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Interaktiv auf Kundenfang

Von Sophia Freynschlag

Wirtschaft
Spieglein, Spieglein . . . Der "Magic Mirror" ist eine interaktive Umkleidekabine.
© Magic Mirror

Grenze zwischen stationärem und Online-Handel verschwindet zunehmend.


Wien. Spieglein, Spieglein an der Wand - welches Kleidungsstück soll ich kaufen? Diese Entscheidung könnten künftig interaktive Verkaufshilfen erleichtern. Eine Vorauswahl ohne tatsächliches Anprobieren ermöglicht beispielsweise die virtuelle Umkleidekabine Magic Mirror aus Großbritannien, der unter anderem bei Adidas und im Kaufhaus Alexa in Berlin im Einsatz ist.

"Der Magic Mirror zeigt nicht nur das Spiegelbild, sondern interagiert mit den Kunden", sagt Joelye Kennard von Magic Mirror. Der Spiegel empfiehlt Produkte und zeigt an, wo diese lagernd sind. Außerdem können Kunden mit dem Spiegel Fotos machen, die sie über die sozialen Netzwerke Facebook und Twitter teilen können. "Wenn ein Kunde etwas (virtuell) anprobiert, kauft er eher etwas", betont Kennard. Eine 3D-Funktion wird gerade entwickelt.

Lego: Packungsinhalt in 3D

In 3D zeigt der Spielwarenhersteller Lego bereits in einigen seiner eigenen Geschäfte, was in der Packung steckt. Die Sportmarke Adidas hat seit 2012 in den zehn Adidas-Neo-Stores elf interaktive Spiegel im Einsatz. Seit heuer sind zudem 55 Virtual Walls in 18 Ländern installiert - in Österreich kann das virtuelle Schuhregal bei Intersport XL-Winninger in Amstetten, bei Intersport Eybl in Vösendorf und bei Rado Sport in Wien ausprobiert werden. Kunden können mit dieser Wand ihre gewünschten Schuhe aussuchen und diese in 3D begutachten, drehen und zoomen sowie Produktinformationen anzeigen lassen. In den interaktiven "Cyber fit"-Umkleidekabinen werden Produktinformationen und dazu passende Produktempfehlungen angezeigt.

Sporthändler Hervis hat Produkte in seinem Future Store in Wien-Landstraße mit RFID-Chips ausgestattet, sodass die Bildschirme in einer speziellen Umkleidekabine zum Produkt passende Videosequenzen zeigen. Außerdem können Kunden über Tablet-Terminals im Laden durchs gesamte Sortiment des Händlers surfen. Das gewünschte Produkt wird in die Wunschfiliale geliefert.

Heikler Datenschutz

Um Kunden anzulocken, wird längst nicht nur auf angenehme Düfte gesetzt. Die Modemarke Hugo Boss misst beispielsweise über Wärmesensoren, wo sich Kunden in den Geschäften besonders gerne aufhalten - und platziert dort Premiumprodukte.

Das Smartphone verrät indes eine Menge über Kunden: Händler können über das Internet-Signal seinen Standort bis auf drei Meter bestimmen - selbst wenn ein Kunde sein Mobiltelefon gerade nicht nutzt, sagt Darren Vengroff vom US-Datenunternehmen Rich Relevance. So könne einem Premium-Kunden, der beim Betreten des Ladens über das Telefonsignal erkannt wurde, ein persönlicher Verkäufer zur Seite gestellt werden.

Bedenken, dass Kunden nicht mit Tablet-PCs und Touchscreens umgehen könnten, haben die Händler kaum. Allerdings heißt es aufpassen beim Thema Datenschutz - nicht jeder Händler holt die Einwilligung des Kunden ein.

"Die alles entscheidende Frage ist, ob sich ein Kunde mit seinen Daten in vertrauensvollen Händen wähnt und inwieweit er von einem Verkaufsberater geführt wird", sagt der deutsche Handelsberater Andreas Haderlein.

Empört reagierten Datenschützer auf die Pläne des britischen Einzelhändlers Tesco, Gesichter von Kunden, die an ihren Tankstellen in der Schlange stehen, zu scannen und personalisierte Werbung anzuzeigen. Tesco beschwichtigte daraufhin, es würden nur das Geschlecht und vier verschiedene Altersstufen erfasst, aber kein Bild gespeichert. Der Einzelhändler sieht keine Verletzung des Datenschutzes.

Hybrides Einkaufen

Preis und Bequemlichkeit alleine reichen nicht, um Kunden in stationäre Geschäfte zu locken, deshalb gewinnt die Produkt-Inszenierung an Bedeutung, sagt Haderlein: "Emotion und Service rücken in den Vordergrund, um eine Handelsmarke nachhaltig in den Köpfen der Menschen zu verankern. Während das Haptische beim Online-Shopping fehlt, können Kunden im stationären Handel mit der Ware interagieren", streicht Cetin Acar vom Kölner EHI Retail Institute die Vorteile von stationären Läden heraus.

Mit interaktiven und technischen Verkaufshelfern verschwinden die Grenzen zwischen stationärem Handel und Online-Shops zunehmend: "Kunden können stationär begeistert werden und erst später im Online-Shop zur Kassa gehen. Oder sie werden online zum Besuch des Ladens vor Ort verführt", sagt Haderlein.