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Berufsverbot für ehemalige Gaddafi-Getreue

Von Thomas Seifert

Wirtschaft

Handelsdelegierter Bachmann: "Ein reiches Land mit ungewisser Zukunft."


Wien/Tripolis. Oppositionelle Milizen sind in der libyschen Hauptstadt Tripoli aufmarschiert und belagern seit einigen Tagen Regierungsgebäude und fordern den Rücktritt von Ministerpräsident Ali Zeidan.

Mit ihren Protesten haben die Milizen bereits ein Gesetz zur Entlassung ehemaliger Gaddafi-Anhänger aus dem Staatsdienst erreicht, ein entsprechendes Regelwerk wurde am Wochenende vom libyschen Parlament beschlossen. Nach diesen neuen Bestimmungen müsste möglicherweise sogar Ministerpräsident Zeidan zurücktreten, der bis zum Jahr 1980 Diplomat im Dienste Gaddafis gewesen war und erst 1980 zur Opposition übergelaufen ist. Regierungsvertreter halten es für "Auslegungssache", ob die Bestimmungen für Zeidan anwendbar seien, die bewaffneten Milizen wollen jedoch den Rücktritt des Ministerpräsidenten erzwingen. Tatsächlich sei das Gesetz aber "vage formuliert", wie die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch beklagt.

Der österreichische Außenhadelsdelegierte der Wirtschaftskammer in Tripolis, David Bachmann, sprach vor einer Gruppe von österreichischen Journalisten von einer "heiklen Gratwanderung". Bachmann äußerte einerseits Verständnis für die Anliegen der Oppositionellen - tatsächlich würden Vertreter aus dem inneren Zirkel Gaddafis nach wie vor in Schlüsselpositionen tätig sein - andererseits habe das Beispiel Irak gezeigt, dass es unsinnig sei, Loyalisten des Ancien Régime "bis in die unteren Chargen" zu entfernen. "Da geht einfach zu viel institutionelles Wissen verloren. Das könnte das Land um mehrere Jahre zurückwerfen", warnt Bachmann.

Bis zu 15 Prozent Wachstum

Bachmann berichtet auch über die wirtschaftliche Lage in Libyen: "Libyen ist ein reiches Land, bei dem man nicht weiß, wie es weitergeht oder wann es weitergeht." Der Außenhandel mit Libyen ist seit dem Beginn der Revolution im Februar 2011 fast vollständig zum Erliegen gekommen, die Wirtschaftsdaten lassen aber auf gute Geschäfte für österreichische Firmen hoffen: Das Wirtschaftswachstum beträgt rund 10 bis 15 Prozent jährlich, Ende 2013 werde man wieder auf dem Niveau vor der Revolution sein, berichtet Bachmann. Und auch das Bruttosozialprodukt liege nicht bei den rund 12.000 Dollar pro Kopf, wie in den meisten Statistiken zu lesen sei, "sondern meiner Meinung nach deutlich darüber", vielleicht sogar bei 19.000 Dollar (Libyen hat 6,4 Millionen Einwohner). Die Wirtschaft ist aber zum allergrößten Teil von der Ölproduktion abhängig, obwohl die Regierung versuche, andere Wirtschaftszweige - etwa die petrochemische Industrie, die Minenindustrie oder den Tourismus - zu entwickeln. Die Ölförderung ist auf das Vorkriegsniveau von rund 1,5 Millionen Barrel Öl pro Tag zurückgekehrt. Libyen hat bei der Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) um eine Erhöhung der Förderquote angesucht, denn der Staatshaushalt ist auf die Petrodollars angewiesen.

Experten gehen davon aus, dass der Staat 70 bis 80 Dollar pro geförderten Barrel Öl einnimmt. "Das reicht, um ein Budget von 40 Milliarden Dollar zu finanzieren", sagt Bachmann. Im Gegensatz zu Ägypten, "das alle paar Monate vom Internationalen Währungsfonds und anderen Geldgebern ein paar hundert Millionen Dollar Kredit erbetteln muss", sei Libyen ein reiches Land. Kurz vor der Revolution habe Libyen über 150 Millirden Dollar an Devisenreserven verfügt, heute sei die Staatsschatulle mit über 200 Millirden Dollar Devisenreserven prall gefüllt. Der Staat könne es sich leisten, seine Bürger bei Laune zu halten, mein Bachmann: "Die Revolution frisst ihre Kinder nicht, sondern sie ernährt ihre Kinder." Lediglich der Wiederaufbau sei noch nicht so recht in Schwung gekommen, meint der Handelsdelegierte.

Österreichische Firmen hoffen auf Milliardenaufträge, "das Land hat einen nach wie vor sehr guten Ruf in Libyen". Die Exporte Österreichs nach Libyen machen derzeit aber nur 0,07 Prozent der weltweiten österreichischen Exporte aus. Die Importe aus Libyen - fast ausschließlich Öl und Erdölprodukte - betrugen 2012 rund 635 Millionen Euro. Jeder vierte Liter Benzin, der in Österreich in die Tanks gefüllt werde, stamme aus Libyen.