Berlin/Wien. In Deutschland haben Fahnder derzeit Betrugsnetzwerke im Visier, die beim Strom- und Gashandel Umsatzsteuern in Milliardenhöhe hinterzogen haben könnten. In Österreich soll das eine neue Umsatzsteuerbetrugsbekämpfungsverordnung verhindern, mit der das sogenannte "Reverse Charge System" ab 1. Jänner 2014 auf zusätzliche Produktbereiche erweitert wird, unter anderem Strom und Gas.
"Die Stromhändler begrüßen die Neuregelung sehr und haben sich dafür eingesetzt, dass derartige Betrügereien verhindert werden können", hieß es dazu am Freitag aus Oesterreichs Energie, dem Branchenverband der E-Wirtschaft. Damit würde Karussell-Geschäften, bei denen irgendjemand die Umsatzsteuer dann nicht abliefere, ein wirksamer Riegel vorgeschoben.
Neu einbezogen in das System der Umkehr der Steuerschuld (Reverse Charge) werden neben der Lieferung von diversen Metallen - inklusive Anlagegold - auch Lieferungen von Gas und Elektrizität an Wiederverkäufer sowie die Übertragung von Gas- und Stromzertifikaten. Treibhauszertifikate waren schon bisher inkludiert.
Während in Normfällen der liefernde oder leistende Unternehmer Schuldner der Umsatzsteuer ist, gibt es in speziellen Bereichen bei Warenlieferungen (oder Dienstleistungserbringungen) schon bisher die Regelung, dass die Steuerschuld vom liefernden/leistenden Unternehmer auf den Leistungsempfänger übergeht. Dies ist etwa unter bestimmten Konditionen bei Bauleistungen oder Lieferungen/Dienstleistungen im Sekundärrohstoff-Bereich der Fall. Diese Regelungen sollen die Möglichkeiten des Umsatzsteuerbetrugs eindämmen oder diesen gänzlich verhindern.
Deutsche und europäische Behörden gehen laut "Süddeutscher Zeitung" (SZ, Freitag) dem Verdacht nach, dass Kriminelle nach dem Emissionshandel auch den Strom- und Gasmarkt im großen Stil für Steuerbetrügereien genutzt haben. Die Fahnder hätten Firmennetze im Visier, die Staaten durch hinterzogene Umsatzsteuern um viele Milliarden Euro gebracht haben könnten.
Die europäische Polizeibehörde Europol in Den Haag spreche von Fällen "historischer Dimension", so die Zeitung. In Deutschland hätten sich Ermittler gleich in mehreren Bundesländern an verdächtige Strom- und Gashändler geheftet, etwa in Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Baden-Württemberg. "Die Spuren führen ins Milieu der organisierten Kriminalität", verlaute aus Kreisen des deutschen Bundeskriminalamtes (BKA).
Selbst ein großer deutscher Energiekonzern sei dabei offenbar ins Visier der Fahnder geraten. Finanzbehörden in Baden-Württemberg hegten bereits seit 2010 den Verdacht, dass EnBW in illegale Karussellgeschäfte im Stromhandel verwickelt sein könnte, schreibt die Zeitung.