die Konzerne am Mittwoch die Verantwortlichen in Paris, Berlin und London in einer Aussendung. Noch einen Schritt weiter ging ein EADS-Sprecher, der Deutschland verantwortlich machte - was Deutschlands Verteidigungsminister Thomas de Maiziere zurückwies. Auch Frankreichs Präsident François Hollande stellte eine Verantwortung der Politik für das Scheitern in Abrede.

Passé ist die Vision des weltgrößten Luftfahrt- und Rüstungskonzerns mit 72 Milliarden Euro Umsatz und über 220.000 Mitarbeitern. Es wäre eine Win-Win-Situation für beide Partner gewesen: EADS versucht bereits seit längerem, seine Abhängigkeit von der zivilen Luftfahrtsparte Airbus zu verringern. So steuert die militärische Sparte Cassidian, die am Konsortium des Kampfjets Eurofighter maßgeblich beteiligt ist, lediglich 5,8 Milliarden Euro zum Konzernumsatz von 49 Milliarden Euro bei. Im Gegensatz dazu konzentriert sich BAE auf den Verteidigungssektor und erwirtschaftet in Nordamerika 40 Prozent des Betriebsgewinns - im dank des Militärbudgets der USA lukrativsten Markt der Welt.

Gerade die Marktstellung in Übersee sah Großbritannien durch den Deal gefährdet. Hätten Deutschland und Frankreich eine Sperrminorität von über 25 Prozent der Anteile am neuen Rüstungsriesen gehalten, hätte dieser als staatsbeeinflusstes Unternehmen gegolten - was London unter allen Umständen vermeiden wollte. Die britische Regierung, die selbst keine Anteile an BAE hält, ging dabei konform mit dem größten Aktionär, dem US-Finanzinvestor Invesco. Frankreich und Deutschland dachten als Kern-Aktionäre von EADS aber nicht an einen Rückzug aus dem neuen Konglomerat.

Dass die bei EADS fein austarierte Machtbalance zwischen Berlin und Paris mit einer Fusion ins Schleudern kommen könnte, war Deutschlands große Sorge. Als Favoriten für die Konzernsitze der Zivil- bzw. Rüstungssparte galten Toulouse und London; Deutschlands Abstieg zur "verlängerten Werkbank" mit zehntausenden Arbeitsplätzen, aber nur geringer Entscheidungsgewalt auf Produktion, Standorte und Strategien schien für die Kritiker in Berlin bereits vorgezeichnet.

Der Argwohn bleibt

Nun bleibt zumindest vorerst alles beim Alten bei EADS - Berlin und Paris beäugen sich weiter argwöhnisch. Daimler möchte seine Anteile über 22,5 Prozent reduzieren, die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau steht als Abnehmer bereit. Und BAE wird wieder auf Partnersuche gehen. Bereits vor dem Flirt mit EADS war eine Fusion mit dem US-Rüstungshersteller Northrop Grumman angedacht.

Mit Tom Enders scheint jedoch der erste Verlierer des Machtspiels festzustehen. Der EADS-Boss, erst im Juni angetreten, konnte die vehement von ihm forcierte Fusion nicht durchsetzen. Seine Vision eines nur minimal von Staatsinteressen getriebenen Konzerns scheiterte kläglich. Enders wird mangelndes politisches Geschick vorgeworfen, insbesondere im Dialog mit Vertretern seiner deutschen Heimat. Sein Chefsessel dürfte sich bald zum Schleudersitz wandeln.

An den Börsen wurde das Scheitern unterschiedlich quittiert. Während EADS um 4 Prozent zulegte, fielen BAE-Aktien leicht.