Zum Hauptinhalt springen

"EU-Kommission macht das Falsche"

Von Reinhard Göweil

Wirtschaft

Im Gegensatz zu Amerika gibt es keine europäischen Mobilfunk-Lizenzen.


Wien. Der Chef der A1-Telekom, Hannes Ametsreiter, blickt derzeit sorgenvoll auf den Telekom-Markt, der sich global im Umbruch befindet. A1 hat eine Kooperation mit Vodafone laufen, der unter anderen deren Kunden Zugang zum Vodafone-Netz ermöglicht.

"Wiener Zeitung": Vodafone kriegt sehr viel Geld für den Verkauf der Verizon-Anteile, steht aber selbst als Übernahmeziel da. Wie ist das zu erklären?Hannes Ametsreiter: Es liegt an der Regulierung. Ein Beispiel: Verizon investiert in den USA ins Glasfasernetz. Es gehört dem Konzern, er kann über das Netz verfügen. In Europa muss aber die France Telekom ihr Netz zu bestimmten Preisen öffnen. Ohne Glasfaser-Regulierung würden auch in Europa Investitionen in einer Bandbreite zwischen 50 und 100 Milliarden ausgelöst, das bräuchte niemand zu stützen.

Die zuständige EU-Kommissarin Nelli Kroes will aber doch auch einen gemeinsamen Telekom-Markt in Europa schaffen.

Ja, sie will, aber alle Aktivitäten der EU-Kommission haben die Industrie geschwächt. Die US- amerikanischen Unternehmen haben eine höhere Feuerkraft. Der US-Konzern AT&T kann es sich derzeit fast aussuchen, ob er Vodafone oder Telefonica übernimmt. Was nun auch immer passieren wird, es droht doch wieder ein bedeutendes Headquarter aus Europa wegzufallen.

Die Kommission drückt die Roaming-Gebühren, um Konsumenten bei grenzüberschreitenden Mobil-Diensten finanziell zu entlasten. Das kann doch nicht so verkehrt sein?

Okay, aber es führt auch dazu, dass in Europa die Umsätze der Mobilfunk-Konzerne sinken. Und neue Jobs entstehen nur, wenn die Umsätze steigen. An dieser Diskussion fehlt mir die Intellektualität.

Kroes argumentiert genau umgekehrt, sie rechnet damit, dass ein einheitlicher Telekom-Markt viele neue Jobs kreieren würde.

Wie im aktuellen Umfeld so ein Schub entstehen soll, ist mir ein Rätsel. Wenn sie das schafft, ist sie eine Zauberin.

Vielleicht sind es ja die großen Telekom-Betreiber, die ihre nationalen Märkte abschotten möchten?

Nein, wir arbeiten bei einem solchen einheitlichen Markt gerne mit. Es gab ein Gespräch der Kommission mit den Chefs der europäischen Telekom-Unternehmen. Und wir brachten vor, was unserer Meinung nach zu tun sei. Danach haben wir nie wieder etwas gehört. In der Zwischenzeit fallen wir immer weiter hinter die USA zurück, die EU-Kommission macht das Falsche.

Die Regulierung der Märkte ist eine Sache. Aber die früheren Monopolisten könnten sich ja auch neue Geschäftszweige einfallen lassen, um die Umsätze zu heben.

Zwei Drittel des Umsatzrückgangs ist die Regulierung. Ein weiterer Punkt ist die Anzahl der Mobilfunker. In den USA gibt es vier, in China drei Anbieter. In Europa sind es insgesamt mehr als hundert. Denn auch das Wettbewerbsrecht der EU denkt nicht europäisch genug.

Es gibt keine einheitlichen Normen der Telekom-Industrie insgesamt. Das schwächt doch auch die europäischen Technologie-Anbieter in der Branche.

Ich weiß nicht, ob man dazu Europa überhaupt braucht. Solange die Netze national vergeben werden, macht das wenig Sinn.

Aber will letzten Endes die EU-Kommission mit ihrer Telekom-Strategie nicht auch, dass es europäische Netze gibt?

(Lacht.) Dann müssten schon auch europäische Lizenzen vergeben werden. Dann könnte es auch einen gemeinsamen Tarif für ganz Europa geben. In der Folge würden die europäischen Länder sofort um die Aufteilung der Lizenz-Einnahmen streiten. Ob das zu lösen sein würde?

Es gibt also überhaupt keine Kooperation der Telekom-Betreiber bei Netz-Investitionen?

Die gibt es nur in exponierten Gegenden. In Tunnels oder auf Berggipfeln gibt es so ein "network sharing", um die Kosten zu senken. Die Telekom-Betreiber investieren aber in zunehmendem Maße in die Kabelnetze (Vodafone kauft derzeit um elf Milliarden Euro das Unternehmen Kabel Deutschland und soll sich auch für den größten Netzbetreiber außerhalb der USA, Liberty Global, interessieren, Anm.). Denn im Gegensatz zur Glasfaser ist das Koaxialkabel nicht reguliert.