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Sorgen auf hohem Niveau

Von WZ-Korrespondent Wu Gang

Wirtschaft

Mit 7,7 Prozent verzeichnet China das schwächste BIP-Wachstum seit den 1990ern.


Peking. Ma Jiantang ist als Leiter des chinesischen Statistikamts so etwas wie ein globaler Stimmungsanimateur: Die Wachstumsrate von Chinas Volkswirtschaft sorgt entweder für Euphorie, Trübsal oder Ernüchterung, dazwischen liegt kaum etwas - selbst dann nicht, wenn die Zahlen im Rahmen der Erwartungen liegen. So bemühte sich Ma bei seiner Präsentation am Montag zunächst, die Leistung zu betonen, die hinter dem Erreichten stecke, und er verwies auf die Schwierigkeiten, mit denen die chinesische Volkswirtschaft zu kämpfen habe. Dann erst ließ er die Katze aus dem Sack: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) verzeichnet für das vergangene Jahr ein Wachstum von 7,7 Prozent, gleich wie das vierte Quartal 2013. Während das Wachstum des vierten Quartals damit gegenüber dem vorangegangenen Vierteljahr leicht geringer ausfiel, liegt der Wert für das ganze Jahr 2013 nahezu gleichauf mit dem Wachstum von 2012.

Diese Zahlen sind im Großen und Ganzen erwartet worden und übertreffen auch die als Jahresziel der Regierung vorgegebene Untergrenze von 7,5 Prozent. Andererseits wuchs die zweitgrößte Volkswirtschaft der Erde somit zum zweiten Mal in Folge so langsam wie zuletzt im Jahr 1999. Dementsprechend verhalten reagierten die Investoren in Asien: Zwar machten manche Aktienmärkte etwas Boden gut, doch die meisten Börsen verharrten im Minus. Dabei erwarten Ökonomen für das Jahr 2014 ein noch langsameres Wachstum von 7,4 Prozent - den niedrigsten Wert seit 1990, als Peking mit den internationalen Sanktionen nach der Niederschlagung der Studentenproteste am Tiananmen zu kämpfen hatte.

Mehr Binnenkonsum

Überraschend kommen diese Daten nicht. Unter der vor einem Jahr angetretenen Führung unter Staatspräsident Xi Jinping und Ministerpräsident Li Keqiang hatte es zuletzt Versuche gegeben, dem bisherigen Wachstumsmodell entgegenzusteuern. Basierte dieses im vergangenen Jahrzehnt vor allem auf Krediten und Infrastrukturmaßnahmen, sollen Überkapazitäten nunmehr vermieden werden, um dafür mehr Wachstum über die Binnennachfrage zu generieren. Sorgen bereiten dabei vor allem die rapide anwachsenden Schulden der Unternehmen, von denen viele über ein nur lose reguliertes Schattenbankensystem abgewickelt werden. Nachdem die Gesamtverschuldung der chinesischen Wirtschaft lange Zeit stabil bei 130 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gelegen ist, stieg sie im Zuge der Finanzkrise 2008 sprunghaft an und erreichte im Jahr 2013 den Wert von 200 Prozent.

Ein Anstieg in dieser Höhe gilt in anderen Ökonomien als Indikator für eine finanzielle Krise, weshalb Peking bei den Krediten gegensteuern muss. Viele faule Kredite müssen jetzt aber refinanziert werden, sodass das Geld nicht der Wirtschaft zugutekommen kann. Darüber hinaus klemmt der tertiäre Sektor: Dieser legte zwar leicht über dem durchschnittlichen Wachstum zu, ein starkes Zeichen der Verlagerung auf industrielles, auf Export und Investitionen ausgerichtetes Wachstum ist das jedoch nicht.

Die künftige Entwicklung wird davon abhängen, wie rasch und effizient die im November vom Zentralkomitee der Kommunistischen Partei beschlossenen Wirtschaftsreformen greifen werden. Demnach will man künftig Monopole auflösen, mehr Privatwirtschaft zulassen sowie die Staatsunternehmen effizienter und unabhängiger von der Politik verwalten. Außerdem soll die Gründung kleiner und mittelgroßer Privatbanken erlaubt werden. Unerwarteter Rückenwind könnte dabei aus den USA kommen, wo die Nachfrage nach chinesischen Exportgütern im Zuge der wirtschaftlichen Konsolidierung wieder steigen dürfte. Andererseits ist Chinas Wirtschaft seit der Finanzkrise weniger von Exporten abhängig als in der Vergangenheit - und mit einem Handelsvolumen von vier Billionen Dollar hat das Land im vergangenen Jahr die Vereinigten Staaten erstmals überholt.