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Eurozone im zarten Aufschwung

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Wirtschaft

Nach zwei Jahren der Rezession legt die Wirtschaft wieder zu, Kommission prognostiziert Wachstum von 1,2 Prozent.


Brüssel/Straßburg. Olli Rehn neigt in seinen Aussagen kaum zur Euphorie. Lieber verknüpft der EU-Währungs- und Wirtschaftskommissar selbst positive Meldungen mit einer Warnung. Das tat er auch bei der Präsentation der Winterprognose im EU-Parlament in Straßburg. Trotz der wirtschaftlichen Erholung dürften die Mitgliedstaaten nämlich nicht in ihren Reformbemühungen nachlassen, erklärte Rehn: "Auch wenn die schlimmste Phase der Krise mittlerweile hinter uns liegen mag, ist das keine Einladung zur Selbstzufriedenheit."

Immerhin traut die Kommission der Eurozone nach zwei Jahren der Rezession wieder einen zarten Aufschwung zu. Das Bruttoinlandsprodukt werde heuer um 1,2 und im kommenden Jahr um 1,8 Prozent wachsen - etwas mehr als noch vor kurzem vorhergesagt. Das Wachstum in der gesamten EU wird in diesen Jahren 1,5 und zwei Prozent betragen. Im negativen Bereich werden sich heuer nur noch zwei Länder befinden: Zypern und Slowenien.

"Die Konjunktur in Europa fasst nun Tritt", kommentierte Rehn. Allerdings bereite die hohe Arbeitslosigkeit weiterhin Sorgen. Weder in diesem noch im nächsten Jahr wird sich etwas daran ändern, dass jeder zehnte EU-Bürger keinen Job hat. Im Euroraum ist der Prozentsatz sogar höher, in Österreich liegt er bei 4,7.

Fortschritte erwartet sich die Kommission jedoch beim Abbau der Neuverschuldung. 2,6 Prozent soll das Defizit in der Eurozone heuer betragen - und sinkt damit erstmals seit 2009 unter die erlaubte Marke von drei Prozent. Das gilt freilich nicht für alle Staaten: Schuldengeplagte Länder wie Irland, Portugal oder Spanien weisen höhere Defizitwerte auf; in Frankreich liegt die Quote ebenfalls bei mehr als drei Prozent. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Währungsgemeinschaft kommt beim Abbau der Schulden kaum voran. In Österreich steigt die Neuverschuldung auf 2,1 Prozent, bevor sie im kommenden Jahr wieder auf 1,8 Prozent sinken soll. Die Wirtschaft wird voraussichtlich um 1,5 Prozent zulegen.

Unsicherheit nimmt ab, Nachfrage steigt

Doch auch in den ökonomisch schwachen Ländern ziehe die Wirtschaftstätigkeit an, stellt die Kommission fest. Einer der Gründe dafür sei eine gestärkte Nachfrage, weil die Unsicherheit der Konsumenten sowie an den Finanzmärkten abgenommen hat. Umgekehrt wäre ein erneuter Vertrauensverlust das "größte Abwärtsrisiko für die Wachstumsaussichten". Dazu könnte es kommen, "wenn die Reformen auf nationaler oder auf europäischer Ebene ins Stocken geraten".

Jedoch weisen andere Zahlen darauf hin, dass sich die Stimmung der Verbraucher auch so rasch ändern kann. So sank das Barometer für die Konsumlaune in der Eurozone in diesem Monat überraschend auf minus 12,7 Punkte von minus 11,7 Zählern im Jänner. Von der Verschlechterung nicht betroffen ist beispielsweise Deutschland: Dort ist die Kauflaune so gut wie seit mehr als sechs Jahren nicht.

Deutschland erweist sich denn auch als Motor für das Wachstum im gemeinsamen Währungsraum. Europas größte Volkswirtschaft soll heuer um überdurchschnittliche 1,8 Prozent zulegen. Noch dazu hat das Land bereits das zweite Jahr in Folge einen Überschuss im Staatshaushalt geschafft - auch wenn dieser mit 0,01 Prozent des Bruttoinlandsprodukts oder 300 Millionen Euro minimal ausfiel.

Deutschlands Stärke im Mittelpunkt der Kritik

Allerdings könnten einige der positiven Zahlen schon kommende Woche wieder in den Mittelpunkt der Kritik geraten. Da stellt die Kommission nämlich ihre Analysen zur Situation in mehreren EU-Ländern und den damit zusammenhängenden wirtschaftlichen Ungleichgewichten vor. Das könnte die Debatte um die deutsche Exportstärke nähren. Ob diese die ökonomischen Klüfte vertieft, war ebenfalls Gegenstand der Untersuchung der Brüsseler Behörde.

Die Kommission sieht einen Leistungsbilanzüberschuss von mehr als sechs Prozent der Wirtschaftsleistung über einen längeren Zeitraum als drei Jahre als die Stabilität gefährdend an. Zwar muss Deutschland nicht - wie Länder mit einem Defizit in der Leistungsbilanz - mit Sanktionen rechnen. Doch könnte es aus Brüssel Empfehlungen bekommen, wie der Überschuss abgebaut werden soll. Nach Berechnungen des Ifo-Instituts weist die deutsche Leistungsbilanz mit rund 260 Milliarden Dollar ein höheres Plus aus als die der weltgrößten Handelsnation China.