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Gegen Armut und Verschwendung

Von Sophia Freynschlag

Wirtschaft
In Ausgabestellen verteilt werden Lebensmittel bei der Pannonischen Tafel. Gegen einen geringen Beitrag erhalten in Armut lebende Personen Waren des täglichen Bedarfs.
© Verband der österreichischen Tafeln

"Lebensmittelverschwendung und Armut zieht sich durch ganz Österreich."


Wien. Knapp 100 Tonnen genießbare Lebensmittel haben die Wiener Tafel, die Pannonische Tafel und die Flachgauer Tafel im Vorjahr an 20.000 in Armut lebende Personen verteilt. Nun haben sich die drei Non-Profit-Organisationen zu einem Dachverband zusammengeschlossen, um ihr Netz österreichweit auszubauen.

Der Verband will sozial Engagierte beim Aufbau von Tafelorganisationen unterstützen und Mitgliedsorganisationen als überregionaler Ansprechpartner gegenüber Waren- und Geldspendern vertreten. "Das Phänomen Lebensmittelverschwendung und Armut zieht sich durch ganz Österreich", sagt Nadine Zielonke, Obfrau des Verbandes der österreichischen Tafeln. Ziel ist, in drei Jahren in allen Bundesländern derartige Organisationen zu haben.

Keine Berührungsängste

"Als alleinerziehende Mutter von vier Kindern habe ich mich geärgert, dass so viele Lebensmittel weggeschmissen werden", sagt Andrea Roschek, die gemeinsam mit einer weiteren Betroffenen vor sechs Jahren die Pannonische Tafel gegründet hat. Mit einem alten Transporter sammelten sie anfangs Lebensmittel und gaben sie an arme Menschen weiter, 2008 wurde eine fixe Ausgabestelle eröffnet. Mittlerweile verteilen im Burgenland 35 ehrenamtliche Mitarbeiter pro Woche 10 Tonnen Lebensmittel an drei Ausgabelokalen in Eisenstadt, Oberpullendorf und Hornstein an rund 3400 Betroffene. Viele davon sind Alleinerzieher oder beziehen Mindest- oder Invaliditätspension. Andere sind arbeitslos oder bekommen Mindestsicherung, auch Asylwerber wenden sich an die Pannonische Tafel. Einige Bezieher bilden sogar Fahrgemeinschaften, um zu den Ausgabestellen zu kommen - ein Bedarf nach weiteren Standorten besteht also.

"Man darf keine Berührungsängste haben. Es geht nicht nur darum, Lebensmittel zu verteilen. Betroffene wollen sich ausweinen und ihre Geschichte erzählen", sagt Roschek. Die meisten Ehrenamtlichen haben am eigenen Leib erfahren, was es heißt, arm zu sein.

Gemeinsame Grundsätze

Die Tafeln haben gemeinsame Grundsätze festgelegt, die auch als Voraussetzung für neue Mitglieder sind. Dazu gehört beispielsweise, dass nur überschüssige Lebensmittel eingesammelt werden, die noch nicht das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten haben. Lebensmittel und Waren des täglichen Bedarfs werden unentgeltlich oder gegen einen symbolischen Kostenbeitrag an Bedürftige oder soziale und karitative Organisationen abgegeben. Außerdem sollen Tafeln regional nicht in Konkurrenz stehen, sondern zusammenarbeiten.

Die Strukturen der Tafeln sind dagegen unterschiedlich: Die Wiener Tafel beliefert 90 Sozialeinrichtungen, wofür acht bis zehn Ehrenamtliche sechs Tage pro Woche mit vier Lieferwägen unterwegs sind. In den Bundesländern gibt es hingegen Ausgabestellen mit fixen Öffnungszeiten, an die sich in Armut lebende Personen wenden können.

Bei der Vorstandssitzung Ende März will der Verband einen Leitfaden für die Gründung von Tafelorganisationen erarbeiten und später auf die Verbands-Website stellen, um sozial Engagierte zu unterstützen. Ehrenamtliche werden immer gebraucht, sagt Zielonke, die selbst in der Wiener Tafel aktiv ist: Ob bei der Akquise von neuen Waren- und Sachspendern sowie Spendern und Sponsoren, als Fahrer von Lieferwägen, bei der Ausgabe an Bedürftige oder der Organisation von Infoständen oder -veranstaltungen, um neue Ehrenamtliche zu gewinnen. Hygieneartikel und lang haltbare Lebensmittel werden zum Beispiel selten gespendet, sagt die Verbandsobfrau. Die Mitglieds-Tafeln verteilen nur gespendete Produkte und kaufen keine Ware zu.

Spender dringend gesucht

Die Pannonische Tafel sieht sich nicht nur als Ausgabestelle, erklärt Roschek: "Wir wollen ein Rundumpaket bieten und begleiten Menschen bei Behördenwegen, vermitteln Arbeitsplätze und kredenzen von Montag bis Freitag gegen eine freie Spende ein veganes Mittagessen." Im Sozialprojekt "Wohnzimmer" wird Deutsch, Englisch oder Spanisch gelernt, Nicht-Versicherten werden Arztbesuche ermöglicht. Weil zuvor immer wieder delogierte Betroffene - zum Teil mit Kindern - zur Ausgabestelle kamen und nicht wussten, wohin, gibt es seit drei Jahren auch eine Notschlafstelle.

"Die Finanzierung ist sehr mühsam, von der Politik gibt es kaum Förderung", sagt Roschek. Auch bei Unternehmen sei es schwierig, Spenden aufzutreiben. Deshalb musste der Beitrag pro Einkauf vor kurzem von 1,50 auf 2 Euro erhöht werden, erzählt Roschek zerknirscht. Dennoch ist die Obfrau der Pannonischen Tafel von der Arbeit der Tafeln überzeugt: "Unser Ziel ist es, Armut zu beseitigen."