Berlin/Abu Dhabi. (da) Auf den Ausstieg folgt das Zittern: Vergangene Woche kündigte das Emirat Abu Dhabi seinen Rückzug beim deutschen Autobauer Daimler an, der nun auf der Suche nach einem neuen, stabilen Großaktionär ist. Dabei drängt die Zeit. Angesichts der Wirtschaftskrise, sinkender Absätze - insbesondere in Europa - und eines fallenden Aktienkurses droht Daimler ohne Kernaktionär zum Übernahmeziel und Spekulationsobjekt zu werden.
Prompt reagierte das Daimler-Management und nahm Gespräche mit potenziellen Investoren auf. Auch ein chinesischer Einstieg sei "eine real existierende Möglichkeit", heißt es bei der Premiummarke, die gegenüber den direkten Konkurrenten BMW und Audi immer stärker ins Hintertreffen gerät. In dieser Notlage hoffen so manche im Stuttgarter Konzern auf ein zumindest kurzfristiges Investment der Deutschen Bank. Zwar halten die Banker derzeit lediglich 0,79 Prozent der Daimler-Stimmrechte. Sie verfügen jedoch dank Kauf- und Verkaufsoptionen über Zugriff auf 15,8 Prozent, berichtet die "Süddeutsche Zeitung".
Kein Deutschland AG-Revival
In das Investment-Konzept der Deutschen Bank würde ein Einstieg jedoch nicht passen, munkeln Branchenkenner. Eher scheinen die Spekulationen Reminiszenzen an die legendäre "Deutschland AG" zu wecken, als Banken und Versicherungen bis in die späten 1990er strategische Beteiligungen an deutschen Industrieunternehmen hielten. Heute gilt das Interesse der Banker eher lukrativen Deals mithilfe der Optionen.
Neun Prozent betrug der Anteil von Abu Dhabis Staatsfonds Aabar an Daimler. An wen die Anteile verkauft wurden, ist nicht bekannt, auch eine offizielle Begründung fehlt. Klar ist hingegen die offene Flanke durch den nun fehlenden Großaktionär: Die größten Daimler-Anteile halten derzeit Kuwait sowie der Konkurrent Renault/Nissan; sie kommen gemeinsam auf nur 10,7 Prozent, der Rest befindet sich in Streubesitz. Für eine Übernahmeschlacht scheint Daimler daher ebenso schlecht gerüstet zu sein wie für eine anstehende Krise in der Automobilbranche.
47 Prozent der Stimmrechte hält die Familie Quandt/Klatten an BMW, bei der Audi-Mutter Volkswagen hat die Holding des Porsche-Clans das Sagen, allen voran Aufsichtsrats-Vorsitzender Ferdinand Piëch. Wenn man sich die Konjunkturrisiken ansehe, "ist ein stabiler Ankeraktionär wie eine Familie sicherlich besser", urteilt der Experte Stefan Bratzel in der "SZ". Beide Familien stehen für langfristiges Investment anstatt kurzfristiger Gewinnmaximierung.
Als Langzeitlösung galt auch der Einstieg Abu Dhabis im Jahr 2009. Knappe zwei Milliarden Euro zahlte das Emirat damals für seinen Anteil, bei 20 Euro lag der Aktienkurs mitten in der Wirtschaftskrise. In der Zwischenzeit hat sich der Preis der Papiere verdoppelt, und die Scheichs steigen mit sattem Gewinn aus.