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Jedem Dorf sein Laden

Von Andrea Möchel

Wirtschaft

Peter Schauer berät Gemeinden, die nicht auf Greißler verzichten wollen.


Wien. "Die Idee entstand mit der Beobachtung der Nahversorgungssituation meiner Heimatgemeinde Schiedlberg in Oberösterreich", erinnert sich Sozialökonom Peter Schauer an die Initialzündung für sein Konzept "nah dran". "Hier mussten innerhalb von 15 Jahren drei Geschäfte zu sperren. Besonders für ältere Personen wurde dieser fehlende Treffpunkt ein großes Manko."

Besonders Pensionisten kaufen gerne am Wohnort - hier setzt das Nahversorger-Konzept an.
© Foto: fotolia

Und wer kennt sie nicht, die heimischen Geisterdörfer, in denen die Infrastruktur für ein lebendiges Miteinander an allen Ecken und Enden fehlt. Kein Postamt, kein Wirtshaus und leerstehende Geschäftslokale dort, wo sich die Bevölkerung früher mit Lebensmitteln und Neuigkeiten versorgen konnte.

Zeitgleich wuchern Shopping-Malls auf der grünen Wiese, bespielt von den immer gleichen Handelsriesen. Dazu kommt der demografische Wandel der ländlichen Bevölkerung. "Aus Bauern wurden Angestellte und aus Hausfrauen berufstätige Frauen, die zu ihrer Arbeitsstelle pendeln und ihren Einkauf nicht mehr beim örtlichen Kaufmannsladen, sondern bei der nächstgelegenen Supermarktkette tätigen", schildert Schauer die Misere.

Freiwillige vor

Auf der Strecke bleiben vor allem die Bedürfnisse der älteren Menschen. Und genau bei ihnen setzt Schauers Nahversorger-Konzept an. "Als mein Vater in Pension ging, wurde mir bewusst, welche Potenziale in aktiven Pensionisten stecken", erklärt Schauer seine Idee. "Deshalb sollte ihnen, aber auch anderen Interessierten die Möglichkeit gegeben werden, ehrenamtlich in einem Lebensmittelgeschäft zu arbeiten." Dabei soll der Betrieb des Dorfladens ganz in die Hände der Freiwilligen gelegt werden, deren Aufgabengebiete je nach Verfügbarkeit, Interesse und Qualifikation aufgeteilt werden. Den ehrenamtlichen Mitarbeitern wird ein hauptamtlicher Kollege zur Seite gestellt. "Dieser ist der zentrale Ansprechpartner für die Gemeindeverwaltung und kümmert sich um Einkaufsplanung, Marketing, Finanzcontrolling, Vernetzung und Mitarbeiterkoordination", sagt Schauer.

Die Gemeinden sollen das Projekt in Form eines Vereines rechtlich etablieren und die finanzielle Verantwortung übernehmen. "Im Best Case muss die Gemeinde nur die Mietkosten für das Geschäftslokal tragen", beruhigt Schauer etwaige Bedenken. "Im nicht so glücklichen Fall muss ein Geschäftslokal adaptiert werden. Oft stehen jedoch ohnehin Verkaufslokale ehemaliger Geschäfte leer, die nur geringe Adaptionen benötigen." Darüber hinaus existieren in allen Bundesländern Nahversorgungs-Förderprogramme, die derartige Investitionen unterstützen.

Das Projekt sollte außerdem mit Hilfe von "Bausteinen" finanziert werden, schlägt Schauer vor. "Damit wird der Bevölkerung eine Möglichkeit der finanziellen Beteiligung geboten." So können Einzelpersonen, Vereine oder Unternehmen zum Beispiel Bausteine im Wert von 100 Euro erwerben und erhalten als Gegenleistung Einkaufsgutscheine, die in Jahresetappen eingelöst werden.

"Damit können zinsenfrei ein Grundsortiment oder gewisse Investitionen finanziert werden, und man schafft über die Einkaufsgutscheine außerdem eine jahrelange Bindung", erklärt Schauer den mehrfachen Benefit.

Emotionen statt Preiskampf

Produkte aus der Region sollen im Verkauf einen besonderen Stellenwert einnehmen. Schauer: "Mit dem Einbeziehen regionaler Lebensmittelproduzenten wird der Bevölkerung verdeutlicht, welche Produkte vor der Haustür wachsen und veredelt werden." Das würde dazu beitragen, aus einem nüchternen Nahversorgungskonzept ein emotionalisiertes Einkaufserlebnis zu machen. Lebensmittelgeschäfte im ländlichen Raum können schließlich nicht über Preisdumping funktionieren, weshalb besondere Einkaufsanreize unabdingbar sind: Einheimische als Verkäufer, Regionalität oder auch die Bündelung von Dienstleistungen, wie zum Beispiel eine Postpartnerschaft, Jausen-Catering für den Dorf-Kindergarten oder einen Bistro-Betrieb. "Das alles zusammen motiviert auch ohne Preiskampf zum Einkauf", ist Schauer überzeugt.

"Vor der Umsetzung eines derartigen Projektes ist es aber unumgänglich, die Sozialstruktur und die Konsumbedürfnisse der Bevölkerung genau zu erheben", betont Schauer, der interessierten Gemeinden als Berater zur Verfügung steht. Erste Anfragen gibt es bereits. Die aktuellste Anfrage stamme von der Gemeinde Lunz am See, mit der noch im September das erste Beratungsgespräch geführt wird.

Weitere Informationen zum Konzept "nah dran":
Website Peter Schauer
und
Website Gemeindebund