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"Saatgutmarkt wird weltweit kontrolliert"

Von Petra Tempfer

Wirtschaft

In Europa besitzen fünf Firmen die Hälfte aller Patente auf Pflanzen.


Brüssel/Wien. Die Weltbevölkerung und ihr Konsum wachsen - wächst damit auch die Anzahl der im Nahrungsmittelbereich tätigen Firmen? Ganz im Gegenteil: Nur eine Handvoll Unternehmen beherrschen heute die globale Produktion. "Der weltweite kommerzielle Saatgutmarkt hat sich innerhalb von zwanzig Jahren extrem konzentriert. Dieses Oligopol ist das Resultat unzähliger Übernahmen und Fusionen", schreibt die Schweizer Nichtregierungsorganisation "Erklärung von Bern" in ihrem Bericht "Agropoly".

Demnach hielten 1996 die zehn größten Unternehmen der Saatgutindustrie einen Marktanteil von weniger als 30 Prozent. Heute sind es drei Konzerne, die mehr als 50 Prozent des Weltmarktes kontrollieren. In Europa besitzen laut "Agropoly" fünf Firmen die Hälfte der Patente auf Pflanzen: Monsanto, Dupont, Syngenta, BASF und Bayer. Der Schweizer Konzern Syngenta ist mit 19 Prozent Marktanteil globaler Marktführer.

Saatgut, Pestizide und Dünger im Package

"Die untereinander konkurrierenden Konzerne verkaufen das Package Saatgut, Pestizide und Dünger und sichern sich damit den Markt", erläutert Heidemarie Porstner von der Umweltschutzorganisation "Global 2000" im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Den Schlüssel zum Erfolg bildet möglichst einheitliches Saatgut, das gentechnisch so weit verändert worden ist, dass es selbst nicht mehr auf die Pestizide reagiert - und das zugleich schon dermaßen hochgezüchtet ist, dass es ohne Spezialdünger gar nicht mehr wachsen kann. Laut Porstner sind dadurch 75 Prozent aller Nutzpflanzensorten in den vergangenen 100 Jahren unwiederbringlich verschwunden.

Diese Vereinheitlichung der Sorten widerstrebe den Gesetzen der Natur, warnt Porstner. "Die natürlichen Pflanzenarten liegen meistens nah aneinander und sind schwer abgrenzbar. Sie verändern sich ständig, indem sie mit dem Klimawandel mitgehen und sich den Umweltbedingungen immer wieder neu anpassen. Die von den Konzernen angestrebte Sorte soll aber eindeutig und am besten über Jahrzehnte konstant sein." Das diene aber lediglich der Wirtschaft und schade der Umwelt.

"Verpflichtende Zulassung der Sorten muss fallen"

Dass nun auch alte Sorten in ein Korsett gezwängt werden, gefährdet ihrer Meinung nach die Vielfalt und den Erhalt seltener Pflanzen - die Zugeständnisse der EU im offiziellen Entwurf zur Saatgutverordnung hält sie für zu gering, "und sie gehen mit zahlreichen bürokratischen Hürden einher". Zudem könnte sich ein kleiner Betrieb die Zulassung aller seiner Sorten schwer leisten, wenn man von einer Gebühr von 800 bis 1000 Euro pro Sorte ausgeht. "Diese verpflichtende amtliche Zulassung muss generell fallen", fordert Porstner, um eine noch stärkere weltweite Konzentration der Produzenten zu verhindern.

Dass diese den Markt für Saatgut und Pestizide in der Hand haben, birgt nämlich auch für den Menschen eine Gefahr. Laut dem "Agropoly"-Bericht werden nämlich jährlich mehrere Millionen Bauern und Landarbeiter durch Pestizide vergiftet - etwa 40.000 davon tödlich, mit hoher Dunkelziffer. Die Vergiftungen betreffen vor allem Entwicklungsländer, wo sich die Anwender nicht ausreichend schützen können und Produkte verkauft werden, die bei uns längst verboten sind.