Sie haben immer gesagt, dass Zürich und Kopenhagen die Dubais von Europa sind?

Was ich damit sagen wollte: Diese Städte sind Plattform-Städte. Google hat sein Hauptquartier in Zürich angesiedelt. Google geht es aber nicht um die Schweiz, sie haben ihr Hauptquartier in Zürich angesiedelt, um von dort aus Europa zu beackern.

Ist Wien auch so eine Plattform-Stadt?

Als die Mauer fiel, hatte ich für diese Plattform-Funktion drei Städte im Auge: Berlin, Wien und Budapest. Ich hatte damals das Gefühl, dass Budapest jene Stadt sein würde, die diese Funktion erfüllen könnte. Wien war für dieses Spiel noch nicht bereit, dachte ich, Berlin war mit sich selbst beschäftigt.

Doch Budapest ist es dann doch nicht geworden. Aber eine andere Frage: Sehen Sie in den Städten eine neue Renaissance des öffentlichen Personennahverkehrs?

Ein Auto ist für die Überwindung von großen Distanzen und für Geschwindigkeit gemacht. Und dann stellen Sie sich ein tolles Auto - einen Audi etwa - in der Stadt vor. Es kriecht dahin, all die wunderbaren Features, die die Ingenieure in das Auto gepackt haben, etwa Geschwindigkeit oder Kraft, werden von der Stadt einfach ausgebremst. Die Stadt kommuniziert auf diese Weise mit dem Auto. Das Auto kriecht im Stadtverkehr nur langsam vor sich hin. Die Stadt will uns etwas sagen. Es geht nämlich nicht um das Auto, es geht um die Urbanisierung von Technologie. Es geht nicht ums Auto, es geht um Mobilität. Welche Technologien funktionieren in der Stadt, welche nicht? Es geht auch um die Frage, ob die Stadt eine Stimme hat.

In Ihrem Vortrag beim Symposion Dürnstein ging es auch darum, wie das Streben nach Sicherheit im Krieg gegen den Terror für die Bürger Unsicherheit erzeugt.

Ich arbeite mit Mary Kaldor von der London School of Economics zusammen, und sie und andere Kolleginnen und Kollegen stellen den Begriff der menschlichen Sicherheit dem Begriff der Staatssicherheit entgegen. Sicherheit ist heute kein unschuldiger Begriff mehr. Das Streben der nationalen Regierungen nach mehr Sicherheit in dieser Zeit der asymmetrischen Kriegsführung schafft urbane Unsicherheit. Casablanca, London, Madrid sind ja nicht Teil des Kriegsschauplatzes. Wenn aber heute nationale Regierungen sagen, wir ziehen im Interesse der nationalen Sicherheit in einen Krieg, dann werden Städte in diesen Kriegsschauplatz hineingezogen.

Zur Person

Saskia Sassen, geboren 1949 in Den Haag, Niederlande, und aufgewachsen in Buenos Aires, Argentinien, ist US-amerikanische Soziologin und Wirtschaftswissenschafterin. Sie ist für ihre Analysen über Globalisierung und über internationale Migration bekannt. Sie ist zurzeit Professorin an der Columbia University und Gastprofessorin an der London School of Economics. Sassen prägte den Begriff "Global City". Sie sprach auf Einladung des Dürnstein Symposions darüber, wie das Streben nach Sicherheit für die Bürger Unsicherheit erzeugt.